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Nichtoffener Wettbewerb | 12/2010

Landeswettbewerb 2010: Innovative Wohnformen für Studierende in gemischten Quartieren

Perspektive Innenhof

Perspektive Innenhof

4. Preis

Preisgeld: 9.000 EUR

Kramm & Strigl Architekten und Stadtplanergesellschaft mbH

Architektur, Stadtplanung / Städtebau

Erläuterungstext

Erläuterungsbericht zum Hochbauentwurf „Posener Weg 1“
Entwurfskonzept, Leitidee

Von der Zeile zum offenen Hof:
An den zentralen Anger schließen zwei offene Wohnhöfe unterschiedlichen Charakters an: westlich mit Hain, Wiese und Wasserbecken der besinnlichere, östlich mit Cafe´ und Bar sowie einer Spielfläche, die bedarfsweise kleinen, auf jeden Fallgroßen Kindern Bewegungsraum bietet, der Begegnungsraum. Beide Höfe werden von Zeilenbauten mit durchlässigen Ecksituationen eingefasst: Durchlüftung, Lichteinfall, Blickbeziehungen sowie Wegeverbindungen zu den benachbarten Quartieren sind die Qualitäten dieser Konzeption. Die Lage der Öffnungen ist an den vorhandenen Fußwegen in den Wohngebieten nördlich, westlich und südlich orientiert.
Die Höhenstaffelung der Baukörper, überwiegend nur 2-3 Geschosse im Süden, jedoch 4 Geschosse plus Staffelgeschosse im Norden, dient der ganzjährigen Durchsonnung dieses offenen „städtischen Dorfes“ für Studierende. Auch jeder Baukörper für sich weist eine spannungsreiche Höhenstaffelung auf. Die Fassaden werden mit wenigen Elementen gestaltet: Vollverglaste Treppenhäuser, Loggien als gerahmte Freisitze, stehende Fensterformate, Fensterbänder am Kopfgebäude. In der Summe der eingesetzten Mittel entstehen jedoch keine Wiederholungen gleicher Häuser, sondern individuelle Bauwerke mit Adressbildung im Sinne von Wiedererkennungswert, die eine hohe Identifikation mit dem eigenen Haus am eigenen Hof im eigenen Quartier im eigenen Stadtteil Tannenbusch erwarten lassen.

Städtebauliche Konzeption:
Der geschwungene Riegel an der Oppelner Straße mit einer Kopfausbildung, die deutlich zur neuen Mitte Tannenbuschs hinweist, schützt die Wohnhöfe des Quartiers vor Straßenlärm und formuliert eine Kante für den Straßenraum.
Das Konzept des offenen Wohnhofes ist als Stadtbaustein so flexibel, dass es in Varianten auch für das Grundstück „Tabu II“ Anwendung finden kann. Die Bebauung bildet Straßenkanten, was in dem gesamten Gebiet von Neu Tannenbusch fehlt. Die Hofstruktur erlaubt eine Gliederung der Quartiere.
Die zurückhaltende städtebauliche Figur hat mit ihrer kleinteiligen Formensprache inhaltlich keine Verwandtschaft zu den monotonen und maßstabslosen Großformen der benachbarten Quartiere, (allenfalls die etwas weiter nördlich und die westlich von „Tabu II“ angesiedelten Reihenhaus-Zeilen haben eine vergleichbare Maßstäblichkeit). Durch die Aufnahme von Wege- und Blickbeziehungen, die die Öffnungen der entwickelten Figur erlauben, werden jedoch die wenigen Qualitäten, die diese Strukturen aufweisen, erlebbar gemacht: die relativ großen zusammenhängenden Grünzonen zwischen den Solitären.

Erschließung des Grundstückes und der Gebäude:
Zu Fuß und mit dem Rad ist das Grundstück über insgesamt 8 Zugänge aus allen Richtungen erreichbar, mittig wird die Ergänzung eines Zebrastreifens für die Verbindung über die Oppelner Straße hinweg vorgeschlagen, zwei Wege führen zur Bushaltestelle oder über den neuen Stadtteilplatz zur U-Bahn.
Mit dem PKW werden alle 20 Stellplätze, die auf drei Bereiche aufgeteilt sind, über den Posener Weg erreicht. 16 weitere Stellplätze können im Falle der Nachnutzung durch Familien auf der östlichen Grünfläche eingerichtet werden.
Alle Häuser werden von der Nord- oder Ostseite aus erschlossen, max. 4 Wohnungen je Geschoss, max. 20 Wohnungen je Hauseingang, im Mittel 12.
Die vollverglasten Treppenhäuser mit Vorhalteflächen für Aufzüge sind so licht und frei von potentiellen Verstecken, dass sie als angstfreie Räume wahrgenommen werden können.
Für die erforderlichen 108 Fahrradstellplätze stehen in der Außenanlage verteilt 5 mit Holzlamellen auf Lücke verkleidete, einsehbare Unterstände zur Verfügung. In zwei weiteren Unterständen sind Müllbehälter untergebracht. Für die Anordnung von Abstellräumen werden die Häuser teilunterkellert.

Gebäudekonzept:
Grundrisszonierung:
Im Norden (bzw. Osten) sind die Erschließungs- und Servicezonen angeordnet, zur Süd- (bzw. Garten-) Seite die
Aufenthaltsräume. Daran schließen für jede Wohnung Freibereiche an in Form von Terrassen, Balkonen, vorgesetzten Loggien und Dachterrassen. Die versetzte Anordnung der Loggien kommt dem Sichtschutz zwischen den Freisitzen zugute. Den Erdgeschosswohnungen sind kleine Gärten mit Hainbuchenhecken als Einfassung zur Wahrung der Privatsphäre vorgelagert.

Flexibilität:
Alle 1-4-Raum-Studierenden-Wohnungen sind mit geringem Aufwand zu förderfähigen 1-4-Zimmerwohnungen umnutzbar. In der Regel wird dafür lediglich eine Metallständerwand entfernt, um das Wohnzimmer herzustellen.
Die nebeneinander liegenden ca. 25 m² großen Studenten-Appartements können zu 50 m² großen Zweizimmer-Wohnungen oder auch 2-Personen-Wohngemeinschaften zusammengefasst werden.
Als Besonderheit ist vorgesehen, dass zwei Zweizimmer-Wohnungen zu einer WG für zwei Alleinerziehende mit je 1-2 Kindern zusammengefügt werden können. Beide behalten separate Eingänge und Bäder, aber Kochen, Essen und Wohnen sind in gemeinsamen Räumen organisiert.
Die Gebäude sind als Schottenbauten konzipiert, wobei Schotten, die für die Zusammenlegung von Wohnungen geöffnet werden müssen, in Wandscheiben aufgelöst sind, die potentiellen Durchgänge werden als F90-Metallständerwände mit erhöhten Schallschutzeigenschaften errichtet und im Bedarfsall schnell und günstig entfernt.

Energiekonzept:
- Südausrichtung der Mehrzahl der Gebäude mit großen Öffnungsanteilen nach Süden zur Realisierung von Wärmegewinnen im Winter, geringe Öffnungsanteile der Nebenraumzone im Norden zur Minimierung der Wärmeverluste.
- Temperierte Treppenhäuser als Pufferräume (auch schallschutztechnisch) vor den Serviceräumen.
- Kontrollierte Wohnungslüftung mit zentralen Anlagen mit Wärmerückgewinnung (im Keller angeordnet) zur Reduzierung von Lüftungswärmeverlusten und als Feuchteschadens-Profilaxe.
Vorheizung / Möglichkeit zur Kühlung im Sommer durch Sole-Erdregister (wenn die Bodenverhältnisse es nicht erlauben sollten mit Luftregistern) mit Wärmepumpen. Bedarfsweise Anschluss an das vorhandene Fernwärmenetz zur Deckung von Heiz-
Spitzenlasten und ergänzende Warmwassererzeugung im Winter.
- Warmwasserkollektoren (4 m² je Wohnung) stellen im Sommerhalbjahr den vollständigen Warmwasserbedarf sicher.
- Wärmebrückenreduzierte Baukonstruktion: Keine Betonaufkantungen sondern Holzrahmenkonstruktionen für Attiken, keine Alu- Abfangkonstruktionen des WDVS, die die Wärmedämmung durchdringen etc.
- Hochgedämmte Gebäudehülle: Außenwände: U= 0,20 W/m²K
Dach: U= 0,15 W/m²K
Bodenplatte, Kellerdecke: U= 0,20 W/m²K
Fenster, dreifach verglast: Uw= 0,85 W/m²K
- Beheizung über die kontrollierte Lüftungsanlage, Bäder erhalten eine kleinen Heizkörper, Räume mit mehr als zwei Außenwänden ebenfalls.
Das Gebäudekonzept ist ohne Einbußen auf andere Standorte übertragbar, insbesondere „Tabu II“ wäre gut geeignet, da ebenfalls überwiegend Südausrichtung möglich wäre.
Der vorgeschlagene energetische Standard würde eine Förderung als KfW Effizienzhaus 55 erlauben, dafür werden die Grenzwerte des Primärenergiebedarfes gemäß EnEV 2009 um mindestens 45 % unterschritten.

Materialien:

- Stahlbeton- und Mauerwerkschottenkonstruktion, Stahlbeton-Flachdecken
- Außenwände an der Oppelner Str. aus 20 cm starken MW-Wänden, 20 cm WD, WLG 032 und vorgemauerte Backsteinschale, gewählt aufgrund hervorragender Wertbeständigkeit und Schallschutzeigenschaften.
- Wände zu Höfen und Nebenstraßen als Putzwände, WDVS, 20 cm Dämmstärke mit mind. 20 mm Mineralputz (vorbeugend gegen Schimmel- und Algenbefall wg. besserer Feuchteregulierung). Oder 49 cm Ziegelmauerwerk als vandalismusresistente Alternative mit Mineralputzoberfläche.
- Loggien und Balkonplatten als Weißbeton-Fertigteilelemente, thermisch getrennt von der Konstruktion.
- Holzfenster mit Dickbeschichtung, hellgrau
- Geländer mit linienförmig gehaltener Glas- oder Lochblechfüllung, transluzent als Sichtschutz
- Treppen: Sichtbeton-Treppenläufe mit Trittkanten-Schutz
- Bodenbeläge der Treppenhäuser: Granit- Bahnen, Padang Dark
- Terrassen und Dachterrassen mit Betonplatten, geschliffen
- Dachbegrünung aller übrigen Dachflächen als extensive Dachbegrünung mit Sedum-Gräser-Kräuter-Bewuchs.
Die geplanten Materialien Stein, Beton, Holz, Naturstein, Mineralfaserdämmstoffe, Glas, TNZN-Bleche sind mit den Kriterien der DGNB vereinbar.

Bauabschnitte:
Die beiden Wohnhöfe sind als getrennte Bauabschnitte mit geringer gegenseitiger Beeinträchtigung realisierbar.

Beurteilung durch das Preisgericht

Im städtebaulichen Ansatz werden beide Neubaubereiche TaBu I und TaBu II isoliert voneinander
als Straßenrandbebauung ausgebildet. Die Mitte wird aufgewertet durch die Öffnung
des Zentrums zum Platz, die ergänzende Bebauung an der S-Bahnhaltestelle und
durch einen Neubau des Bankgebäudes. Die Erhaltung des Möbelmarktes und Umnutzung
zur Markthalle wird positiv bewertet.
Die Lage der neuen Brücke über die S-Bahn verbindet die Markthalle mit dem Einkaufszentrum,
mit dem Jugendzentrum bis hin zum TaBu II. Dies wird als sehr positiv gesehen und
wertet den hinteren Bereich auf. Die Ausgestaltung der Brücke wird für den Standort als
überzogen gesehen.
Die weiteren Flächen im Norden sind nicht überplant. Hier muss nachgearbeitet werden.
Auch zur Gestaltung des Stadtplatzes fehlen nähere Angaben. Der Stadtplatz ist stadträumlich
nicht ausgereift. Das Gleiche gilt für die stadträumliche Verbindung zwischen TaBu I
und TaBu II.
Die Bebauung des TaBu I folgt der Blockrandbebauung. Durch das Einstellen eines Gebäudes
in den Blockinnenbereich entstehen zwei unterschiedliche Räume. Die Anordnung
der Parkplätze an der östlichen Spitze wird als klare städtebauliche Lösung mit baulichem
Abschluss gewertet.
Die entstehenden zwei Blockinnenbereiche schaffen zwei unterschiedliche Räume - einen
privat und gemeinschaftlichen Freibereich und einen öffentlichen Bereich mit Café. Die
Durchwegung und Nutzung wird positiv gesehen.
Die architektonische Ausprägung insbesondere der südlichen und westlichen Fassaden ist
differenziert und dem Thema des studentischen Wohnens angemessen. Die Ausprägung
zum öffentlichen Raum dagegen wird noch als zu abweisend und großmaßstäblich gesehen.
Ebenso besteht hinsichtlich der formalen Ausbildung des nordwestlichen Kopfbaus
aus Sicht des Preisgerichts Überarbeitungsbedarf.
Die Wohnungen erfüllen die Anforderungen, sind gut strukturiert und konsequent nach den Himmelsrichtungen orientiert.