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Nichtoffener Wettbewerb | 05/2011

Neubau des Besucherzentrums am Standort des ehemaligen Schweizerhauses am Schloss Sanssouci

Ansicht von Schlossterrasse

Ansicht von Schlossterrasse

2. Preis

Bruno Fioretti Marquez

Architektur

Erläuterungstext

Persius und die „Fabbrica“

Die gedankliche Auseinandersetzung mit dem Gebäudeensemble im Bereich der Historischen Mühle mit dem Mühlenhaus, dem Marstall, der Wagenremise und dem verschwundenen Schweizer Haus bildet der Ausgangpunkt dieses Projektes.
"Den Baustyl betreffend wird am häufigsten die heitere Bauweise der Italiener, wie solche während ihrer Blüthe im fünfzehnten und sechzehnten Jahrhundert, namentlich in Ober-Italien und in der Umgebung Roms bei Villen und anderen ländlichen Bauanlagen und selbst bei der anspruchslosen Fabbrica zur Ausbildung und Anwendung gelangt ist, als Vorbild dienen."

Dieses Zitat von Ludwig Persius beschreibt sehr treffend seine architektonische Haltung;
Charakteristisch für seine Herangehensweise ist einerseits die Bewunderung für die anspruchslose und konstruktiv doch meisterhaft durchgedachte „Fabbrica“, andrerseits eine Vorliebe für additive Systeme aus locker geordneten Gebäuden in denen die vorhandenen Baukörper frei integriert werden können.

Ein charakteristisches Merkmal seiner Architektur ist die ungezwungene, fast spielerische Transformation des Vorhandenes; die bestehenden Gebäude werden durch gekonnte Eingriffe und präzise Ergänzungen in ein dichtes atmosphärisches Ganzes umgewandelt, das auf andere Bilder der Sehnsucht verweist.

Dieses subtile Spiel von Zitaten und Verweisen, die die Potsdamer Kulturlandschaft entscheidend geprägt hat, wird bei dem Gebäudeensemble im Bereich der Historischen Mühle bis zur letzten Konsequenz durchdekliniert.

Unterschiedliche Typologien - eine holländische Mühle, ein toskanisches Haus mit Pergola und ein Schweizer Fachwerkhaus - werden hier collageartig durch einen einheitlichen Sockel zusammengehalten.

Das Resultat dieser Herangehensweise war eine Art „dadaistische Komposition“, die die Atmosphäre des Ortes unverwechselbar geprägt hat.

Die Zerstörung des Schweizerhauses hat die Wirkung dieses architektonischen „Divertissements“ schwer beeinträchtigt.

Der Entwurf setzt sich mit der verspielten Zeichenhaftigkeit des zerstörten Ensembles auseinander und sucht eine Haltung um seine Memoria fortzuschreiben.


„ceci n`est pas une pipe“

Bei diesem Projekt geht es nicht um eine Rekonstruktion. Es geht um eine moderne Auseinandersetzung mit den kompositorischen Prinzipien des zerstörten Baukörpers.
Das Projekt übernimmt das ursprüngliche Volumen mitsamt Dachform, Geschoßüberstand und Dachloggia, um den neuen Baukörper im Kontext einzufügen.

Die originale Teilung des Gebäudes in zwei Elemente, einen massiven Sockel und einen darüber liegenden Fachwerkbau, erlaubt zwei Betrachtsweisen: Man kann das Haus sowohl als Bestandteil einer übergeordneten Komposition wie auch als Solitär wahrnehmen.

Diese ambivalente Lesart, sowie die Verfremdung, die die bewusste, inkongruente Einpflanzung einer fremden Typologie innerhalb der brandenburgischen Landschaft erzeugt, wird von unserem Entwurf übernommen.

Auf einem massiven Sockel aus Dämmbeton wir eine Holzkonstruktion aufgesetzt.
Dem Beton wird Rudersdorfer Kalkstein beigemischt um eine farbliche Angleichung mit der vorhandenen Dossierungsmauer zu erzeugen.

Für den Holzteil werden Hohlkastenprofile als Bauweise gewählt, die der modernen Version eines schweizerischen Holzbaus entsprechen.

Eine „abstrakte“ Bauweise, die die jeweiligen Bauteile bewusst nicht betont und dadurch geeignet ist, als „neutraler“ Informationsträger, als Hintergrund zu dienen.
Auf die zwei Außenwände werden die vorhandenen Originalzeichnungen der Fassade Nord und Ost übertragen. Das Übertragungsverfahren entspricht der andersartigen Technologie der Wandkonstruktion.

Für die Betonschalung werden Matrizen gefertigt. Mittels CNC Laserschnitt werden die digitalisierten Zeichnungen in die Holzwände eingefräst und verleihen dem Gebäue einen fast textilen Charakter.

Durch den Vergrößerungsprozess werden, teils aufgrund der technischen Verfahren, teils aufgrund handwerklicher Ungenauigkeiten, die Zeichnungsteile zwangsläufig verformt. Aus diesen Verformungen und Veränderungen einerseits und deren exakter Übernahme andrerseits bezieht die Gestaltung ihren Reiz.

Diese zeitgenossische Interpretation der architektonischen Dekoration bildet eine sehr dünne Schicht und soll nicht in den Vordergrund treten.
Die Außenholzwand wird mit einer einheitlichen hellen Lasur behandelt.
Die Zeit wird ihre Spuren auf den unterschiedlich behandelten Holzoberflächen hinterlassen und wird die Zeichnung, als Erinnerung des ursprünglichen Gebäudes, stärker in Erscheinung hervorbringen.

Fenstern und Türen folgen der inneren räumlichen Anordnung und korrespondieren nicht mit dem vorhandenen Fassadenmuster. Betontüren in EG kennzeichnen, während den Öffnungszeiten, die Eingänge des Besucherzentrums.

Im oberen Geschoß wird die warme, goldfarbene Patina einer mit Nutzungsspuren versehenen Stube mit einer Schelllackbehandlung der Innenwände betont.
Das Projekt für das Besucherzentrum nimmt Position zwischen historischer Rekonstruktion und frei erfundener Komposition und thematisiert das verschwundene Gebäude als unscharfe Memoria.


Konstruktion und Materialisierung

Für den Neubau des Schweizer Pavillons werden ökologische Materialien vorgeschlagen, die hinsichtlich Gewinnung, Transport und Verarbeitung eine hohe Gesundheits- und Umweltverträglichkeit sowie eine hohe Lebensdauer aufweisen.

Die Konstruktion wird durch die Reduzierung des Schichtenaufbaus konsequent vereinfacht.Die ursprüngliche Artikulation des Gebäudes spiegelt sich in der Wahl der Technologie wieder. Der Sockel wird monolithisch aus Dämmbeton ausgeführt, dieses Material vereinigt die Vorteile der massiven Bauweise mit den Zielen des nachhaltigen Bauens: hohe Behaglichkeit, geringe Energieaufwendung in der Herstellung und im Betrieb, sowie einfache und schnelle Konstruktion.

Schalungsmatrizen erzeugen ein leichtes Relief der Oberfläche, und zeichnen die ursprüngliche Fassadenstruktur im Beton nach. Eine weiß pigmentierte Lasur schützt den Beton.

Das Holzhaus ist ebenfalls ein „monolithischer“ Bau und bedient sich aus der Ressource der modernsten Holzbautechnologie.

Hochgedämmte, vorgefertigte Hohlkastenprofile aus Dreischichtplatten strukturieren das Gebäude. Wände, Decken und Dach sind mit einem ähnlichen Element gebaut (Fabr. Lignatur o glw.). Die fertigen, formstabilen Elemente werden vor Ort montiert bzw. nach dem Prinzip der Blockhäuser gestapelt. In dieser Bauweise wirken alle Elemente der Konstruktion an der Standfestigkeit des Hauses mit. Die Konstruktion ist sowohl rationell als auch präzise und benötigt keine zusätzlichen Verkleidungen. Die Struktur des Hauses ist auch sein Erscheinungsbild, innen wie außen.

Die Oberfläche der einzelnen Elemente wird im Werk mittels computergesteuerter Werkzeuge bearbeitet. Unterschiedliche Strukturen, von rau profiliert bis glatt fein geschliffen, werden nach der Vorgabe der ursprünglichen Fassadengestaltung in die Oberflächen eingeprägt. Hiermit entsteht eine Art Druckvorlage für die Zeichnung der Fassade. Licht und Zeit werden auf der weiß lasierten Oberfläche die ursprüngliche Grafik abbilden.


Energiekonzept

Viel Masse und der hohe Dämmwert der Außenbauteile ermöglichen eine einfache, nutzungskonforme Kontrolle des Gebäudeklimas ebenso wie die Minimierung der Wärmelasten in Sommer und der Wärmeverluste im Winter.

Grundsatz ist hierbei die Reduzierung des technischen Aufwands: Alle Räume werden natürlich belichtet und belüftet, die Beheizung erfolgt mittels einer schnell reagierenden Flächenheizung mit integriertem Thermoleitblech, der Aufwand für die Elektroinstallationen wird durch Integration in die Fertigteile auf das Notwendige beschränkt.

Durch den Einsatz moderner LED-Beleuchtungselemente und durch das Zusammenspiel von Glas, Sonnenschutz, Oberflächen, Tageslicht und tageslichtabhängiger Steuerung werden die Primärenergieverbrauche deutlich reduziert.
Gleichzeitig gewährleistet die diffusionsoffene, feuchtstabile Konstruktion gute hygroskopische Werte und hohe Behaglichkeit.
Eine kontrollierte Lüftung ist nicht vorgesehen. Höhere innere Lasten werden durch individuell steuerbare Umluftkühlgeräte/Kühlsegel abgeführt.
Ansicht von Schlossterrasse

Ansicht von Schlossterrasse

Innenansicht

Innenansicht

Nordseite

Nordseite

Fassadendetail

Fassadendetail