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Nichtoffener Wettbewerb | 07/2010

Kleiner Tiergarten / Ottopark

1. Preis

LATZ+PARTNER LandschaftsArchitektur Stadtplanung

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Landschaftsplanerischer Realisierungswettbewerb Kleiner Tiergarten/Ottopark

In den 50er Jahren wurden Straßen als funktionale Verkehrsstrassen betrachtet und mit Heckenpflanzungen ausgeblendet, um im Innern von Parks intime Gartenräume zu ermöglichen. Die Introvertiertheit des Wohngartenkonzepts aus den 50er/60er Jahren steht heute im Konflikt mit den Bedürfnissen der Benutzer. Abpflanzungen und Mauern, die zu Intimität führen sollten, sind zu ausgrenzenden Elementen geworden. Die heute fast waldartige Situation im Wettbewerbsgebiet führte zu düsteren, in der Fläche teils kahlen und unattraktiven Bereichen.
Die Straße ist heute integraler Bestandteil des Systems öffentlicher Räume. Wir sehnen uns nach sonnigen und einsehbaren, sozial kontrollierten Parkräumen, die allen Nutzergruppen gerecht werden und wieder dazu einladen, sich einen Park anzueignen.
Die Nutzungsansprüche haben sich gewandelt, weg von einer Konsensgesellschaft, die gepflegte Blumenarrangements und zurückhaltende Wasserspiele beim Spazieren und von entsprechend aufgestellten Bänken aus geniest, hin zu einem komplexen Miteinander, das Gemeinschaft in respektvollem Abstand zueinander kultiviert. Die Bedürfnisse älterer Herrschaften sollen genauso ihren Platz finden, wie die von Familien, Studenten, Arbeitern und Hundebesitzern…(um nur einige zu nennen).
Die überlieferten formalen und räumlichen Gartenelemente im schmalen Korridor zwischen Turmstraße und Alt-Moabit haben historischen Wert und bieten bedeutsame Grundlagen für eine
erfolgreiche Erneuerung der Parkanlage. Der Grundcharakter der überlieferten Planung soll daher herausgearbeitet und behutsam weiter entwickelt werden.

Dies erfolgt im Wesentlichen durch 3 Maßnahmen:

1. Eine konsequente, aber behutsame Transformation des dichten Gehölzrandes in eine durchlässige und attraktive, zusätzliche Nutzungszone.

Der Heckenkörper wird zu einem unverwechselbaren und deutlich wahrnehmbarem Merkmal des Ottoparks umgebaut, der die verschiedenen Parkteile formal und inhaltlich zusammenbinden soll.
Locker verteilte Gehölzinseln bilden einen mal dichteren, mal offeneren Filter zu den anliegenden Straßen-/bzw. Stadträumen. Sie sind flexibel nutzbar, bieten individuelle, kommunikative Räume und ermöglichen entlang des gesamten Randes einen selbstverständlichen Zugang zum Park. Vor allem ermöglichen sie eine effiziente soziale Kontrolle des Parkraumes.
Wassergebundene Wegedecken laden zum Joggen, Boule-Spielen und Spazieren ein. Der Park wird größer und ideell bis an die den gesamten Stadtraum begrenzenden Häuserfassaden erweitert. Die Barrierewirkung wird aufgehoben und viele Nord-Südverbindungen möglich gemacht. Nur die Hauptquerverbindungen werden beleuchtet.
Die Parkbereiche verdichten sich für Besucher und Passanten perspektivisch zu einer Einheit, sind aber auch separat wahrnehmbar. Wassergebundene Wegedecken und für die 50er Jahre typische Gehölzarten ordnen den neuen Nutzraum klar dem historischen Park zu und überführen ihn gleichzeitig in das 21. Jahrhundert. Nach- und Ergänzungspflanzungen orientieren sich am Bestand.
Die Bestandsbänke werden auf der Innenseite neu angeordnet und ein neuer Banktypus’ auf der Außenseite der Gehölzinseln plaziert, um den Wahrnehmungswechsel zu unterstützen. Besonders
gestaltete, große Sitzelemente markieren besondere Hauptzugänge und Sichtfenster.


2. Ein vorsichtiges Zurücknehmen des Baumbestandes auf ein Maß, das der ursprünglichen Planung näher kommt.

So kommt Licht und Wärme in den Park zurück, großzügige Perspektiven werden möglich und weite, multifunktionale Rasenflächen werden geschaffen. Der ältere und vitale historische Baumbestand soll erhalten werden. Neupflanzungen sind kaum notwendig.
Die Bestandsbäume in den Parkrändern werden unterschiedlich hoch aufgeastet, um die abwechslungsreiche Raumbildung der Gehölzinseln zu unterstützen. Mal offen (wie ein Saal), mal
verdichtet, entsteht ein Dialog zwischen Heckeninseln und Baumdach, der ein wesentliches Merkmal der Transformation des Ottoparks wird.


3. Eine komplexe Programmierung des Parks mit dem Ziel allen Nutzergruppen adäquate und akzeptable Räume zur Verfügung zu stellen.

Im östlichen Parkteil ergänzen zusammenhängende Spielbereiche die Rollbahn, wechseln zu weiten, multifunktional bespielbaren Wiesenflächen, die von den erneuerten Gartenhöfen gemütlich zu betrachten sind, und integrieren schließlich den Senkgarten als deutlich erkennbare Ruhezone. An der Stromstraße eröffnet eine leicht erhöhte „Terrasse“ den Park und bietet mit dem erneuerten „Café am Park“ einen besonderen Treff und Ausgangspunkt für Parkbesuche an.

Zwischen Stromstraße und Heilandskirche wird die historische Parkform mit Blumenwiesen und Rasenflächen neu herausgearbeitet. Um die U-Bahnstation geht es um Treffpunkte, Durcheilen, kurzes Verweilen und das Warten auf den Bus. Eine zusätzliche Wegeverbindung zur besseren Führung der U-Bahnnutzer sollte angeboten werden. Die Perspektive auf die Heilandskirche soll
besonders herausgearbeitet werden.

Die westlichen Parkteile werden „aufgeräumt“, zur Stadt geöffnet und „weitergebaut“. Der Thusneldaplatz wird verkehrsberuhigt und analog der Platten und Pflaster vor der Kirche erweitert.
Das anschließende historische Halboval wird komplettiert und erhält eine robuste, besonders nutzbare Rasenfläche. Der Ottoplatz wird nach Westen und zur Sonne geöffnet und mit einem öffentlichen Spielbereich ausgestattet. Die eingezäunten Spielbereiche werden mit Gehölzinseln in die Gesamtgestalt integriert, der daran nördlich angrenzende Parkteil großzügig geöffnet und ebenfalls mit benutzbaren Rasenflächen bestückt.

Denkmal: Im Innern des Parks werden die Wegeführungen und Raumfolgen im Sinne des Wohngartenkonzepts der 50iger Jahre beibehalten, erneuert oder erweitert. Die Zutaten aus den 80er Jahren werden zurückgebaut.
Von einer Neubepflanzung des Senkgarten und der Blumenhöfe wird vorerst abgesehen, zugunsten einer offeneren, den heutigen Ansprüchen entsprechenden Gestalt. Eine zurückhaltende
Instandsetzung ist zu einem späteren Zeitpunkt denkbar. Das Dach der Blumenhöfe wird als regen- und lichtdurchlässige Holzpergola erneuert, die Mauern mit Kletterpflanzen begrünt.

Bau: Eine stufenweise Umsetzung des Konzeptes ist möglich aufgrund seiner einfachen Interventionen.

Vegetation, Material + Pflege: Es soll mit den bestehenden Pflanzenarten und Materialien gearbeitet werden. Lediglich die Spielflächen werden entsprechend aktueller Anforderungen neu
erstellt.
Für die Gehölzinseln werden weitestgehend die bestehenden Sträucher verwendet. Zur Nachverdichtung sind vereinzelt Nachpflanzungen erforderlich. Grundsätzlich sollen Arten so
verwendet werden, daß deren Endgröße häufigen und umfangreichen Nachschnitt minimiert oder/und sogar ganz unnötig macht, z.B. Wildrosen und Berberitzen. Die ehemaligen Blumen- und
Staudenrabatten werden, wo möglich, als Blumenwiesen und/oder mit Geophyten ausgeführt, bzw. durch nachhaltige und einfach zu pflegende Staudenpflanzungen, entsprechend den Artenzusammensetzungen der Uni Hohenheim, ersetzt. Bei dem zu erwartenden Nutzungsdruck, wird das nur in wenigen Bereichen nachhaltig möglich sein. Im überwiegenden Teil der Fläche wird daher Rasen eingesäht und die Einfassungen der historischen Beete werden als Bodenreliefs sichtbar.
Aufgenommene Mosaikpflasterflächen werden wieder verwendet, um bestehende Fragmente zu ergänzen und kontinuierliche Verbindungen herzustellen.

Tram: Sollte die Straßenbahn kommen, werden die dort liegenden Gehölzinseln und wassergebundenen Oberflächen leicht nach Norden verschoben. Der Bereich der neuen Trasse könnte als teils begehbare Promenade ausgeführt werden.

Ziel des Entwurfes ist es durch die Metamorphose der bestehenden Landschaftselemente, eine zeitgerechte, neue und moderne Freiraumgestaltung zu erlangen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der historische Wert der Parkanlage wird aufgegriffen. Die räumliche Grundstruktur ist zeitgemäß weiterentwickelt. Der straßenbegleitende Gehölzbestand wird durch Schneiden der Sträucher und Aufastung der Bäume zu einer durchlässigen Nutzungszone transformiert. Das Auslichten des Baumbestandes im Inneren des Parks schafft weite Blickbeziehungen und landschaftliches Erleben. Innerhalb der räumlichen Grundstruktur werden Funktionsperlen ausgewiesen, die Angebote für unterschiedliche Nutzer bieten. Die vielfältigen Angebote sollten jedoch nicht zu einer zu starken nutzungsspezifischen Zonierung führen. Parallel zur räumlichen Offenheit ist auch eine Nutzungsoffenheit anzustreben.
Der Ottoplatz wird als Quartiersplatz in seinem Charakter gestärkt. Er präsentiert sich offen und aufgeräumt. Die räumlichen Elemente (Heckenkörper, Spielbereiche) leiten sich aus dem formalen Gesamtkonzept ab. Der Übergang vom Ottoplatz in den Park wird aufgeweitet und das bestehende Toilettenhäuschen integriert. Auch die Wegebeziehung ist durch Zurücknahme des Gehölzbestandes aufgeweitet. Das ergänzte Rasenoval verleiht dem Bereich eine selbstverständliche Kontur. Das geometrische Rasenparterre ist dem Platz an der Thusnelda-Allee schlüssig zugeordnet.
Der zentrale Verbindungsbereich zwischen Alt-Moabit und Turmstraße wird klar und selbstverständlich angelegt. Die Gartendenkmal-Bereiche sind in ihrem Grundlayout erhalten und durch extensive Blumenwiesen nachgezeichnet. Der Senkgarten wird in seinem Charakter zugunsten einer offeneren, den heutigen Ansprüchen entsprechenden Gestalt weiterentwickelt. Ebenso werden
die Gartenhöfe zeitgemäß überarbeitet. Die östlichen Spielbereiche erscheinen aus Nutzersicht zu sehr an den Rand gerückt und könnten in der flächigen Ausdehnung mehr Gewicht bekommen. Insgesamt greift der Entwurfsverfasser auf bestehende Materialien und Elemente zurück und ordnet diese neu an.
Es gelingt der Arbeit, die komplexen räumlichen und funktionalen Anforderungen in einen schlüssigen Gesamtzusammenhang zu setzen.
Die Bestandsituation mit ihren gartendenkmalpflegerischen Relikten wird behutsam aufgegriffen und in eine ausdrucksstarke, zeitgemäße Parkanlage überführt.