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Nichtoffener Wettbewerb | 11/2009

Barrierefreiheit im Historischen Stadtkern Warburg

2. Rang

scape Landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Die Gestaltung der Straßen- und Platzräume der historischen Oberstadt von Warburg ist in die Jahre gekommen. Oberflächengestaltung, Funktion und Zonierung entsprechen nur noch eingeschränkt heutigen Ansprüchen. Die Vielfalt an Materialien, unebene, schlecht begehbare Pflasteroberflächen, Konfliktsituationen mit dem motorisierten Verkehr sowie eine unklare optische Führung insbesondere in den engen Straßenräumen beeinträchtigen die Aufenthaltsqualität und das Erscheinungsbild der Innenstadt von Warburg. Die wertvolle historische Bausubstanz Warburgs mit seiner kleinteiligen Architektur, den grünen, baumbestandenen Plätzen und seiner interessanten Topographie gilt es zu bewahren und durch eine qualitätvolle Gestaltung der öffentlichen Räume zu stärken. Als Modellprojekt für die barrierefreie Gestaltung historischer Ortskerne in NRW soll ein neues Nebeneinander zwischen allen Verkehrsteilnehmern und Nutzern der öffentlichen Räume gefunden werden. Gleichermaßen muss anknüpfend an den wertvollen Bestand eine zeitlose und dauerhafte Gestalt- und Materialqualität gefunden werden, die zum Leitbild für die Gestaltung der Straßen- und Platzräume der historischen Innenstadt von Warburg wird.


Strategie/Leitbild

Idee ist es, eine durchgehend optimal begeh- und benutzbare Pflasteroberfläche zu schaffen, die gleichzeitig einen zurückhaltenden, charakteristischen Hintergrund für die wertvolle historische Bausubstanz bildet. Die historische Dreiteilung der Straßenräume wird aufgenommen und neu interpretiert: Plattenbänder betonen die Linearität der engen historischen Straßenräume und geben ihnen eine neue Kontur. Sie markieren die Hauptbewegungszone für den motorisierten Verkehr und schaffen breite Laufachsen für Fußgänger. An den Plätzen weiten sich die Pflasterbänder auf, konturieren die Platzränder und betonen die Weite des Platzraumes im Kontrast zu den engen Gassen und Straßen. Paderborner Tor, Marktplatz und Gebrüder-Warburg-Platz werden als Unikate und Kristallisationspunkte im Stadtgefüge neu gefasst und entsprechend ihrer Bedeutung als grüne Aufenthaltsorte in der Stadt gestaltet.
Die linearen Plattenbänder werden zu klaren Leitlinien in der historischen Innenstadt von Warburg. Neben ihrer gestalterischen Funktion dienen sie der Orientierung für Fußgänger und Sehbehinderte und der optischen Verengung der Bewegungszone für den motorisierten Verkehr. Das Freihalten der vorgeschriebenen Durchfahrtsbreiten von Einbauten über die Hauptbewegungszone hinaus garantiert die regelgerechte Funktion der Verkehrsräume.
Das Konzept reagiert auf die negativen Erfahrungen mit dem Straßenumbau der 80er Jahren: Anders als die vorhandene Zonierung, die die vorgeschriebenen Regelbreiten für den KFZ-Verkehr gestalterisch auf Kosten der Seitenbereiche und damit der Fußgänger umsetzt, schafft die neue Straßenraumgestaltung die Voraussetzungen für ein neues Nebeneinander von Fußgängern und motorisiertem Verkehr: Die klare Festlegung einer Hauptbewegungszone, die optische Verschmälerung der Fahrbahn und die Schaffung von klaren Eingangssituationen in die historische Innenstadt dienen als Maßnahmen zur Einhaltung der vorgegebenen Fahrgeschwindigkeit (Schritttempo). Sie signalisieren dem motorisierten Verkehrsteilnehmer, sich in einem Bereich mit Vorrang für den Fußgängerverkehr zu bewegen und entsprechende Rücksichtnahme zu nehmen.


Obere Hauptstraße/Untere Hauptstraße

Das Gestaltungskonzept für die Hauptstraße wird aus dem Gesamtkonzept zur Gestaltung der Straße- und Platzräume der Warburger Innenstadt entwickelt. Es sieht einen durchgehenden charakteristischen Pflasterteppich vor. Um Blickbezüge auf die wertvolle Bausubstanz und in die Tiefe des Straßenraumes zu schaffen, werden Einbauten und Ausstattungsgegenstände auf ein Minimum reduziert und in ihrer Gestaltung möglichst transparent gehalten. Die Hauptbewegungszone wird von hellen Plattenbändern markiert. An der Nordseite der Straße wird im Wechsel mit untersichtigen Bäumen (geschnittenen Kastenlinden, Kronenansatz: 3 m) ein als Park-, Spiel- (punktuelle Spielobjekte) oder Gastronomiezone nutzbarer, 2 m breiter multifunktionaler Streifen vorgegeben. Die heutige Zonierung zu Ungunsten der Fußgänger wird aufgehoben und deutlich verbreiterte, klare Laufachsen geschaffen, die dem motorisierten Verkehr nur bei notwendigen Ausweichmanövern zur Verfügung stehen.
Die klare Orientierung und Zonierung, die optische Führung durch die kontrastierenden Plattenbänder und die durchgängig optimale Begehbarkeit kommen u.a. Personen mit eingeschränkter Mobilität (Seh- und Gehbehinderte), aber auch allen anderen Besuchern der Warburger Oberstadt zu Gute.


Platzsequenz Paderborner Tor/ Marktplatz/ Gebrüder-Warburg-Platz

Den Plätzen kommt eine besondere Bedeutung für den längeren Aufenthalt und das Verweilen in der Stadt zu. Durch den vorhandenen charakteristischen Baumbestand bilden sie einen Kontrast zu den engen, lebendigen historischen Straßen und Gassen und dienen als grüne Rückzugs-, Spiel- und Aufenthaltsräume. Im Osten und Westen bilden der Gebrüder-Warburg-Platz und das Paderborner Tor wichtige Empfangsräume in die Warburger Oberstadt. Sie bilden gemeinsam mit dem Marktplatz eine spannende Sequenz aus linearen Straßenräumen und sich öffnenden Plätzen, die gleichsam zum Rückgrat und charakteristischen Fingerabdruck für die Warburger Oberstadt werden.
Das Paderborner Tor wird als linearer Platzraum aufgefasst. Der vorhandene Baumbestand wird nahezu vollständig erhalten und begleitet die neuen verbreiterten Seitenräume, die ebenfalls vom vorhandenen hohen Besatz an Außengastronomie genutzt werden können. Die vorhandene Fahrbahn wird auf 6,55 m verschmälert und als farblich angepasste Asphaltdecke ausgeführt. Hierfür sprechen die hohe Beanspruchung durch den Busverkehr. Diese Materialwahl und die Dimensionierung betont die Lage in der Vorstadt außerhalb der ehem. historischen Stadtmauer. Auf Höhe des ehemaligen Paderborner Tores verschmälert sich die Fahrbahn, wird angehoben und schafft eine klare Eingangssituation in die historische Oberstadt. Gleichzeitig wird durch diese Maßnahmen die Geschwindigkeit frühzeitig reduziert und das Gefahrenpotential an der durch den Abbiegeverkehr stark belasteten Kreuzung Hauptstr.– Josef-Wirmer-Straße verringert. In das Pflaster integrierte Bänder aus Metall (z. B. Bronze) zeichnen den Verlauf der ehemaligen Stadtmauer nach und geben Hinweise auf die Stadtgeschichte.
Der Marktplatz bildet den größten Platz innerhalb des kleinteiligen Stadtgefüges. Er wird bis an Neustädter Kirche herangeführt und bildet ein repräsentatives und großzügiges Entrée für die Kirche als Wahrzeichen der Warburger Oberstadt. Die nach Norden und Osten abfallende Topographie wird durch eine großzügige Treppenanlage abgefangen, so dass die für mobilitätsbehinderte Menschen und z.B. den Gastronomiebetrieb bisher nur schwer nutzbare Platzfläche nun allen Nutzergruppen zur Verfügung steht. Der Pflasterbelag der eingelegten großzügigen Pflasterfläche knüpft in besonderer Weise an die ortstypische Identität an: das qualitätiv hochwertige vorhandene rötlich-braune Granitgroßsteinpflaster wird in seiner Oberflächenbeschaffenheit verbessert (horizontal geschnitten + gestockt) und neu verlegt. Auch hier werden Bänder aus Metall (z.B. Bronze) in das Pflaster integriert und betonen die städtebauliche Figur. Der Grünraum um die Neustädter Kirche wird mit dem Marktplatz verknüpft und zum öffentlich nutzbaren Kirchgarten mit Aufenthalts- und kleineren Spielmöglichkeiten.
Der Entwurf für den Gebrüder-Warburg-Platz wird aus der Formensprache des Marktplatzes entwickelt. Unter Wahrung des wertvollen Baumbestandes entsteht ein Spiel- und Aufenthaltsbereich unter Bäumen. Er wird eingefasst durch Hecken in Richtung des Parkplatzbereiches sowie eine parallel zu den Straßen verlaufende geschwungene Natursteinmauer, die die vorhandenen Höhenunterschiede abfängt. Großzügige Treppen mit Rampen für Kinderwagen laden zum kreativen Spielen in der historischen Oberstadt ein.


Verkehrskonzept

Bei der Dimensionierung der Verkehrsflächen wird zwischen dem Trennungs- und dem Mischungsprinzip unterschieden.
Im Bereich Paderborner Tor ist die Fahrbahn in Asphalt geplant. Die Fahrbahnbreite ermöglicht den Begegnungsfall Bus / Bus. Die Seitenräume werden entsprechend des Trennungsprinzips durch Borde von der Fahrbahn getrennt. Für den ruhenden Verkehr werden Längsparkstände angeordnet. Die barrierefreie Bushaltestelle befindet sich auf der Fahrbahn. Dies ist bei der vorliegenden Taktfrequenz und den Verkehrsbelastungszahlen möglich und trägt darüber hinaus zur Verkehrsberuhigung bei.
Die restlichen Verkehrsflächen sind im Mischungsprinzip als verkehrsberuhigte Bereiche geplant. Die Straßen werden dabei optisch in einen Fahrbereich sowie in Seitenbereiche getrennt. Der Fahrbereich ist bei Einrichtungsverkehr 3,00 m und bei Zweirichtungsverkehr 4,10 m breit. Die lichte Durchfahrbreite für Müllfahrzeuge, Feuerwehr, Busse, Lieferverkehr, die von Einbauten freigehalten werden soll, liegt zwischen 4,00 m und 6,55 m. Für den ruhenden Verkehr werden Längs- und Senkrechtparkstände angeordnet. Im Bereich der Knotenpunkte können die Seitenbereiche zum Abbiegen mit genutzt werden. Für den ruhenden Verkehr ist in der Summe eine geringfügige Reduktion der vorhandenen Stellplätze auf insg. 117 im Bereich Paderborner Tor, Hauptstraße, Marktplatz, Gebr.-Warburg-Platz vorgesehen.


Material- und Ausstattungskonzept

Das heute vorhandene Natur- und Betonsteinpflaster entspricht in seiner Material- + Formatvielfalt (Blaubasalt Kleinpflaster, Sandstein hell Großpflaster, Sandstein rotbraun Großpflaster, Sandsteinkleinpflaster rot und beige, Betonpflaster rotbraun, Betonpflaster mit Natursplittvorsatz, Klinker + „Zierelemente“) nicht mehr heutigen Ansprüchen an hochwertige Oberflächengestaltungen. Es weist zunehmend Schäden auf und ist aufgrund der unebenen Oberfläche schlecht begehbar.
Die Planung sieht einen einheitlichen, zeitlosen, dem historischen Stadtbild entsprechender Bodenbelag vor. Auf Grund der großen Bedeutung des denkmalgeschützten Stadtkernes von Warburg und der vorgefundenen ortstypischen Materialien (Sandstein, Granit) wird ein farblich changierendes gelb-graues Natursteinpflaster mit rötlichen und bräunlichen Einschlägen z.B. Indischer Sandstein, Granit vorgeschlagen. Eine gestockte oder spaltglatte Oberfläche ermöglicht eine durchgängig gute Begehbarkeit ohne Rutschgefahr. Zur Zonierung der Straßenräume werden die in Ihrer Farbigkeit gleichen Mittel- und Seitenräume durch kontrastierende Pflasterbänder abgesetzt. Ansonsten unterscheiden sich Mittel- und Seitenräume in der Wahl der Formate: Folgende Formate sind denkbar: Mitte: B= 12-20 cm L = max. 35 cm, Seitenräume: B= 20 -40 cm, freie Längen. Die Plattenbänder sind ca. 30 cm breit und deutlich heller als der umgebende Pflasterbelag. Hier werden hellgelb/beige Sandsteinplatten oder hellgraue Granitplatten (gestockt) vorgeschlagen. Die Bauweise sollte in den durch den Busverkehr besonders belasteten Bereichen gebunden erfolgen.
Es wird eine einheitliche, transparente Stadtmöbelfamilie vorgeschlagen. Je nach Materialwahl und Wahl der Ausstattungselemente ist jedoch eine Kostenreduktion möglich (z.B. Betonsteinpflaster statt Natursteinpflaster). Der Unterhaltungsaufwand entspricht den üblichen Erfahrungswerten von ca. 1,50 -2 EUR/m²/Jahr.


Werbung und Geschäftsauslagen, Gastronomie

Gerade in den engen Straße der historischen Oberstadt wird durch die zusätzliche Nutzung des öffentlichen Straßenraumes der Platz für Fußgänger immer mehr eingeschränkt. Dem Besucher präsentiert sich heute ein uneinheitliches Bild mit einem Übermaß an Werbung und Geschäftsauslagen. Verstellte Straßenräume und die hohe Verkehrsbelastung ergeben eine nicht zufriedenstellend gelöste Aufenthalts- und Erlebnisqualität für Fußgänger.
Die vorgeschlagene Zonierung des Straßenraumes beschränkt die Nutzung und Ausbreitung der Warenauslagen und Außenbestuhlung. Die Hauptbewegungszone in der Straßenmitte ist von allen Einbauten freizuhalten.
Gerade bei der Warenpräsentation und Werbung muss der Leitsatz „Qualität vor Quantität“ gelten. Das Aufstellen von Warenständern kann innerhalb einer Zone von 1,0 m-1,20 m Abstand zur Hauswand erfolgen (ggf. Markierung durch Einlegesteine im Pflaster), sie sollten in Größe und Höhe beschränkt sein. Werbeanlagen an Fassaden müssen zwar gut lesbar sein, sich aber nach Form, Größe, Gliederung , Material und Farbe in das Erscheinungsbild des Gebäudes, der sie umgebenden Anlagen und in das Straßen- und Platzbild einfügen. Auf Werbeanlagen in den Obergeschossen sollte verzichtet werden. Der öffentliche Raum sollte frei von weiterer privater Werbung sein. Dazu zählen Hinweisschilder, Klappständer, ladeneigene Fahrradständer, Mülleimer, etc.
Das Angebot an Außengastronomie prägt erheblich das Erscheinungsbild und die Aufenthaltsqualität der öffentlichen Räume. In der oberen Hauptstraße bietet sich während der Nachmittagstunden, an denen diese für den PKW-Verkehr gesperrt ist, der 2 m breite Streifen zwischen den Bäume als Bereich für Außengastronomie und ansonsten der direkte Nahbereich vor den Fassaden an. Als Material für Tische und Stühle sollte Holz und Metall die erste Wahl sein, seitliche Trennwände sind zu vermeiden.


Lichtkonzept

Das Lichtkonzept unterstreicht das Konzept der Betonung der linearen Straßenräume im Wechsel mit Aufweitungen und Plätzen. Aufgrund der engen historischen Straßenräume wird eine Pendelbeleuchtung vorgeschlagen, die es ermöglicht auf die die durchgängige Begehbar- und Benutzbarkeit beeinträchtigenden Mastleuchten zu verzichten. Eine gute Ausleuchtung mit warmweißem Licht schafft eine angenehme Atmosphäre, ermöglicht eine gute Sichtbarkeit der kontrastierenden Pflasterbänder und verbessert die Orientierung u.a. für sehbehinderte Menschen auch in den Abend- und Nachtstunden. Zusätzliche Orientierung bietet die Inszenierung wichtiger Gebäude. Die Aufweitungen und Plätze erhalten eine eigene, aus der Charakteristik des Ortes entwickelte Lichtatmosphäre. Die Hauptlaufachsen werden von Lichtstelen begleitet. Lichtlinien im Boden z.B. am Tourismusbüro, der Neustädter Kirche oder dem Gebrüder-Warburg-Platz akzentuieren die Plätze und sind zugleich optische Führung für sehschwache Menschen.
Perspektive Hauptstraße

Perspektive Hauptstraße

Schnitt Obere Hauptstraße "Nachmittag"

Schnitt Obere Hauptstraße "Nachmittag"

Entwurfsplan M 1:500

Entwurfsplan M 1:500

Schnitt Obere Hauptstraße "Vormittag"

Schnitt Obere Hauptstraße "Vormittag"

Entwurfsplan Gebrüder-Warburg-Platz M 1:200

Entwurfsplan Gebrüder-Warburg-Platz M 1:200

Entwurfsplan Marktplatz M 1:200

Entwurfsplan Marktplatz M 1:200

Entwurfsplan Hauptstraße M 1:200

Entwurfsplan Hauptstraße M 1:200

Detail Pflasterung 1:50

Detail Pflasterung 1:50

Möbelfamilie - Bank

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Möbelfamilie - Fahrradständer

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Möbelfamilie - Pendelleuchte

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Möbelfamilie - Lichtstele

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Perspektive Marktplatz

Perspektive Marktplatz

Perspektive Marktplatz bei Nacht

Perspektive Marktplatz bei Nacht

Perspektive Spielplatz

Perspektive Spielplatz

Detail Barrierefreiheit Drogerie

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Detail Barrierefreiheit Finanzamt

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