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Nichtoffener Wettbewerb | 03/2011

Mut zur Lücke 2010.2011, Eisleben

1. Preis / Petristraße12

Kirchner + Przyborowski Diplomingenieure Architekten BDA

Architektur

Erläuterungstext

STÄDTEBAU + GESTALT
Das Gebäude Petristraße 12 liegt in einer städtebaulich besonderen Situation.
Der Straßenraum verengt sich torartig und gleichzeitig verschwenkt die Petristraße zur Rammtorstraße.
Aus Richtung Rammtorstraße rückt das Gebäude ganz massiv in das Blickfeld der Ankommenden, es bildet den Auftakt der Petristraße und ist damit
von hoher stadträumlicher Bedeutung.
Dieser prägnanten städtebaulichen Situation muss die Neubebauung durch hohe Signifikanz und Zeichenhaftigkeit gerecht werden.
Die Hofsituation ist gekennzeichnet von dem Nord-Süd-orientierten langgestreckten Grundstückszuschnitt mit der an der östlichen Grenze gelegenen
Brandwand des Neubaus Petristraße 10.
Der vorliegende Entwurf geht von dem grundhaften Ansatz aus, die neu zu errichtende Baumasse in ihrer Struktur kleinteilig zu gliedern, die Maßstäblichkeit
der historischen Altstadt aufzunehmen und eine Bebauung mit ZWISCHENRAUM zu schaffen.
So werden drei Neubauten errichtet:
Der erste füllt die Baulücke direkt an der Petristraße aus. Der Baukörper orientiert sich in seiner Kubatur mit Geschossigkeit und Dachneigung am
historischen Vorbild.
Allerdings bildet er funktional bedingt eine sehr zurückhaltende, leicht eingezogene Sockelzone aus. Die historische Durchgangsfunktion zum Hof wird
durch ein seitliches Einrücken des Sockelgeschosses hergestellt.
Auf diesem Sockel liegt nun in einem skulpturalen Gestaltungsansatz der Hauptbaukörper mit den beiden Wohngeschossen.
Die Straßenfassade gibt sich relativ geschlossen mit wenigen spannungsvoll angeordneten Öffnungen und Erkern.
Die südliche Hoffassade mit den Hauptwohnräumen ist transparent und offen.
In seinem Hauptfassadenmaterial versucht der Entwurf, sich in den historischen Kontext einzufügen, gleichzeitig aber als zeitgenössisches Haus
wahrgenommen zu werden.
Die Fassaden sollten in einer bewegten Ziegelstruktur mit einer egalisierenden Schlämmverfugung ausgeführt werden. Man könnte so eine Sandsteinfarbigkeit
mit grauem Einschlag erreichen, die sehr zurückhaltend und mit einer angenehmen Patina von Anfang an daherkommt.
Für die Dachflächen sollten möglichst ebene Dachsteine mit einer ähnlich zurückhaltenden Farbmischung zum Einsatz kommen.
Im Hof werden zwei Neubauten errichtet.
Einer steht leicht abgerückt mit ZWISCHENRAUM vor der großen Brandwand. Mit Brücken sind die Wohnungen an die Erschließungszone der Petristraße
10 angebunden.
Dieser ZWISCHENRAUM dient der Belichtung und Belüftung von Bädern und Dielen der Wohnungen und ist gleichzeitig eine außergewöhnliche und
sehr besondere Außenraumsituation vor den Wohnungen.
Das zweite Hofgebäude ist ein Geschoß höher und hat fast eine turmartige Wirkung.
Das letzte Geschoß greift über den Gebäuderiegel der Petristraße 10 und verzahnt beide Gebäude miteinander.
Die städtebauliche Anmutung des Hofes ist geprägt von den einzelnen Baukörpern mit ZWISCHENRÄUMEN in historischer Maßstäblichkeit und
Dimension.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Lückenschließung Petristraße 12 und zwei präzise hinzu gesetzte Hofhäuser bilden drei
aufeinander bezogene Kubaturen, die sich sehr sensibel in die Altstadt der Lutherstadt Eisleben
einfügen und angenehm proportionierte Räume und Zwischenräume entstehen lassen. Jedes
Haus gewinnt seine eigene Adresse und einen eigenständigen Charakter. Die Einheitlichkeit der
Gestaltungsmittel bindet sie dennoch zu einer Einheit zusammen.
Außergewöhnlich ist die Idee, den Laubengang des langen Neubauriegels auf dem Grundstück
Petristraße 10 für die Erschließung der Hofhäuser auf dem Wettbewerbsgrundstück zu nutzen und
somit die beiden Funktionen, das Senioren-Wohnen auf dem Grundstück Petristraße 10 und das
Wohnen für jüngere Familien, miteinander zu verflechten. Dass sich das südlich gelegene Hofhaus
dabei auf den Gebäuderiegel Petristraße 10 aufschiebt und damit formal das Wettbewerbsgebiet überschreitet ist hier als Symbol für diese bewusste Verflechtung zu lesen – der Entwurf käme
ohne Abstriche auch ohne diese Überschreitung aus.
Die klar strukturierten Grundrisse sind sehr durchdacht, insbesondere im Hinblick auf die Anordnung
der Wohnräume, ihre Öffnung zur Sonne und die umgebenden Freiräumen bei möglichst
geringer nachbarlicher Störung. Während die Grundrisse, die Setzung der Baukörper, die Bildung
gut nutzbarer Freiräume in jeder Hinsicht überzeugen können, erscheint die Fassadengestaltung
etwas überinstrumentiert. Liegende und stehende Fensterformate sowie etwas aufdringlich hervorstechende
Erker machen die eleganten Baukörper unnötig unruhig. Etwas mehr Zurückhaltung
und Bezugnahme auf die schlichte Eigenart der umgebenden Bebauung wäre hier wohltuend und
wünschenswert und würde insbesondere zur Petristraße den Eindruck nehmen, man wolle mit
einem schlichten Wohngebäude im historischen Kontext unangemessen auftrumpfen.
Mit seiner rhythmischen Gliederung des Hofraumes, dem vielfältigen und gut nutzbaren Wohnungsangebot
und in seiner – trotz der Kritik – sensiblen Architektursprache stellt der Entwurf einen
sehr qualitätvollen Beitrag zum Thema Mut zur Lücke in der Lutherstadt Eisleben dar.
Stellungnahme der Denkmalpflege
Die städtebauliche Einbindung in die Struktur des historischen Stadtgrundrisses ist gut gelungen.
Durch die Anbindung an die Petrihöfe entfallen zusätzliche vertikale und horizontale Erschließungen,
was die Überbauung der Freiflächen reduzieren hilft. Positiv zu bewerten ist die Freistellung
der Rückseite des Bestandsgebäudes Nr. 11. Die Fassade zur Petristraße, die den point de vue
aus zwei Richtungen darstellt, bedarf aus denkmalpflegerischer Sicht einer Überarbeitung in Bezug
auf die Öffnungen, deren Lage, Form und Konstellation zueinander.