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Verhandlungsverfahren | 01/2011

Sanierung des Lessingtheaters in Wolfenbüttel

Aussenansicht

Aussenansicht

Zuschlag

struhkarchitekten

Architektur

Erläuterungstext

Nachdem die Stadt Wolfenbüttel im Dezember 2010 beschlossen hatte, die Bearbeitung der weiterführenden Ausführungsplanung und deren Realisierung nicht mehr durch den Generalplaner (Gewinner des Wettbewerbs von 2002) ausführen zu lassen, wurde das Büro struhk architekten aus Braunschweig auf Grund eines Verfahrens der Vergabeordnung für freiberufliche Leistungen (VOF) als Gebäudeplaner für die Bearbeitung der Architektenleistungen ausgewählt. Dessen nachgewiesenes Verständnis für die komplexen funktionalen Zusammenhänge und die Vertrautheit mit den derzeit gültigen Baurechtsnormen und -verordnungen waren für diese Entscheidung ausschlaggebend. Nach intensiver Einarbeitung in die Bestandsunterlagen und die bis dahin vorliegenden Pläne zeigte sich, dass umfangreiche Ergänzungs- und Vertiefungsplanungen sowie teilweise Überarbeitungen von bereits vorliegenden Entwurfs-, Genehmigungs- und Ausführungsplanungen notwendig waren.

Dadurch waren auch eine erneute Betreuung des brandschutz- und schalltechnischen Gutachtens und Abstimmung der wichtigen Belange des Denkmalschutzes mit der Denkmalschutzbehörde notwendig. Auch die Termin- und Kostenplanung mussten überarbeitet und den veränderten Gegebenheiten angepasst werden.
Nachfolgend wird versucht, die aktuelle Planung im Kontext mit den vom Generalplaner übernommenen Vorgaben darzustellen.


Ergänzungsbauteile im Erdgeschoss

Das vom Architekten Otto Rasche 1909 fertig gestellte Gebäude wird auf der Basis des ersten Preises eines Wettbewerbs von 2002 umbaut, saniert und erweitert. Die Planung sieht zwei gläserne Anbauten auf beiden Seiten des Zuschauerraums zur Erweiterung der Pausen- und Veranstaltungsflächen vor. Diese Planung musste vertieft, teilweise geändert und ausführungsreif ergänzt werden.

Die neuen gläsernen Anbauten in der Art von Wintergärten ergänzen und vergrößern das Foyer im Erdgeschoss, sind aber auch getrennt vom Hauptgebäude für kleinere Veranstaltungen nutzbar. Die moderne, sachliche Stahl-Glaskonstruktion bildet einen interessanten Kontrast zum Bestandsgebäude, lässt das Tageslicht tief in die Wandelgänge dringen und eröffnet dem Haus einen Bezug nach draußen in die parkartig angelegte Wallanlage.


Erdgeschoss und Untergeschoss

Um die für einen modernen Theaterbetrieb erforderlichen Garderobenflächen, die Flächen für moderne Sanitäreinrichtung (Besucher-WC's) sowie die notwendig gewordenen größeren Flächen für Technik (Heizung, Lüftung, Klima, Feuerlöschanlage, Elektro) zu gewinnen, wurde das Theater mit einer Vollunterkellerung versehen. Hierzu wurde das gesamte Theater mit Abfangkonstruktionen förmlich "in die Luft gehängt", der Untergrund durch Hochdruckinjektionen (HDI) tragfähig gemacht, eine wasserdichte "Wanne" betoniert und das Theater auf das neue Untergeschoss wieder abgesetzt.

Die neue Technikzentrale im Untergeschoss wird ebenso wie die Anlieferung zum Bühnenbereich auf der Rückseite (Osten) erschlossen.

Im Erdgeschoss wird die zentrale Haupterschließung über die Kassenhalle beibehalten. Die Flächenvergrößerung der Wandelgänge durch die Wintergartenanbauten und die Verlagerung der Garderoben und Besucher-WC's in das Untergeschoss verbessern die bisherige Eingangssituation wesentlich.

Der Zugang für Besucher zum Untergeschoss mit der Garderobenhalle und den WC-Anlagen erfolgt über die neuen durchgängig geführten Treppenhäuser auf beiden Seiten des Foyers.

Im westlichen Bereich der Kassenhalle wurde eine Aufzugsanlage angeordnet, die einen behindertengerechten Zugang zu den Garderoben und WC's im Untergeschoss ermöglicht.

Die Wandelgänge werden durch die Verbindung mit den "Wintergärten" und neu geschaffene Deckenöffnungen zu den Wandelgängen im ersten Rang als räumlich reizvoll und großzügig erlebt. Die vorhandenen 3 Zugänge zum Parkett konnten wegen der Baurechtsbestimmungen (Brandschutz, Behindertengerechtigkeit, Versammlungsstättenverordnung) nicht erhalten werden. Die Saalzugänge wurden in Abstimmung auf die Parkettstufung im Saal auf je 2 Zugangstüren reduziert und die Türbreiten (zweiflügelig) entsprechend vergrößert. Diese Änderung und die Umsetzung der geforderten Fluchtwegbreiten im Saal zog entsprechende Konsequenzen für die Anzahl und Anordnung der Bestuhlung im Zuschauerraum nach sich.


Erster und zweiter Rang

Die bestehende Form des ersten Ranges bleibt erhalten. Ein zusätzlicher Aufzug mit Schlüsselschalter nördlich neben der Bühne dient der Ver- und Entsorgung des Bühnenbereichs. Durch zwei neue Treppen wird der bisher nur bedingt zugängliche Raum über der Hinterbühne im 2. Obergeschoss als Garderobe für Darsteller erschlossen.
Im 1. Rang wird wegen der sehr beengten Platzverhältnisse im seitlichen Bereich jeweils auf die zweite Sitzreihe verzichtet und in der Mitte ein offener Regieplatz eingerichtet. Durch den Entfall der ursprünglich im 2. Obergeschoss geplanten Regie bleibt die Saaldecke vollständig erhalten und ist über die gesamte Fläche räumlich nachvollziehbar.


Zuschauerraum und Wandelgänge

Wo Material, Farbe und Struktur von Bauteilen noch erhalten waren und den zeitgemäßen bautechnischen Anforderungen entsprechen, wurden diese Qualitäten im Rahmen der Kostenvorgaben erhalten, aufgearbeitet und konserviert. Wo jedoch die originalen Bauteile und Qualitäten der Vergangenheit unwiederbringlich entfernt oder zerstört sind, ist eine klar nachvollziehbare Ergänzung des Bestandes in zeitlos moderner Ästhetik angestrebt worden, die sich sensibel in den Bestand einfügt, ohne mit ihm in Konkurrenz zu treten.

Die Wand- und Deckengestaltung mit der Originalschablonenmalerei aus der Entstehungszeit um 1909 im Zuschauersaal, in den Foyers und den Wandelgängen sowie in der Kassenhalle sollte aus denkmalpflegerischen Gründen möglichst erhalten bleiben. Da der Putz der Wandbekleidung in weiten Bereich lose war und erneuert werden musste, konnten nur wenige Originalflächen gerettet werden. Auf den erneuerten Putzoberflächen lassen Kopien der Schablonenmalerei, im 1. Obergeschoss in Kammzugtechnik, den ursprünglichen Gesamteindruck sicht- und erlebbar machen.
Im Zuschauerbereich sind insgesamt 658 Sitzplätze eingeplant, hiervon im Parkett 263, im 1.Rang 81 (zusätzlich 2 Regieplätze), im 2. Rang 141 Zuschauerplätze. Durch die Nutzung des Bühnenraumes als Studiobühne konnten je nach Nutzungsart (Mittelbühne, kleine Guckkastenbühne) maximal weitere 171 Sitzplätze gewonnen werden. Damit ist das Ziel einer möglichst hohen Flexibilität der Raumgestaltung ohne zusätzliche Eingriffe in den Bestand erreicht worden. Zum Vergleich soll hier auch die Anzahl der Sitzplätze mit seiner in der Anfangsphase vorhandenen Bestuhlung genannt werden. Das Parkett hatte mit abgedecktem Orchestergraben 364 Plätze, der 1. Rang 118 Plätze und der 2. Rang 194 Sitz- und 65 Stehplätze. Insgesamt gab es damals also 741 Plätze. Beim Vergleich der Zahlen ist aber zu beachten, dass die jetzige Sitzplatzanordnung den heutigen Ansprüchen an Sitzplatzkomfort gerecht wird.

Vollkommen neu konzipiert wurde das Beleuchtungskonzept für den öffentlich zugänglichen Bereich des Theaters, das in Zusammenarbeit mit dem Hamburger Lichtplaner Peter Andres entwickelt wurde. Die vorhandenen Leuchten konnten den Anforderungen an eine moderne Theaterbeleuchtung nicht mehr gerecht werden. Verschiedene Lichtsysteme (Deckenleuchten, Wandleuchten, Spiegelumlenksysteme) wurden geprüft und u. a. im Hinblick auf Lichtatmosphäre, Dimmbarkeit, Investitions- und Betriebskosten, energetische Nachhaltigkeit untersucht. Im Zuschauersaal waren außerdem brandschutztechnische und statische Gegebenheiten (keine weitere Belastung der Kassettendecken) und die Wartungsfreundlichkeit (Austausch von Leuchtmitteln) zu berücksichtigen. Realisiert wird ein Beleuchtungssystem mit LED-Deckenleuchten mit Allgemeinbeleuchtung durch Deckenstrahler (Downlights) und Betonung der Kassetten durch Indirektbeleuchtung. Mit der Direkt-/Indirektbeleuchtung, deren Lichtkomponenten getrennt voneinander steuerbar sind, wird eine ausgewogene Grundbeleuchtung aber auch eine der Festlichkeit des Raumes angemessene Leuchtkraft erreicht.


Technische Gebäudeausstattung und Bühnentechnische Anlagen

Die Heizungsanlage, das Wärmeverteilnetz, das Frischwasser- und Abwasserrohrleitungsnetz sowie die Elektroanlagen werden vollständig erneuert. Die Technikzentralen befinden sich im neu geschaffenen Untergeschoss (Zuluft) und im Dachraum (Abluft). Eine Wärmerückgewinnung erfolgt im Kreislaufverbundsystem. Der Saalboden im Parkett und in den Rängen wird mit Stufenanstieg als Druckboden ausgebildet.

Die vorhandene bühnentechnische Ausstattung und die Bühnenschwachstromanlage entsprechen nicht mehr den gesetzlichen und betrieblichen Anforderungen und werden komplett erneuert.


Schlussbemerkungen

Das Lessingtheater wird nach abgeschlossener Umsetzung sämtlicher Baumaßnahmen eine kulturelle Bereicherung für die Stadt Wolfenbüttel und die gesamte Region sein. Mit gespannter Erwartung sehen wir dem Tag entgegen, an dem die in unserer Vorstellung entwickelte architektonisch-räumliche Vision Realität sein wird.
Theaterbühne

Theaterbühne

Saal

Saal

Foyer

Foyer

Blick in den Wintergarten

Blick in den Wintergarten