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Nichtoffener Wettbewerb | 01/2011

Kunst am Bau | KVA-Werkhof Scheidegg - Gestaltung öffentlicher Raum

KVA Werkhof Strassenperspektive

KVA Werkhof Strassenperspektive

ein 1. Preis / Zur Realisierung empfohlen

Katja Schenker

Kunst

pool Architekten

Architektur

Schweingruber Zulauf Landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

Dr. Deuring + Oehninger AG

Bauingenieurwesen

Erläuterungstext

Der Baukörper der Kehrichtverbrennungsanlage Winterthur, ein städtebaulicher Koloss, erhebt sich aus der Unterwelt. "Kerberos" ist der Hüter des Tores. Was immer in den von ihm beherrschten Bereich gerät, riskiert verschlungen zu werden. Das alles verzehrende Feuer bleibt unsichtbar, die Kraft des "Kerberos" aber manifestiert sich am Übergang, wo ein rostiges Metallgitter die Anlage von der Aussenwelt trennt. "Kerberos" als Kunst am Bau der Verbrennungsanlage entstand aus der Zusammenarbeit der Künstlerin Katja Schenker mit pool Architekten und den Landschaftsarchitekten des Studio Vulkan.

Wie die textile Bordüre ein schlichtes Kleid veredelt, umsäumt "Kerberos" den riesigen Komplex: Bewehrungsmatten, ein so archaisches wie pragmatisches Material, bilden das rigide, doch auch fragil anmutende Gitter. Der Zaun wurde in einem elaborierten Deformationsprozess in Blechfalzmaschinen und schliesslich vor Ort von einem Bagger zu einem dreidimensionalen Gebilde transformiert.

Durch die Krafteinwirkung wirkt das ursprünglich profane Werkmaterial fast filigran, erstaunlich leicht und elegant. Für den Passanten zum Bahnhof, dessen Weg sich dicht an ihm entlang bewegt, wird der Zaun zu einem skulpturalen Gegenüber, das ihn zuweilen umspielt, einhüllt, sich ihm entgegen wölbt und vor dem Hintergrund der Werkhof-Fassade nochmals ganz anders, fast ornamental in Erscheinung tritt.

Beurteilung durch das Preisgericht

Ein pfostenloser Gittermattenzaun aus herkömmlicher Produktion umschliesst rundum das Gelände. ER ist durch mechanische Einwirkung dreidimensional deformiert und erhält dadurch seine Stabilität. Durch die Bearbeitung wird der profane Zaun nobilitiert und soll Gegensätze überbrücken, die in den folgenden Begriffspaaren beschrieben sind: gross – klein, schwer – leicht, grob – fein, opak – transparent, volumetrisch – linear und wertlos – kostbar. Eine starke Krafteinwirkung, die durch die Anziehung des Höllenhunds „Kerberos“ – der Dämon der Grube – erklärt wird, deformiere laut Verfassende den Alltagsgegenstand.

Der mit einfachen Mitteln gestaltete, barock anmutende Zaun, welcher dem transparenten Gittermaterial eine sowohl inhaltliche als auch räumliche Tiefe verleiht, verlangt folgerichtig nach einem ums ganze Gelände laufende Intervention, damit der in den Schnittansichten sehr schön herausgearbeitete, feine Zaunkranz ins Verhältnis gesetzt werden kann mit dem monumentalen Profanbau der KVA. Das scheinbar Fragile wird fast zu einer Art Sockelbegrenzung der Anlage. Durch die Dreidimensionalität des Zauns entsteht für Passanten die Möglichkeit, mit der Oberfläche der KVA in Kontakt zu treten, sich in die Nischen zu stellen und über die perspektivische Verdichtung unsichtbar zu werden oder mit der Geschwindigkeit des Velos die sich dauernd ändernde Gitterstruktur zu erfahren. So wird die Kehrichtverwertungsanlage in einem Massstab gesetzt, ohne dass der Zaun gegen die übermächtige Masse anzukämpfen hat. Gerade durch seine Nobilitierung wird er zu einem Stück Alltag und wird nicht nur auf seine Sicherheitsfunktion deduziert.

Der Arealzaun fasziniert durch seine Einfachheit und seine architektonische Virtuosität. Unsicherheiten bestehen auf dieser Ebene einzig, ob die vorgeschlagene Deformation durch Maschineneinwirkung die gewünschte Gestaltqualität erzeugen kann und ob sich die stützenlose Konzeption umsetzen lässt. Oder wird der Zaun einfach in der Fabrikationshalle gefertigt und vor Ort versetzt, was aber die Gefahr der wiederholenden Partien in sich birgt?

Das Projekt weist trotzdem eine Schwäche auf: Es vermag sich zu wenig von den architektonischen Fragen zu lösen und auf einer übergeordneten Bedeutungsebene der KVA im Bezug zu seinem sich wandelnden Umfeld Antworten zu geben. Die herbeigezogenen Erklärungen aus dem Reich der Mythologie sind weit hergeholt und so bleibt die Gefahr, dass das Projekt im Ornamentalen haften bleibt.

Die Überarbeitung des Projekts konnte die Fragen zu Stabilität und Konstruktion des Zauns weitgehend beantworten. Mit der Wahl von Armierungsnetzen anstatt Gittermattenzäunen aus herkömmlicher Produktion, die bereits im Werk zwecks statischer Stabilisierung gefaltet und dann vor Ort mittels Krafteinwirkung durch Maschinen weiter deformiert werden, kann man die Endform besser kontrollieren. Die Beschränkung des Zauns auf die öffentlich zugänglichen Bereiche aber schwächt die Idee der leichten Bordüre, die sich um den schweren Koloss bindet. Beider weiteren Bearbeitung sind die An- und Abschlüsse dementsprechend zu klären.

Die weitere Bearbeitung des direkten Umfelds führt zu einer Redimensionierung der Strassenpromenade. Ein Fuss- und Radweg wird entlang des Zauns geführt und auf der restlichen Fläche werden junge Bäume schnellwüchsiger (Populus) und langsam wachsender Arten (Quercus) gepflanzt, die man mit der Zeit, wenn sich das Umfeld konsolidiert hat, ausgelichtet werden und Platz machen können für ein kleines Stück Promenade. Eine schöne landschaftsarchitektonische Idee, die aber keinen direkten Bezug hat ur Konzeption des Zauns und somit auch getrennt realisiert werden kann.

Insgesamt hat die Überarbeitung die Fragen der Jury beantwortet und die skulpturale Qualität des Zauns weiter steigern können.

(Aus KVA, Werkhof Scheidegg Winterthur, Gestaltung öffentlicher Raum / Kunst am Bau, Jurybericht)
Aussenansicht

Aussenansicht

«Kerberos»

«Kerberos»

Schattenspiel als filigrane Bordüre

Schattenspiel als filigrane Bordüre

Arbeit am Zaun

Arbeit am Zaun