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Offener Wettbewerb | 06/2010

Komplexe Entwicklung des Hauptgebäudes und des Umfelds des Ungarischen Nationalmuseums

2. Preis

worschech architects

Architektur

Oszoli és Boda Épitész Iroda

Architektur

Erläuterungstext

Verfasser: Dr. Claus D. Worschech
Mitarbeiter: László Novotny, Normann Ellers, Sascha Koch, Arndt Bieber, Dénes Oszoli

Die harmonische Ganzheitlichkeit der klassizistischen Architektur des Ungarischen Nationalmuseums, mit dem Museumsgarten als Insel der Ruhe in der Stadt, mit den typischen Raumfolgen im Gebäude sowie mit dem Proportionsgefüge der Prunkräume und Fassaden ist zu bewahren und mit wenigen modernen Elementen behutsam zu erneuern. Sensible Neuordnung und Umnutzung von Teilbereichen werden ergänzt durch Weiterentwicklung bestehen-der baulicher Strukturen. Dabei ist es Grundhaltung und Ziel der Verfasser, diese Veränderungen so vorzunehmen, daß die gestalterische Kraft der Neuwerte aus dem Denkmalwert heraus nicht nur den erforderlichen funktionellen und technischen Fortschritt für das Museum sicherstellt sondern die vorhandenen architektonischen Qualitäten fortführt. Dadurch akzentuiert unsere Zeit eigenständige ästhetische Merkmale.


Der Garten

Der Museumsgarten ist die „Fassung“ des Museums, gleichsam sein Passepartout. Aufweitungen und repräsentativ ausgelegte Bereiche innerhalb der durchgehend betretbaren Freiflächen auch neue Zugänge zum Gebäude. Der Baumbestand wird weitestgehend erhalten und verdichtet. Die einzelnen Baumgruppen bilden unterschiedliche Orte innerhalb des Gartens, welche von den dort aufgestellten Plastiken personifiziert werden.
Der Museumsgarten wird bei Beibehaltung der bestehenden Qualitäten „verdichtet“ und durch die neuen Zugänge im Norden und Süden mehr mit der näheren Umgebung verwoben.
Die neuen Zugänge werden durch Eingangspavillons gefasst, welche in ihren Proportionen das Gartenhaus zitieren. Die Lasten- bzw. PKW-Aufzüge sind ebenfalls in den Pavillons un-tergebracht.


Die Museumspromenade

Der monumentale Haupteingang am Museumsring , welcher in der anspruchsvollen und dy-namischen Raumfolge Vorplatz – Treppenaufgang – Säulenreihe – Einganstor – Vorhalle – Kuppelhalle – Treppenhalle – Kuppelsaal – Festsaal fortgesetzt wird, muss weiter der reprä-sentative Zugang zum Museum bleiben.
Das klassizistisch gegliederte Gebäude erlaubt es jedoch, parallel zur historischen eine neue Raumfolge zu aktivieren: die neue „Museumspromenade“, welche den Museumsgarten und das Gebäude mit den überdachten Höfen ebenerdig miteinander verknüpft. Den Auftakt der Promenade markieren an der Brody- bzw. Muzeumutca die jeweils als Säulenhalle konzipierten Eingangspavillons. Der Zugang in das Gebäude ist durch die wieder geöffnetenehemaligen Tordurchfahrten möglich.
Die Museumspromenade, welche auch unabhängig von den Museumsöffnungszeiten geöffnet werden kann, ermöglicht den Zugang zu wichtigen publikumswirksamen Funktionen wie Gastronomie, Veranstaltungssaal, Wechselausstellungen, Museumsshop, aber auch der direkte Zugang zu der historischen Raumfolge ist möglich. Die Promenade schafft einen öffentlichen Weg mit neuer Erlebnisdichte, bindet das Gebäude mit den Innenhöfen in die Struktur der umgebenden städtebaulichen Räume ein und weckt Interesse bei den Passanten, weiter ins „Innere“ des Museums vorzudringen.


ErschlieĂźung des Museums

Wege der Besucher

Die strategisch wichtige Verbindung der historischen Raumfolge mit dem Haupteingang und der neuen Museumspromenade ist durch die neu geschaffene, zentrale vertikale Erschließungsachse unter der historischen Haupttreppe möglich. Der Zugang zur historischen Raumfolge erfolgt ohne jegliche Beeinträchtigung dieser durch die 2 bestehenden Türöffnungen neben der Haupttreppe im 1. Obergeschoss.
Auch 2 behindertengerechte Aufzüge stehen hier den Besuchern zur Verfügung. Dadurch können auch Rollstuhlfahrer durch eine würdige Raumfolge, nämlich durch die Museumspromenade direkt ins Zentrum des Museums gelingen.

Für den Besucher öffnet sich der Weg also sowohl durch den historischen Haupteingang, als auch durch die Museumspromenade in das Besucherzentrum des Museums, in die Kuppelhalle im
1. Obergeschoss. Hier befinden sich die Kassen und die zentrale Information.

Die Vorhalle hinter dem Haupteingang stimmt den Besucher auf die großartige Innenarchitektur des Gebäudes ein und wird von störenden einbauten befreit. Von hier können links und rechts die Garderoben erreicht werden.
Hinter der Garderobe, mit direktem Anschluss an die hofseitigen Flure der Ausstellungsebene befinden sich 2 neue Fluchttreppenhäuser mit Aufzügen, welche alle Ebenen auch für Rollstuhlfahrer problemlos anfahrbar machen. Die Differenzstufen zwischen der Kuppelhalle und den hofseitigen Flure können mit einem integrierten Treppenlift überwunden werden, welcher teleskopartig die einzelnen Stufen zu einem Podest heben oder senken kann, ohne störenden zusätzlichen Geländer oder ähnliches Hilfsmittel. Dadurch ist die komplette rollstuhlgerechte Erschließung aller Ebenen abgesichert.

Die neue vertikale Erschließung unter dem Haupttreppenhaus ermöglicht es, vom Besucherzentrum in der Kuppelhalle den Erdgeschoss (Museumspromenade mit Gastronomie, Museumsshop, große Toilettenanlage unter der Haupttreppe) bzw. den Untergeschoss (Lapidarium, Mehrzwecksaal) in einer adäquaten Raumfolge zu erreichen.

Innerbetriebliche Wege

Das alle Geschoße miteinander verbindende bestehende Treppenhaus mit Aufzug hinter der Haupttreppe bleibt für das Personal vorbehalten. So sind die Büros und Arbeitsräume im Dachgeschoss mit den Schaudepots und Bibliothek im 1. OG bzw. mit den Büros und Lagerräumen im EG/ UG ohne Querung durch Besucherbereiche für das Personal erschließbar.


Museumshöfe

Die beiden Höfe sollten bei Beibehaltung der historischen Proportionen als aktiv erlebbare Räume mit angemessenen Funktionen im Gebäude neu positioniert werden. Beide Höfe werden lichtdurchlässig überdacht und thermisch konditioniert. Die Höfe können entlang der „Museumspromenade“ in der Gartenebene von den Besuchern begangen werden. Im Nördlichen Hof wird in den Hofraum als separater Körper hineingestellt - eine multifunktionale Fläche angeboten, welche Veranstaltungen, Wechselausstellungen aufnehmen kann. Im Südlichen Hof wird die bestehende Decke des Lapidariums geöffnet. In der Ebene der Promenade entsteht so eine großzügige Galerie, von der erste Einblicke in das Lapidarium möglich sind.

Im nördlichen Hof in der Ebene des Untergeschosses ist ein Mehrzwecksaal für bis zu 200 Personen untergebracht. Der Zwischenraum zwischen Hoffassaden und Saal kann als Foyer für Veranstaltungen, aber auch als Austellungsfläche dienen.

Die Überdachung der Höfe wird als zweischaliges Glasdach mit tragender, innenliegender leichter Stahlkonstruktion, welche sich auf die bestehende Fassaden stützt, ausgebildet. Die obere Glasdecke ist geneigt und dient der Entwässerung. Die Untere Glasebene ist eben und schließt als lichtdurchlässige Decke den wohlproportionierten Hofraum. In der zweischaligen Decke ist sowohl die erforderliche Lüftung, als auch die Verschattung bzw. die künstliche Beleuchtung der Höfe untergebracht.


Unterbringung wichtiger Funktionen

Erdgeschoss

In der Südwest-Ecke des Gebäudes, direkt am Eingang zur Museumspromenade und mit Möglichkeit zur Bestuhlung im Außenraum wird die Gaststätte mit ca. 100 Plätzen und der Küche untergebracht. Die Küche kann durch die südliche Erweiterung des Untergeschosses beliefert werden. Die vorher hier ansässigen Büros werden in das Dachgeschoss umgesiedelt.
Die übrigen Büroräume können in ihrer jetzigen Stelle verbleiben.

1. Obergeschoss

Im Nord- und Ostflügel befinden sich heute – teilweise mit aufwendigen Einbauten - die historischen Sammlungen von Waffen, Musikinstrumente und Fotos bzw. die zentrale Bibliothek mit dem Lesesaal. Diese Funktionen könnten dem Publikum als Schaudepot mehr zugänglich gemacht werden. Die verbleibenden Flächen der Ebene könnten Wechselausstellungen auf-nehmen.

2. Obergeschoss

Diese Ebene wird von allen störenden einbauten – so auch von den in den 20-er Jahren einge-bauten Holztreppen zum Dachgeschoss befreit um die größtmögliche Freiheit für die Unterbringung einer alle Flächen umfassenden Dauerausstellung zu bieten.

Dachgeschoss

Die Erschließung des Dachgeschoßes erfolgt auch durch die 4 neuen Treppenhäuser. Dadurch können die Holztreppen im Westflügel entfallen. An der Stelle der aus dem Gebäude entfernten Lager und Werkstatt für Restauratoren werden moderne Büroarbeitsplätze mit Oberlichtern geschaffen. Die bestehenden Einbauten für die Graphik- und Gemäldesammlung können so erhalten bleiben.

Untergeschoss

Die Flächen der Restauratoren-Abteilung unter dem nördlichen Hof werden komplett auf ein anderes Grundstück umgesiedelt. Dadurch kann im Nordhof ein Mehrzwecksaal mit entsprechenden Foyer-Flächen, welche auch als Ausstellungsflächen benutzt werden können, untergebracht werden. Sonst können alle Lager- und Technikräume unverändert bleiben.
Die Flächenerweiterung im Untergeschoss wird zweigeteilt, im Süden und im Norden vorge-sehen, auch um Möglichst wenig bestehende Bäume entfernen zu müssen. Beide Hälften sind durch Aufzüge, welche auch Kleinlastwagen aufnehmen können und in den neuen Eingangspavillons integriert sind, erschlossen. Im Südlichen Unterbau sind die geforderten 40 Stellplätze untergebracht. Die Ver- und Entsorgung der Gastronomie könnte auch von hier erfolgen. Der nördliche Unterbau ist nur den geforderten zusätzlichen Depots und Lagerräumen vorbehalten.

Umgang mit dem Denkmal

Die Konzeption sieht fast gar keine zusätzliche, neu zu bauende Elemente im denkmalpflegerisch hochwertigen Bausubstanz vor. Der Grundgedanke des Beitrages ist, durch die Aktivierung von Flächenreserven, Bereinigung der baulichen Strukturen, Schaffung von neuen Raumzusammenhängen neue Qualitäten entstehen zu lassen.

Wirtschaftlichkeit

Das vorgestellte Konzept beschränkt sich bautechnisch auf das wesentliche: Die Überdachung der Höfe, die neuen Einbauten im nördlichen Hof, die neue vertikale Erschließung unter der Haupttreppe, die neuen Fluchttreppenhäuser, die Erweiterung der Untergeschossflächen. Dadurch können die erforderlichen Aufwendungen auf ein Mindestmaß reduziert werden.

Realisierung

Die Realisierung des Vorhabens kann in mehreren Teiletappen, ohne Störung bzw. im Zusammenhang mit einer eventuellen Neukonzipierung auch der Dauerausstellungen erfolgen. Die komplette Schließung des Gebäudes ist während der Umbaumassnahmen wäre zu keinem Zeitpunkt erforderlich.

Nachhaltigkeit/ Energiekonzept

Durch die Überdachung der Höfe verringert sich die Hüllfläche des Gebäudes nach aussen. Die entsprechender Zonierung der Konditionierung der einzelnen Gebäudeteile in Verbindung mit dem Einsatz von regenerativen Energiequellen (Solarthermie, Geothermie) und Aktivie-rung der erst in den 50-er Jahren vermauerten ursprünglich (bauzeitlich) vorgesehene Lüftungs- bzw. Kühlungssysteme lässt eine nachhaltige Bewirtschaftung des Gebäudes erwarten.