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Einladungswettbewerb | 01/2011

Weinkompetenzzentrum Brackenheim

ein 1. Preis

Preisgeld: 4.700 EUR

GERNER GERNER PLUS. Architekten

Architektur

Erläuterungstext

Brackenheim, größte Weinbaugemeinde Württembergs und größte Rotweingemeinde Deutschlands, hatte zwölf Büros aus Deutschland, Österreich und der Schweiz zum Architektenwettbewerb Weinkompetenzzentrum geladen. Es soll ein attraktives Ensemble im Herzen der Altstadt entstehen als vielfältiges kulturelles, gastronomisches und kommunikatives Zentrum für die gesamte Region.

Konzept
In diesem Konzept werden all diese Aspekte gleichermaßen berücksichtigt. Dem Denkmalschutzgedanken wird Rechnung getragen da das historische Schloss kaum angetastet wird. Es wird sogar ein früherer Zustand wiederhergestellt, indem der verfüllte Schlossgraben zunächst wieder freigelegt wird. Gleichzeitig wird so der Platz für die neue Gebietsvinothek geschaffen, die sich nun hier nahtlos einfügt. Von allen Seiten bleibt der Blick auf das Schloss erhalten oder wird, wenn notwendig, freigelegt. Der Platz wird erweitert und ein offener, einladender Zugangsbereich direkt von der Fußgängerzone aus geschaffen.
Das Ensemble aus dem historischem Schloss, der Erschließung und Verbindung der bestehenden Einrichtungen und den neuen Angeboten mit Wein-Ausstellung, Gebietsvinothek und Gastronomie stellt ein attraktives und vielfältiges Angebot für Einheimische wie Besucher der Region dar.

Leitidee
Die verschiedenen Angebote sollen zu einem vielfältigen kulturellen, gastronomischen und kommunikativen Zentrum für die gesamte Region verbunden werden. Klarheit, Orientierung und Struktur für Bürger und Gäste sind zentrale Entwurfsparameter. Im Zentrum der Überlegungen steht der Respekt vor dem historischen Bestand; der sensible Umgang mit dem Vorhandenen und seinen Besonderheiten. Daraus entwickelte sich der Ansatz einen Knotenpunkt zu entwickeln, der alle bestehenden Strukturen verbindet und zu einem größeren Ganzen zusammenfasst. Der Neubau fügt sich zurückhaltend ein und findet seinen Platz im wieder freigelegten Schlossgraben. Die frühere Geländegestaltung um das Schloss herum wird wieder spürbar, aber nicht als simple Rekonstruktion, sondern als Referenz. Genauso wird mit der Abtragung des Anbaus der einstige Zustand wiederhergestellt. Das Schloss bleibt frei und unverändert; steht wie seit Jahrhunderten für sich. Gleichzeitig wird seine Geschichte - seine Patina - durch den Kontrast zum Neuen umso deutlicher spürbar. Garten und Freibereiche werden geöffnet und zum gemeinschaftlich nutzbaren Freiraum. Ein Kommunikationsplatz für den Ort entsteht. Der einzige Berührungspunkt mit dem Schloss ist die unterirdische Anbindung an den Ausstellungsraum:

Zum Entwurf
Das Schloss selbst wird im Sinne des Denkmalschutzes kaum angetastet, der Neubau bietet ausreichend Platz für alle notwendigen Funktionen. Es wird ausschließlich der jüngere Zubau entfernt, sodass ein großzügiger Vorplatz als einladender Zugang von der Fußgängerzone aus entsteht.
Die gesamte Schlossanlage wird einsehbar und klar als öffentlicher Kommunikationsraum erkennbar. Ein Abschnitt der historischen Stadtmauer bleibt hier als Exponat erhalten. Hier soll zukünftig ein Infopoint über die Stadt Brackenheim informieren.
Das Spiel mit den Ebenen, mit Sichtbarkeit und Verbergen ist ein wichtiges Gestaltungsthema. Die unterschiedlichen Niveaus, die immer neuen Perspektiven machen diesen neuen Mittelpunkt zu einem Spannungsbereich.
Durch sein Ab- und Auftauchen zeigt sich das neue Gebäude anpassungsfähig und selbstbewusst zugleich. Die beiden Ebenen oder Raumsphären können gemeinsam oder getrennt, je nach Veranstaltung, genutzt werden.
Das Produkt – der Wein – steht immer im Mittelpunkt. Der gesamte Neubau bezieht sich auf den Wein, der hier die Hauptrolle spielt, alles andere bleibt zurückgenommen, sensibel, fein nuanciert. Auch die Materialwahl folgt diesem Ansatz: Die gefaltete Außenhülle und die Terrasse bestehen aus hellem Holz; durch die Witterung wird sich also das Äußere verändern, der Baukörper mit der Umgebung verschmelzen und an alte hölzerne Weinfässer erinnern.
Auch im Innenraum wird Holz verwendet, insgesamt überwiegen helle Materialien. Alles ist hell, leicht, transparent und übersichtlich.
Die unterirdische Lage im alten Schlossgraben erinnert an die traditionelle Weinherstellung und -lagerung in Kellern, wie sie auch hier im Schloss und den umliegenden Häusern üblich war und dabei ganz zeitgemäß ist: Der natürliche Temperaturausgleich, bedeutet eine große Energieeinsparung beim Heizen und Kühlen.
Indem alle Funktionen im Neubau untergebracht werden, stehen alle freien Flächen im Schloss selbst für spätere großflächige Nutzungen zur Verfügung.
Belichtung. Der gesamte neue Baukörper ist, trotz der überwiegend unterirdischen Lage, durch die gezielte Tageslichtführung über großzügige Lichtbänder sehr hell, transparent und freundlich. Verschattungselemente steuern den Lichteinfall bei Bedarf.

Sichtbezüge
Neue Sichtbezüge zwischen den Bestandsgebäuden Schloss, Theodor-Heuss-Haus und Stadtarchiv werden freigelegt; der Neubau nimmt sich zurück und steht gleichzeitig ebenfalls mit allen Teilen in Sichtverbindung.

Freibereich
Die Freiflächen sind ein wichtiger Teil des Ensembles und bilden den natürlichen grünen Rahmen für die gesamte Anlage. Auf dem Vorplatz als Beginn der Fußgängerzone mit dem historischen Obertor, dem Theodor-Heuss-Haus und -Denkmal sind streifenförmige Beete als Gliederungselemente und Wegweiser angelegt.
Die hohe Mauer an der oberen Brücke ist als „grüne Rückwand“ am Terrassenbereich dicht bewachsen. Durch seine großzügigen Fensterflächen strahlt das Gebäude bei Dunkelheit, in den Boden eingelassene Lichtstreifen weisen den Weg dorthin.

Erschließung / Funktionen / Organisation
Der Haupteingang liegt am neuen Platz, direkt an der Fußgängerzone.
Flache Stufen führen den Besucher ins Untergeschoss. Die Lobby mit Kasse und Garderobe dient als Empfangsraum, Treffpunkt und Verteilerbereich. Der gläserne Lift an der Schlossfassade, verbindet Außenraum, Lobby und die tiefer liegende Ausstellungsebene. Er ist optional bis zu den Obergeschossen erweiterbar.
Bereits vom Vorplatz aus ist die Vinothek sichtbar. Die Verbindung zur Ausstellung im ehemaligen Weinkeller des Schlosses liegt dort, wo einst ein unterirdischer Verbindungsgang den Schlosskeller mit dem Stadtarchiv verbunden hat. Die Öffnung wurde vergrößert und führt zunächst auf die Galerie, wo man den Ausstellungsbereich überblickt. Auch für den Medien- und Seminarraum wird ein Sichtbezug zur Ausstellung im Gewölbekeller hergestellt.
In der westlichen Hälfte des Baukörpers befindet sich der Gastronomiebereich mit Restaurant und Café. Das Gebäude verwebt sich hier durch die neue Brücke (die anstelle der alten Bogenbrücke den Schlossplatz mit dem Stadtarchiv auf Gartenniveau verbindet) besonders intensiv mit seiner Umgebung.
Eine sanft ansteigende Treppe führt vom Café nach oben ins Restaurant und mündet in die großzügige Terrasse, die von einer begrünten Mauer und der historische Brücke eingefasst wird. Eine Rampe entlang der Terrasse bedient das Serviceband und ermöglicht barrierefreie Anlieferung vom bestehenden Parkplatz aus.
Das Serviceband wird neben seiner funktionalen Aufgabe auch als Gestaltungsmittel eingesetzt. Es verbindet als durchgehendes Element optisch alle Bereiche und setzt mit Lederbespannung und indirekter Beleuchtung einen warmen Akzent. Im Lobbybereich werden hier außerdem in hinterleuchteten Präsentationsvitrinen ausgewählte Weine präsentiert.

Marketing
Der Wein ist das wichtigste Produkt der Region. Seiner Bedeutung und seiner hohen Qualität soll das Niveau der Präsentation und Vermittlung entsprechen. Die Stadt Brackenheim als wichtige und traditionsreiche Weinbaugemeinde, sowie die gesamte Region, soll in ihrer regionalen Position gestärkt werden. Sie soll sich darüber hinaus zu einem kulturellen, gastronomischen und kommunikativen Kristallisationspunkt entwickeln und dadurch entsprechende internationale Ausrichtung und Aufmerksamkeit erlangen.
Das Konzept verbindet alle bestehenden Komponenten (Schloss mit Kleinkunstbühne, Theodor-Heuss-Haus, Stadtarchiv und Weinkompetenzzentrum mit Ausstellung und umfassendem Gastronomieangebot) zu einem größeren Ganzen und betont gleichzeitig die Vielfalt der regionalen Kompetenzen, die diesen Ort zu etwas Besonderem machen.
Insgesamt wird der Altstadtbereich belebt, den vorhandenen Strukturen wird Raum zur Weiterentwicklung geboten und vielfältige Synergien erschließen neue Zielgruppen. Bei aller Zurückhaltung hat der Neubau durch seine charakteristische Form einen hohen Wiedererkennungswert. Diese Landmark-Qualität ist ein sehr wichtiges Merkmal für Kommunikation und Vermarktung, um verstärkt die Identität, die Marke, eine durchgängige Gestaltung (mit Logo etc.) für das Weinkompetenzzentrum Brackenheim zu entwickeln.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit organisiert das Raumprogramm funktional und wirtschaftlich sehr gut auf einer ca. 2m gegenüber dem Strassenniveau abgesenkten Ebene. Darüber erhebt sich das Gebäude mit einem gefalteten Dach, das mit geringer Höhe und einer umlaufenden Verglasung über dem Grundriss des Schlossgrabens liegt. Das niedrige Gebäude stellt das Schloss frei und verbindet stadträumlich die Obertorstrasse und die Situation vor dem Theodor-Heuss-Museum mit dem äußeren Schlossplatz. Als Volumen bewegt es sich zwischen Baukörper- und Typographischer Figur. Die architektonische Form besitzt die Zeichenhaftigkeit und typologische Exklusivität, die in der Auslobung gesucht wird. Die Raumideen und Raumerfindungen nutzen sehr gut vorhandene Potenziale. Als sehr positiv wird die Verbindung zwischen Gast- und Ausstellungsbereich gesehen. Kritisch gesehen wird die Nachlässigkeit mit der Teile der Erschließung und weite Teile des Außenbereichs bearbeitet sind. Das begebare Dach bedarf einen Absturzsicherung, die bei der geringen Höhenentwicklung des Gebäudes nicht vernachlässigt werden kann.
Der Aufzug ist in der vorgeschlagenen Form und Position nicht akzeptabel. Die vollständige Besetzung des Schlossgrabens mit Terrassen und Gebäude erscheint aus denkmalpflegerischer Sicht problematisch. Ebenso problematisch gesehen wird die Lage der Gastebene unterhalb des Strassenniveaus und die damit verbundenen Barriere zwischen Gästen und Passanten, zwischen Innen- und Außenraum.
Der vorliegende Entwurf wird insgesamt als sehr gute Lösung der gestellten Aufgabe bewertet. Kontrovers wird diskutiert, ob Weinkompetenzzentrum und Schloss vor dem Hintergrund der spezifischen Situationen von Stadt und Stadtgeschichte Brackenheims zu einem stimmigen und wirkungsvollen architektonischen Ensemble zusammengebunden werden können.
Grundriss EG

Grundriss EG

Ansicht

Ansicht

Schnitt

Schnitt

Schnitt

Schnitt