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Nichtoffener Wettbewerb | 06/2010

Erweiterung Universität Hildesheim - Generalplanung

Anerkennung

Preisgeld: 5.500 EUR

ppp architekten + stadtplaner

Architektur

Erläuterungstext

Städtebauliches Konzept/ Leitidee
Für eine bauliche Erweiterung der Universität Hildesheim gibt es 2 grundsätzliche Möglichkeiten: eine Fortführung des modularen Prinzips der Campusanlage aus den 60er Jahren oder einen Gebäudesolitär, der sich von dem Bestand frei macht. Der Wunsch der Ausloberin nach einem prägnanten, identitätsstiftenden Neubau, der zentrale Einrichtungen bündelt und neues Hauptgebäude auf dem Campus sein soll, legt die Solitär- Lösung nahe.
Vorgeschlagen wird ein kompakter ovaler Baukörper mit viergeschossigem Atrium, der sich frei aber bestimmt in die vorhandene Situation einfügt. Formal befreit sich der Neubau von den Zwängen des Bestands: die ovale Gebäudeform steigert den Solitär- Charakter und, was besonders wichtig ist, sie generiert von den verschiedenen Annäherungsseiten an das Gebäude gleichwertige Zugänge und vermeidet jede Hierarchisierung der Gebäudeseiten; es gibt keine Vorder- und keine Rückseite. Durch die Aufständerung der oberen Geschosse und die Ausbildung eines transparenten Sockelgeschosses entsteht zusätzlich der Eindruck der Durchlässigkeit, die durch den einheitlichen Bodenbelag von innen und außen noch verstärkt wird.
Das neue Hauptgebäude entzieht sich auch der vorhandenen orthogonalen städtebaulichen Ordnung und richtet seine Hauptachse und seinen Haupteingang –ähnlich wie der 60er- Jahre Campus- nach Nordwesten in Richtung Stadtzentrum aus. Weitere Zugänge bestehen in Richtung Campus und Parkplatz.

Freiraumplanerisches Konzept
Vorgeschlagen wird die Neugestaltung der gesamten Fläche des vorhandenen Parkplatzes sowie der nördlich angrenzenden Fläche als neuer Uni- Campus mit einheitlichem Platzbelag, auf dem der Erweiterungsbau das neue Zentrum der Universität bildet. Der Neubau rückt somit stärker ins Zentrum und der Parkplatz wird weniger als Bruch wahrgenommen, sondern in eine übergeordnete Gestaltung eingebunden und wird Teil des Campus- Geländes. Gleichzeitig wird eine strategische Fläche für eine zukünftige Universitätserweiterung definiert. Die Realisierung des Campus kann in Abschnitten erfolgen.
Die Fläche folgt der vorhandenen Topografie und wird durch den Wechsel von schmalen und breiten Bändern aus unterschiedlich farbigen und formatigen Betonplatten, die parallel zum Geländegefälle laufen, gegliedert . Im zentralen Bereich zwischen Bestand und Neubau bilden rasenbewachsene Bauminseln Orte zum Verweilen. Die Fahrradstellplätze sind westlich des Altbaus untergebracht.

Gebäudeplanerisches Konzept
Dem Anspruch einer neuen universitären Mitte verpflichtet, wird der Neubau formal und programmatisch als „Forum“ verstanden. Der Campus- Platz wird in den aufgeständerten Baukörper hineingeführt. Dort gruppieren sich die Seminarräume und der Hörsaal um das zentrale Forum, das als viergeschossiges Atrium das Herzstück des Uni- Campus bildet. Es dient als Erschließungs- und Kommunikationsraum, als Ausstellungs- und Veranstaltungsfläche ist es mit den Seminarräumen im EG koppelbar.
Über eine frei im Atrium stehende Treppenanlage und eine Aufzugsgruppe werden die kaskadenartig angeordneten Obergeschosse erschlossen. Von einer zentralen Galerie aus werden die Besucher in den einzelnen Geschossen zu den unterschiedlichen Nutzungseinheiten verteilt. Die einzelnen Funktionsgruppen werden gemäß ihrem Öffentlichkeitsanspruch von unten nach oben angeordnet (Funktionsgruppen mit hohem Besucheraufkommen zunächst im EG, dann im 1. OG usw.). Alle Bereiche sind barrierefrei ausgebildet.

Gestaltung, Materialien und Fassade
Das Gebäude ist als Stahlbetonkonstruktion mit einem hohen Anteil an elementierten Bauteilen geplant. Sichtbeton in Kombination mit Holz und Glas sind die prägenden und gestaltgebenden Baustoffe. Die Fassade wird analog zum Gebäudebestand durch horizontale Bänderung von geschosshohen Fensterelementen im Wechsel mit schmalen Geschossdeckenverkleidungen gegliedert. Markantes Gestaltungselement sind die ebenfalls geschosshohen bedruckten Sonnenschutzgläser, die jeweils paarweise als Faltschiebeelemente vor der Fassade angeordnet sind; je nach Öffnungswinkel generieren sie durch unterschiedliche plastische Wirkung und Schattenwurf eine abwechslungsreiche lebendige Oberfläche.

Energetisches Konzept
Ziel des Energiekonzeptes ist ein hoher thermischer Komfort für die Nutzer bei gleichzeitig sehr geringen Betriebskosten für Strom und Wärme. Es sollen vorrangig die Potenziale des Gebäudes selbst genutzt werden und der technische Aufwand auf das erforderliche Maß reduziert werden. Grundsätzlich wird ein sehr guter wärmetechnischer Standard der Gebäudehülle zur Reduzierung der Transmissionswärmeverluste eingesetzt. Für die Fassade werden 18 bis 22 cm Dämmstoff und für den Dachbereich 28 bis 34 cm Dämmstoff im Mittel vorgeschlagen. Die Fenster werden mit einer Dreifachverglasung mit thermisch getrennten Abstandshaltern zwischen den Scheiben ausgestattet.
Gewählt wird eine sehr gut speichernde massive Bauweise der Decken aus Beton. Temperaturspitzen durch solare Einträge und durch interne Wärmelasten werden durch die Bauteilmasse zwischengespeichert (Amplitudendämpfung). In den Nachtstunden erfolgt eine Entladung der gespeicherten überschüssigen Wärme über einfache gegen Regen und Einbruch geschützte Lüftungsflügel in der Außenfassade. Dadurch wird ein hoher thermischer Komfort bei gleichzeitiger Vermeidung von kostenintensiven technischen Systemen erreicht.
Der Neubau erhält ein zentrales überdachtes Atrium mit dem Ziel einer hohen Kompaktheit bei gleichzeitig guter natürlicher Belüftung und Belichtung. Als lediglich leicht temperierter Raum ist es optional durch eine ESG- Verglasung von den Geschossflächen getrennt. Für das Atrium wird ein hochselektives Sonnenschutzglas und eine ausreichend dimensionierte natürliche Lüftung zur Gewährleistung des sommerlichen Wärmeschutzes eingesetzt. Im Erdgeschoss strömt die Außenluft ein, steigt durch thermischen Auftrieb hoch und entweicht über die Abströmöffnungen im oberen Bereich. Eingesetzt wird eine Regelung für natürliche Lüftungssysteme unter Berücksichtung des Außenklimas, der Innentemperatur und ggf. der Raumluftqualität (z.B. CO2).
Die Seminarräume und der Hörsaal werden mit Tageslicht versorgt und durch ein hybrides System belüftet. Der Hörsaal wird in der Übergangszeit und im Sommer in der Regel natürlich belüftet. Vorgeschlagen wird die Zufuhr der Außenluft über die verglaste Nordfassade und eine Schachtentlüftung zur Abfuhr der verbrauchten Raumluft. Im Sommer kann dieses System für eine natürliche Nachtauskühlung genutzt werden. An sehr warmen Tagen wird auf eine mechanische Lüftung mit Vorkühlung der Außenluft über ein wassergeführtes Erdregister oder Erdsonden umgeschaltet Für den Winterfall erfolgt eine mechanische Lüftung mit Vorerwärmung der Außenluft über das Erdreich. Weiterhin wird die Energie der Abluft über eine hocheffiziente Wärmerückgewinnung (Rückwärmzahl > 80%) auf die Zuluft übertragen. Die Zuluft wird nach dem Quellluftprinzip unter dem Gestühl in den Raum eingebracht und im Deckenbereich abgesaugt.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Verfasser befreit sich ganz bewusst und vorsätzlich von Vorgaben aus dem Bestand,
von der orthogonalen Struktur des Campus´ und der städtebaulichen Ordnung. Ein kompakter, ovaler Baukörper der ein viergeschossiges Atrium mit Glasdach umschließt, soll neue universitäre Mitte als Solitär werden.
Der Verfasser berücksichtigt den Geländeverlauf, geschickt wird die Topografie in die EGOrganisation integriert, durch Anordnung des großen Hörsaals und Integration von Arbeitsgalerien können die Obergeschosse jeweils konsequent und barrierefrei jeweils auf einer Ebene organisiert werden.
Die Vermeidung einer Hierarchisierung der Gebäudeseiten gelingt, die aufgeständerten
Obergeschosse und der einheitliche Bodenbelag innen wie außen erzeugen eine große
Durchlässigkeit. So vielfältig die Erschließungsmöglichkeiten des EG´s aber vorgeschlagen werden, so problematisch werden die sechs Eingangsbereiche gesehen. Die Auffindbarkeit des Infopoints ist vermutlich schwierig bzw. eher zufällig. Die Lage der Seminarräume und des Hörsaals überzeugt und ist selbstverständlich.
Student Services im 1. OG werden durch einen auskragenden Balkon mit ausreichend Warteflächen versehen, die in allen Geschossen vorgesehen, nicht natürlich belichteten und belüfteten Räume werden kritisch gesehen. Die Lage des Senatssitzungssaales im 3. OG ist durchaus denkbar, unverständlich ist jedoch der Verzicht auf direkten Anschluss an die Fassade, somit auf natürliche Belichtung und Belüftung.
Zugänglichkeit der Loggien / Freiräume im Bereich der Fassade aus nicht grundsätzlich
bzw. immer frei zugänglichen Büroflächen ist nicht praktikabel.
Konsequent und durchgängig werden die Außenanlagen ´Neuer Campus´ und Stellplatz
behandelt. Die vorgeschlagene Pflasterung ist sehr dominant, die Anzahl der rasenbewachsenen Bauminseln in der relativ monotonen Großfläche ist gering.
Die Anbindung an den ´alten Campus´ durch Abriss der vorhandenen Treppen- und Fahrstuhlanlage zugunsten einer neuen großen Freitreppe und Öffnung des Cafés Einstein ist ansprechend gelöst, eine barrierefreie Erschließung (Fahrstuhl) jedoch nicht erkennbar.
Wie selbstverständlich wird der Ützenkamp über die Platzfläche geführt. Die Leitungstrasse bleibt unberührt. Der Solitär erfüllt die planungs- und baurechtlichen Belange, das viergeschossige Atrium birgt eine gewisse Brandschutzproblematik.
Die Gesamtanzahl und die Forderung nach überdachten Fahrradabstellplätzen werden
unterschritten, ob die Bündelung an der Tilsiterstraße praktikabel ist, wird bezweifelt.
Der BRI ist hoch, BGF, NGF und Fassadenflächen liegen unterhalb des Mittelwertes der
Arbeiten.
Der Anschluss der Raumtrennwände an die geschwungene Fassade führt zu einer Vielzahl unterschiedlicher, konischer Raumzuschnitte, Raumtiefen von über 5m führen – insbesondere bei kleineren Büroräumen – auch zu unglücklichen Raumzuschnitten. Sonderlösungen – nicht nur für die Möblierung und Ausstattung –lassen zusätzliche Kosten erwarten. Alles in allem eine recht sympathische Arbeit, die den Wunsch nach individueller Adressbildung selbstbewusst umsetzt – die Integration in die Gesamtanlage schlussendlich jedoch nicht bewältigt.