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Nichtoffener Wettbewerb | 03/2011

GedenkstÀtte Ahlem

2. Preis

AFF Architekten

Architektur

POLA

Landschaftsarchitektur

ErlÀuterungstext

Das Leitthema des Entwurfes sucht seine Quellen in der unfassbaren Verkehrung des Ortes. Wichtig erscheint uns eine GedenkstĂ€tte zu etablieren, welche sich gleichermaßen informativ und gegenwĂ€rtig darstellt. Gedenken soll nicht an einem Monument als starres Abbild der Zeit erfolgen, sondern immer wieder GedĂ€chtnisarbeit erfordern. Mit dem transitorischen Moment des Wandels der Kulturpflanzen Ă€ndert sich das Bild der GedenkstĂ€tte und erfordert eine fortlaufende Neupositionierung. Das Wahrnehmen des Bildes einer Gartenbauschule adaptiert sich im Besonderen mit dem Wechsel der Jahreszeiten. Im Gegenzug steht die Verkehrung des Ortes in seiner Entfremdung als Verwaltung der Shoa. Damit greift der Entwurf die unterschiedlichen Erlebnis- und ErzĂ€hlebenen im direkten Bezug zur wechselvollen Geschichte der Israelitischen Gartenbauschule auf.

Das Direktorenhaus wird von einem Obsthain mit Spalierobst umgeben. Alle ObstbĂ€ume wachsen an RankgerĂŒsten im strengen Erziehungsschnitt. Hier tritt das aktive Gedenken durch die stĂ€ndige fachliche Pflege der Spaliergehölze gleichrangig neben eine ZĂŒchtungs- und Kultivierungsarbeit des Gartenbaus. Beide bedingen sich und prĂ€gen das Bild und die Zukunft des Gartens.
Die RankgerĂŒste sind nicht nur StĂŒtze des kultivierten Wachstums sondern auch TrĂ€ger der Opfernamen. Die Entwicklung, das Wachsen das BlĂŒhen und vergehen der Gehölze steht als Synonym fĂŒr die Personen die hier arbeiteten, lernten, wohnten, deportiert wurden und starben.
Der Besucher betritt diesen Hain an unterschiedlichen ZugĂ€ngen, von der Tramstation und der Zuwegung vom Parkplatz. Als Weg der Transformation vom AlltĂ€glichen zu einem EinfĂŒhlen in die Geschichte des Ortes wird er zum Eingang des Direktorenhause geleitet. Die Wege zwischen den GĂ€rten der Spaliergehölze knĂŒpfen an die WegefĂŒhrung des parkĂ€hnlichen Gartens an und Verbinden beide Teile miteinander auf sinnfĂ€llige Weise. Durch die Modellierung des GelĂ€ndes ergibt sich ein ebenerdiger Zugang zum Direktorenhaus. Die Rankhilfen hingegen folgen streng einem vorgegebenen Niveau und variieren von 1,5 bis 3m. Je dichter der Besucher sich dem Eingang nĂ€hert um so mehr Weitblick gewinnt er ĂŒber das GelĂ€nde. Ankommen und Eintreten werden somit zeitlich und örtlich ausgedehnt. Das Erleben und Hinterfragen von Gegenwart und Geschichte beginnt damit bereits im Freiraum.

Der Garten
Ausgehend von der ursprĂŒnglichen Anlage der GemĂŒsebeete des Schulgartens der ehemaligen Gartenbauschule und den vorhandenen Beeten nördlich der Justus-von-Liebig-Schule bildet sich eine gĂ€rtnerische Struktur um die GedenkstĂ€tte und rĂŒckt diese in den Kontext der ehemaligen Gartenbauschule. RankgerĂŒste mit unterschiedlichen Spalierobst- und Ziergehölzen gliedern die Struktur. Schmale Wege fĂŒr Pflege und Erkundungen der Einzelnen Gehölze und den Namen der Opfer auf den RankgerĂŒste fĂŒhren um die mit Bodendeckern, niedrigen Stauden und FrĂŒhjahrsblĂŒhern bepflanzten Beete herum. Verschiedene Sorten von Obstgehölzen aus den verschiedensten UrsprungslĂ€ndern werden an den Spalieren kultiviert und gepflegt. Chaenomelis japonica (Wilde Quitte), Sorbus domestica (Birne), Prunus cerasifera (Kirschpflaume) und Mespilus germanica (Mispel) und nur wenige zu nennen fĂŒllen die RankgerĂŒste mit Leben und Wachstum.
Der Grundriss der ehemaligen LaubhĂŒtte wird im Boden mittels farblich abgesetzten KiesflĂ€chen nachgezeichnet. Dieser liegt eingebettet in der großen RasenflĂ€che. Eine gesonderte Erschließung vom Weg aus entfĂ€llt. Gleiches gilt fĂŒr alle der sich im parkĂ€hnlichen Garten befindenden DenkmĂ€ler. Sie ordnen sich unprĂ€tentiös aber selbstbewusst mit ihren unterschiedlichen Aussagen dem Garten unter. Der Garten wird hier, wie am Direktorenhaus, TrĂ€ger des Gedenkens.

Direktorenhaus
Als Zugang zum Direktorenhaus wird die Schnittstelle zur ehemaligen Bebauung gewÀhlt.
Der Entwurf ordnet die Funktionen im Inneren in Anlehnung an die historische Struktur des GebĂ€udes. Die VeranstaltungsrĂ€ume mit Gruppenraum, Bibliothek und der dazugehörigen Infrastruktur befinden sich im Erdgeschoss. Das 1.Geschoss mit seiner klaren Raumaufteilung, in dem sich die ehemalige Direktorenwohnung befand, wird mit dem Ausstellungsthema „Ahlem als Ort nationalsozialistischer Verfolgung“ neu belegt. Die kalte Verwaltung der Shoa steht im Mittelpunkt des gestalterischen Leitbildes. In den 3 RĂ€umen die den Zeitzeugen gewidmet sind, kann sich der Besucher mit Einzelschicksalen an Medientischen zu unterschiedlichen Themen informieren. Die WĂ€nde werden von hohen Regalen mit Ordnern gefĂŒllt bekleidet. Sie enthalten das Quell- und Arbeitsmaterial fĂŒr die folgenden RĂ€ume der Reflektion. Hier kann im gemeinsamen GesprĂ€ch mit Zeitanalysen und Diskussionen eine Sichtweise ĂŒber Opfer und TĂ€ter reflektiert werden. Alle WĂ€nde dieser RĂ€ume sollten als Pinnbord konzipiert sein. Damit entwickelt jede Besuchergruppe ein eigenes Abbild der Geschichtsrezeption aus den gesammelten EindrĂŒcken. Ohne diese Diskussion und ohne diese Reflektion bleiben die WĂ€nde leer. Die Ausstellung fordert damit den Rezipienten bewusst zur aktiven Teilnahme auf und entlĂ€sst alle Besucher als aktive Mitgestalter des Gedenkortes.
Das 2. Geschoss, als Schlafsaal der ehemaligen Gartenbauschule, wird dem Ausstellungsthema „ Ahlem als Ort jĂŒdischen Lebens, Lernens und Arbeitens“ gewidmet. Bewusst fĂ€llt die Wahl auf diesen Teil des GebĂ€udes, da seine frĂŒhere Offenheit am Besten das GefĂŒhl der Gemeinschaft transportiert. Hier können die Besucher an unterschiedlichen Stationen informatives zu den Themenbereichen von 1893 bis 1933 erfahren. Die PrĂ€sentation soll dem Überblick in einer Werkstatt gleichen. Des Weiteren können Inhalte gemeinsam auf einem Podium reflektiert werden. Hier rahmt ein zusĂ€tzliches Fenster, als großformatiger Einschnitt in der Fassade des GebĂ€udes, den Ausblick auf den Ort und bezieht die Jahreszeiten in die Ausstellung ein.
Sonderausstellungen können im Kellergeschoss prÀsentiert werden.

Beurteilung durch das Preisgericht

Mit der Idee des Gedenkgartens wird sehr markant auf die GedenkstĂ€tte und die israelitische Gartenbauschule Bezug genommen. Der Obsthain, mit den die Opfernamen tragenden RankgerĂŒsten, prĂ€gt das unmittelbare Umfeld des im Ă€ußeren Erscheinungsbildes nahezu unverĂ€nderten Direktorenhauses. Der westliche Teil des Freiraumes wird durch einen parkĂ€hnlichen Garten gebildet, dessen WegefĂŒhrung sich wie selbstverstĂ€ndlich mit den Wegen in den SpalierobstflĂ€chen verbindet.
Durch eine raffinierte Modellierung des GelĂ€ndes in Verbindung mit den einheitlichen Oberkanten der Spaliere entstehen spannende Raumsituationen und Blickbeziehungen. Der Umgang mit den Gedenkelementen im Garten ist bewusst unprĂ€tentiös und angemessen. Die Grundstruktur des GebĂ€udes bleibt weitgehend erhalten und wird zur selbstverstĂ€ndlichen Grundlage fĂŒr die rĂ€umliche Gliederung der Ausstellungsbereiche genutzt. Die minimalistische Haltung der Ausstellung wird Grundlage einer stark inhaltsbezogenen Auseinandersetzung und fordert den Besucher
zur InteraktivitĂ€t heraus. Mit großer Konsequenz wird die kleinteilige Struktur der Direktorenwohnung dem Thema NS-Zeit gewidmet und als kalte VerwaltungsrĂ€ume inszeniert. Der ehemalige Schlafsaal im 2. OG wird in seiner frĂŒheren Offenheit wieder hergestellt und passenderweise dem Thema der Geschichte der Gartenbauschule gewidmet. Hier wird durch ein neues großes Fenster der Bezug zum GartenbaugelĂ€nde
hergestellt. Die in der Auslobung geforderte gesamtheitliche Betrachtung wird in diesem Entwurf feinfĂŒhlig gelöst. Die Erstellungs- und Betriebskosten werden bezĂŒgliche des GebĂ€udes als im unteren Bereich liegend eingeschĂ€tzt. Die Kosten fĂŒr die Gestaltung des GebĂ€udeumfelds (Gedenkhain) liegen im oberen Bereich.
Gedenkgarten

Gedenkgarten

Lageplan

Lageplan

Grundriss

Grundriss

Garten

Garten

Ausstellung

Ausstellung

Schnitt

Schnitt

Gedenkgarten

Gedenkgarten