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Nichtoffener Wettbewerb | 10/2010

Sanierung des Gartendenkmals Marienberg in der Stadt Brandenburg an der Havel

Havellandschaft

Havellandschaft

2. Preis

relais Landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Der verhüllte Berg
Berge, die sich markant über ihre Umgebung erheben, sind Landmarken. Die Nutzungsgeschichte des Brandenburger Marienberges zeigt, dass dieser seit der Besiedelung des Havellandes als topographischer Bezugspunkt aufgefasst wurde. Dieses Verständnis führte zu einer Reihe religiöser und patriotischer Widmungen, vor deren Kontext das Terrain verschiedene architektonische und gartenkünstlerische Gestaltungen erfuhr. Durch diese anthropogene ‚Hülle‘ aus Wegen, Gebäuden und Gehölzstrukturen wurde jedoch die ursprüngliche Motivation der vielfachen Aneignung des Berges geschwächt: die Erlebbarkeit der topographischen Situation.

Finden und Erfinden
Aufgrund der Qualität und Komplexität seines bisherigen Nutzungsgefüges stellt der Marienberg ein kulturhistorisches Zeugnis von außerordentlicher Bedeutung dar. Geprägt ist dessen heutiges Erscheinungsbild v. a. von den Relikten des um 1900 entstandenen Leue-Parks sowie des zwischen 1957 und 1976 geschaffenen Kulturparks, die beide zeitspezifische Interpretationen des Volkspark-Topos darstellen.
Der Entwurf zielt darauf, die Potentiale des Bestandes und dessen ästhetische Qualitäten durch die Präzisierung der überkommenen Strukturen herauszuarbeiten. Die Vielschichtigkeit der historischen Substanz bleibt erhalten, gewinnt jedoch an Klarheit und wird durch den gezielten Einsatz neuer Gestaltungselemente zu einem neuartigen Ganzen verbunden.

Freistellung des Berges
Archetypisch bietet der Standpunkt auf dem Berg dem Menschen die Übersicht über den Landschaftsraum und die Nähe zur Himmelssphäre, was konstituierend für die symbolische Aufladung dieser Geländeform war. Insbesondere in der Geomorphologie des Havellandes stellt dieses Gefühl der Exponiertheit eine Besonderheit dar. Die Kuppe des Marienberges ist durch den waldartigen Aufwuchs der Gehölzbestände derzeit weitgehend aus ihrem topographischen Bezug gelöst. Ziel des Konzeptes ist daher die Schaffung eines offenen Bergplateaus, das die Weite des Firmaments und die Erhebung des Geländes erfahrbar macht.

Zonierung
Aus dieser morphologischen Sichtweise ergibt sich eine Zonierung des Parks auf dem Marienberg anhand dreier Topographien, für die konzeptionell unterschiedliche Leitbilder entwickelt wurden. Differenziert wurde hierbei zwischen der ‚Hang-Landschaft‘, dem ‚Gipfelplateau‘ und den Geländemodellierungen der drei Wasserwerke im zentralen Teil der Parkanlage.

Hang-Landschaft
Die Hangbereiche des Marienberges werden als ‚Außenraum‘ mit extensiven Wiesenfluren, landwirtschaftlichen Relikten und Wäldchen entwickelt. Die differenzierte Gehölzstruktur wird weitgehend in ihrem Bestand erhalten und lediglich in einzelnen Arealen ergänzt oder für die Schaffung von Sichtschneisen ausgelichtet. Das Ehrenmal im Norden des Parks wird durch Entfernung eines Gehölzsaumes zur Parklandschaft geöffnet.
Durch diesen Ansatz werden die Hangbereiche als Raum für vielfältige Formen informeller Aneignung erschlossen. Die Extensivierung der Nutzung gewährleistet einen Bestand der ökologisch wertvollen Gras- und Staudenfluren am Nordhang des Berges.

Gipfelplateau
Leitbild für die Kuppe des Marienberges ist das eines geöffneten Raumes, der die Tradition des Leue-Parks und des Kulturparks aufgreift und ins 21. Jahrhundert weiterentwickelt. Der Begriff der Offenheit wird funktional und räumlich sowie historisch verstanden. Durch Auslichtungen und Aufastungen am Gehölzbestand und die Entfernung von Unterwuchs wird der in diesem Areal tradierte, großzügige und ausdrucksstarke Parkraum mit Solitärgehölzen und malerischen Baumgruppen wiedergewonnen. Für den im Zentralpark befindlichen Spielplatz ist eine Verlegung in den Bereich der Wasserwerke vorgesehen. Der Staudengarten im Umfeld der Gaststätte wird instandgesetzt. Offengelegt werden durch die denkmalgerechte Wiederherstellung und partielle Reduzierung des Wegesystems auch die sich auf dem Gipfelplateau überlagernden Raumstrukturen der früheren Gestaltungsphasen.

Panoramaweg
Durch die Schaffung eines Panoramaweges aus farbigem Asphalt wird an der Schnittstelle zwischen Gipfelplateau und Hang-Landschaft eine kraftvolle, bildwirksame Neubesetzung vorgenommen. Dieses Gestaltungselement lagert sich an das bestehende Wegesystem an und akzentuiert so die Trennung zwischen dem äußeren und inneren Parkraum sowie die Intarsienhaftigkeit des Wegesystems auf dem Plateau.
Der Panoramaweg ist als effektvoll geführter Parcours für verschiedene Sportarten nutzbar. An den Wegeverlauf sind Balkone angelagert, die sich als ‚Fenster‘ zum Landschaftsraum öffnen und entsprechend übergeordneter Blickbezüge dimensioniert sind. Durch Sichtschneisen in den Waldpartien der Hangbereiche fokussieren sie markante Elemente des Stadtgefüges und der umgebenden Havellandschaft, wodurch die topographische Exponiertheit des Marienberges wieder erfahrbar wird. Um den Habitus des Betrachters im Angesicht des Landschaftsbildes zu inszenieren, erhalten die Balkone eine Reling als Fassung.
Monolithische Betonbänke mit Holzauflagen betonen die Standorte der Landschaftsfenster am Panoramaweg. Aufgrund der Ausführung dieser Sitzelemente ohne Rückenlehne positionieren sie sich zum Fernblick und zum Gipfelplateau.

Wasserwerke
Der Panoramaweg bildet eine konzeptionelle Einheit mit den Arealen der drei Wasserwerke, die ebenfalls Gegenstand gestalterischer Neubesetzungen sind. In ihrer Abfolge verkörpern diese Bauten einen wesentlichen Aspekt der Nutzungsgeschichte des Marienberges. Im Bereich der Hochbehälter verfügen die Wasserwerke über auffällige künstliche Topographien, die reizvoll zur Landschaftlichkeit der angrenzenden Parkgestaltung kontrastieren. Sie werden entwurflich als gewachsene Situationen aufgefasst, die es deutlicher herauszuarbeiten und in das Nutzungskonzept des Parks zu integrieren gilt. Daher wird eine Überformung dieser Geländemodellierungen vorgenommen, mit der eine Umdeutung der Wasserwerke zu landschaftsarchitektonischen Artefakten und eine Entwicklung zu Nutzungsinseln für Spiel und intensive Erholungsnutzung verbunden sind. Formal werden die Hochbehälter als artifizielle Überhöhungen der natürlichen Topographie des Marienberges verstanden, so dass auch funktional Bezüge zu einer Inszenierung des Bergmotivs gesucht werden.
Die rechteckige Topographie über dem heute ungenutzten Hochbehälter von Wasserwerk I wird mit einem grünen Fallschutzbelag überzogen und mit Spielangeboten zum Klettern und Rutschen ausgestattet.
Durch die Entfernung der Decke des zylindrischen Wasserbehälters von Wasserwerk II kann dieser zu einer Spielkammer mit gesandetem Boden umfunktioniert werden. Aus dem im Inneren bestehenden Säulenraster wird eine Kletterstruktur für generationenübergreifenes Spiel entwickelt.
Die Geländemodellierung des noch betriebenen Wasserwerks III wird mit einer ornamentalen Struktur aus Heckensegmenten und Rasenschneisen überzogen. Auf dem Hochbehälter entsteht eine Aussichtsfläche aus farbigem Asphalt, deren Materialität zum Panoramaweg korrespondiert und die mit einer runden Bank ausgestattet ist. Erschlossen wird dieses Plateau durch einen barrierefreien Spiralweg aus westlicher Richtung und eine nach Osten führende Treppe, die die Anbindung zum Poetensteig herstellt.

Erschließung und Anbindung
Auch hinsichtlich der Konzeption des Erschließungssystems ist eine Differenzierung zwischen der Hang-Landschaft und dem Gipfelplateau vorzunehmen. So verfügt die Bergkuppe über eine Wegestruktur von erkennbarer Historizität und komponierter Landschaftlichkeit, die im Entwurf reduziert und durch den umlaufenden Panoramaweg gefasst wird.
Dieser fungiert als Verteilerkopf, von dem die Wege des Hangbereiches strahlenförmig ausgehen. Als Hauptzugänge zum Marienberg sind der Nordaufgang, der Südaufgang und der Triglafweg ausformuliert. Zwischen diesen befestigen Erschließungsachsen besteht ein filigranes Wegenetz mit wassergebundener Wegedecke. Der Entwurf greift hierfür die historischen Erschließungsstrukturen auf und ergänzt diese in Teilbereichen. So wird der für die Nutzungsgeschichte des Marienberges bedeutsame Poetensteig durch den Mariengrund denkmalgerecht wiederhergestellt.
Der Nordaufgang wird zu einer ‚Himmelsleiter‘ umgestaltet, die linear auf das Gipfelplateau führt, den Hangbereich mit einer Treppenanlage überwindet und in ihrem Verlauf den ‚Himmel‘ als Zielpunkt fokussiert. Dabei werden bestehende Treppenabschnitte mit Betonplattenbelägen integriert. Der neugeschaffene Teil des Nordaufgangs wird davon durch seine Materialität aus hellem Sichtbeton abgesetzt.
Im Kontrast zur Stringenz dieses Aufstiegs steht ein westlich des Treppenlaufes geschaffener, barrierefreier Serpentinenweg mit wassergebundener Wegedecke. Dieser legt sich nicht über den Geländeverlauf sondern fügt sich in die Konturen der Topographie des Marienberges ein. So wird die Ereignishaftigkeit des Akts der Bergbesteigung inszeniert und eine Analogie zum Poetensteig im östlichen Parkteil geschaffen.
Am Fuß des Nordaufgangs entsteht eine Platzsituation, über die das Parkareal mit dem in nördlicher Richtung geplanten Grünzug verbunden ist. In diesen Platz integrierte Beetflächen erhalten eine Bepflanzung mit Ziergrasstreifen, die thematisch zur Wiesenlandschaft des Nordparks überleiten.
Der Straßenquerschnitt der Willi-Sänger-Straße wird von vier auf zwei Spuren reduziert und damit an den weiterführenden Straßenverlauf angepasst. So bietet sich die Möglichkeit zur Schaffung eines breiten, mit Gehölzen bepflanzten Rasenstreifens, der den parkartigen Charakter des Marienberges in den angrenzenden Stadtraum trägt.

Der am Fuß des Südaufgangs gelegene Brunnenplatz erhält eine neue Gestaltung in Anlehnung an seine Konzeption aus den 1970er Jahren. Als materielles Pendant zur Friedenswarte ist dafür die Neuschaffung einer Brunnenplastik aus Aluminium vorgesehen.

Der geöffnete Berg
Das Konzept für die Weiterentwicklung des Parks auf dem Marienberg stellt eine Adaption der Volkspark-Idee dar. Der Entwurf greift damit eine programmatische Traditionslinie auf, die auf diesem Terrain unter anderen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen bereits zweifach umgesetzt wurde. Durch gezielte gestalterische Maßnahmen bzw. Präzisierungen wird der dichte und mitunter konkurrierende Bestand zu einer neuen Raumstruktur entwickelt. So entstehen in ihrer Bildwirkung prägnante Parkareale von extensiver bzw. intensiver Landschaftlichkeit, die dem Nutzer vielfältige Möglichkeiten informeller Aneignung bieten.
Auf dem Gipfelplateau werden durch die Schaffung eines Panoramaweges und die Überformung der Wasserwerke neue, intensiv nutzbare Bereiche geschaffen, die das Parkprogramm in formeller und funktionaler Sicht bereichern.
Durch die Reaktivierung sowie Erweiterung seines Nutzungsangebotes gewinnt der Park auf dem Marienberg für verschiedenste gesellschaftliche Gruppen an Attraktivität. Er ist Erholungsraum, barrierefreier Bewegungsraum und Identifikationsraum zugleich. Die manifesten Widmungen auf dem Gipfel des Berges sind durch den Lauf der Geschichte verschwunden und so erscheint es zeitgemäß, dass dieser exponierte Standpunkt heute für neue, individuelle Sichtweisen auf den Landschaftsraum offen ist. Damit wird der Marienberg wieder als topographischer Bezugspunkt und als Landmarke erfahrbar.

Gero Heck, Marianne Mommsen
Mitarbeit: Elisabeth Biederbick, Franziska Gulich, Dana Matschek, Martina Kaiser, Thomas Thränert
Lageplan

Lageplan

Nordaufgang

Nordaufgang

Gipfelplateau

Gipfelplateau