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Nichtoffener Wettbewerb | 12/2010

Umgestaltung Scharnier Bad Wildungen

ein 2. Preis / Mit der Realisierung beauftragt

kleyer.koblitz.letzel.freivogel

Architektur

SINAI Gesellschaft von Landschaftsarchitekten mbH

Landschaftsarchitektur

G R I Gesellschaft für Gesamtverkehrsplanung, Regionalisierung und Infrastrukturplanung

Verkehrsplanung

Erläuterungstext


Mitarbeit:
Elena Emmerich, Maja van der Laan, Frederike Müller,
Ole Saß, Christoph Schimetzky

Visualisierung:
Jens Gehrcken

Brunnenallee_Boulevard ins Blaue

Idee:
Das Motiv des Boulevards mit seinen zentralen Baumreihen, den Baumplätzen und breiten Promenaden wird herausgearbeitet und bis zum Postplatz weiterentwickelt. Es entsteht ein durchgängiges stadträumliches Rückgrat zwischen mittelalterlicher Kernstadt und Kurbezirk. Im Vordergrund stehen die Aufenthaltsqualität und das Erleben des Stadtraums. Die geometrische Dominanz der Verkehrsanlagen tritt zurück – Ordnung entsteht.

Stadtraum:
Die Beziehung des Kurbezirks des Staatsbades zur historischen Altstadt ist essentiell für das Erleben und die Wahrnehmung der Stadt. Mit der Brunnenstraße und dem neuen Park am Bornebach gibt es zwei sehr unterschiedliche Promenadenachsen die diese Verknüpfung herstellen. Die Brunnenallee mit ihrer Villenbebauung, den gastronomischen Angeboten und Läden stellt dabei die städtische Verbindung dar, die in ihrer Eigenart und Qualität herausgearbeitet werden soll.
Auffällig ist dabei das offene und großzügige Profil des Straßenzugs, der der innen liegenden Promenadenachse mit Lindenallee Raum gibt. Die Villen und villenartige, offene Bebauung fassen dabei einen Straßenraum mit einer Breite von annähernd 40 Metern, der sich bis zum Postplatz auf immer noch 30 Meter verjüngt. Ohne strukturellen Bruch zieht sich dieses städtebauliche Motiv bis zum Postplatz und setzt damit unmittelbar am Tor zur mittelalterlichen Altstadt ein. Es wird vorgeschlagen, dieses starke Kontinuum herauszuarbeiten und die zentrale Allee in modifizierter Form fortzuführen. Mit den Bäumen wird damit in das Scharnier ein durchgängiger zentraler Platzteppich eingelegt, der Aufenthalts- und Spielraum ist und zwischen den Straßenseiten vermittelt. Er ist damit ein Bereich der Ruhe, während die breiten Trottoirs vor den Cafes und Geschäften der Bewegung dienen.

Verkehr:
Entsprechend der Vorgaben wird davon ausgegangen, dass Brunnenstraße und Breiter Hagen im zweispurigen Gegenrichtungsverkehr verknüpft werden und weiterhin im Trennprinzip mit Bordanlagen organisiert werden. Der Fahrradverkehr wird dabei auf den Fahrbahnen geführt. Der Fahrverkehr über Brunnenstraße und Am Eselspfad wird weiterhin auf eine Fahrtrichtung beschränkt. Dabei jedoch wird die Brunnenstraße als Begegnungsraum nach den Regularien des Verkehrsberuhigten Bereiches (VZ325/326) als Mischverkehrsfläche auf einer Ebene ausgebaut. Gleiches gilt für die Erschließungsflächen der südlichen Seite der Brunnenallee, wobei der Fahrverkehr auf Anlieger und Anlieferungen beschränkt wird.
Die Erschließung durch den öffentlichen Verkehr wird maßgeblich verbessert: Eine überdachte Rendez-vous- Haltestelle für Busse mit Umsteigemöglichkeit wird im zentralen Alleenband unmittelbar vor der Touristeninformation angeordnet. Die Busstellplätze am Breiten Hagen werden entsprechend der Vorgaben auf 3 bzw. 4 Längsstellplätze erweitert.
Im Hinblick auf die Verkehrsregelung wird vorgeschlagen die nördliche Ampel auf dem Breiten Hagen beizubehalten und an die geänderte Verkehrsführung anzupassen. Die südliche Ampel wird durch einen Zebrastreifen ersetzt .
An der Bushaltestelle in der Brunnenallee ist die Neuanlage einer LSA sinnvoll, damit die Ein- und Ausfahrt der Busse und die sichere Führung der Fußgänger zur Haltestelle gewährleistet sind.

Gestalt:
Die vorgeschlagene Gestaltung zielt durchaus auf kurstädtische Eleganz und verknüpft diese mit einer hohen Aufenthaltsqualität für alle Generationen. Die verkehrlichen Belange werden in großer Selbstverständlichkeit in den Flächen abgewickelt ohne dass diese den Charakter von Verkehrsanlagen ausstrahlen.
So weist die Brunnenstraße beiderseits des Breiten Hagen sehr ähnliche Gestaltungsmerkmale auf, obwohl sie verkehrlich unterschiedlich beansprucht werden.
Es wird die übergreifende Verwendung von großformatigen Plattenbelägen als durchgängiger Stadtboden vorgeschlagen. Auf den Mischverkehrsflächen in Richtung Postplatz werden diese auf einer Ebene geführt. Eine gewisse Gliederung ergibt sich durch die Lage der Entwässerungsbahnen die als besondere Profilplatten ausgeführt sind und auch Sehbehinderten Menschen Orientierung geben. An diesen werden Längsstellplätze zum Kurzzeitparken mittels Markierungsplatten ausgewiesen. Auch bei der abgetrennten Fahrbahn im Westen wird für Gehwegbereiche und Fahrbahnen derselbe Belag verwendet. Die Trennung erfolgt lediglich durch eine niedrige Bordaufkantung und wiederum die Entwässerungslinie.
Im Material deutlich herausgearbeitet wird dagegen der zentrale Promenadenteppich unter den Bäumen: Vorgeschlagen wird ein feinkörniger geschliffener Asphalt mit blauem Glaszuschlag der ihm Glanz und bläulichen Schimmer verleiht. Das Band verjüngt sich entsprechend der Straßenprofile leicht und erhält eine Quergliederung durch Pflanzinseln mit zwei Baumreihen, die die dazwischen liegenden Plätze fassen. Die Baumart wechselt mit dem Busport von der vorhandenen Linde zur kleineren und lichteren Gleditschie. Der Pflanzrhythmus wird immer stärker aufgelockert um die Blicke auf die Stadtsilhouette zu inszenieren. Die Pflanzinseln werden mit Efeuunterpflanzung und blauen Zwiebelpflanzen (Scilla, Allium) gestaltet. Die Plätze erhalten eine Ausstattung mit Bänken und Sitzliegen sowie mit kleinen Spielpunkten. Der Kurschattenbrunnen wie auch der vorhandene „Treffpunkt“ gliedert sich in das Band ein. Notwendige Treppen und schiefe Ebenen können zwischen den Pflanzinseln unaufwendig eingespannt werden.
Dem Charakter des historischen Villenquartiers entsprechend, erhalten die Hausvorbereiche im Norden gliedernde Hecken und Formelemente, die Vorgärten andeuten, tatsächlich jedoch nutzbare Zonen für Gastgärten und Verkaufsaufsteller gliedern und fassen. Die in Teilen schwierige topografische Anbindung der Gebäude mit Rampen und Treppen lässt sich in dieser Textur unaufdringlich lösen.

Bebauung:
Am Scharnier werden durch Aufstockung und Ergänzung von Gebäuden zusätzliche Flächen für Handelseinrichtungen geschaffen und der Stadtraum baulich gestärkt. An der Ecke Brunnenallee/ Am Eselspfad werden durch Freistellung, Aufstockung und Ergänzung der vorhandenen Bebauung neue Einzelhandelsflächen geschaffen. Der vorhandene zergliederte Flachbau wird zu einem homogenen Baukörpersolitär überformt der die Ecke Brunnenstraße/ Am Eselspfad prominent besetzt. Die vorhandene Bandfassade wird weiter geflochten. Ein neues Walmdach reflektiert die kleinteiligen Dachformen der Umgebung. Im Erdgeschoss ermöglichen Markisen einen flexiblen Wetterschutz. Dieses Prinzip wird auch für den Witterungsschutz an den Bestandsgebäuden vorgeschlagen.
Die notwendigen Stellplätze werden in Parketagen innerhalb des Gebäudes untergebracht. Die Zufahrt erfolgt vom Eselspfad aus unter Ausnutzung des Geländesprunges.

Längerfristig kann das Sparkassengebäude an der Ecke Brunnenallee/ Breiter Hagen eine ähnliche Behandlung erfahren. Das Baukörpervolumen würde durch die Aufstockung eines Obergeschosses gestärkt. Auch diese Ecke erhielte dadurch eine städtebaulich prägnante Aufwertung.

Möblierung und Leitsystem
Für die Möblierung wird eine eher schwere aber elegante weiße Linie vorgeschlagen, die dem Charakter eines Kurortes gemäß ist und im freien (und bewegten) Gelände ein vernünftiges „Standing“ hat. Die Ausstellung erfolgt grundsätzlich unter Beachtung der Gefällelinien. Das Leit- und Informationssystem besteht aus sehr einfachen Medienstelen aus Edelstahl mit Siebdruckpanels, die mit Audio-Einheiten für Sehbehinderte ausgestattet werden können.

Städtebauliche Neustrukturierungen im Umfeld
Im strukturarmen Quartier zwischen Brunnenallee und Laustraße bestehen gute Potentiale für die umfassende Stärkung der Innenstadt als Einzelhandelsstandort. In Anlehnung an die vorhandene Parzellen- und Erschließungsstruktur wird der Bereich durch ein differenziertes Wege- und Freiraumsystem aufgeschlossen und mit der Umgebung vernetzt. Erhaltenswerte Strukturen wie der wertvolle Baumbestand können in diesem flexiblen Raster integriert werden. Auf den entstehenden neuen Parzellen werden Wohn- und Geschäftshäuser in Verdichtung der bestehenden Strukturen ergänzt. Der wichtigste Zugang des Bereichs liegt am Breiten Hagen zwischen KSK und Fürstengalerie. Dieser Stadtraum wird zu einem grünen Vorplatz mit großen freiräumlichen Qualitäten. Stellplätze werden innerhalb der Neubauten mit angeboten. Eine gewisse Anzahl ebenerdiger Plätze wird (gut miteinander vernetzt) auch mit dem neuen Freiraumverbund entstehen. Die straßenbegleitenden Bestandsgebäude an der Brunnenstraße sollen dabei langfristig von ihren niedrigen Anbauten befreit werden und damit eine höhere verkehrsräumliche und visuelle Durchlässigkeit in den Rückraum ermöglichen. Der Flächenverlust durch den vorderseitigen Rückbau kann langfristig durch die neuen Baukörper kompensiert werden.

Die Freiflächen im Block zwischen Fürstengalerie und Poststraße werden ebenfalls neu geordnet im Hinblick auf eine sinnfällige Verknüpfung von Erschließungs- und Stellplatzflächen. Der Erneuerung der Freiflächen des denkmalgeschützten Schulzentrums ist dabei auch im Hinblick auf die „grüne“ Außenwirkung von hoher Priorität.