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Nichtoffener Wettbewerb | 06/2011

Erweiterungsbau für die Schillerbibliothek an der Müllerstraße in Berlin Wedding

Anerkennung

ENS - Eckert Negwer Suselbeek Architekten BDA

Architektur

Erläuterungstext

Körper und Raum
Die Städtebauliche Anlage der Nazarethkirche von Karl Friedrich Schinkel auf dem Leopoldplatz ist zweifellos einer der architektonischen Höhepunkte entlang der Müllerstrasse. Die halbwegs intakte Blockrandbebauung umstellt den Platz, auf dem die Kirche als Solitair, wohlproportioniert im Verhältnis zum Raum, den Platz gliedert. Auch wenn die Kirche ein starkes Vorne und Hinten aufzeigt, fliesst der Raum um die Kirche herum und der Platz behält auch im rückwertigen Bereich seine Qualitäten. (Die Probleme des Ortes, so stellen wir fest sind nicht in erster Linie architektonischer Art.)
Das es Bornemann mit der Rathauserweiterung auf der gegenüberliegenden Seite der Müllerstrasse nichts ebenbürtiges gelingt, ist nicht an erster Stelle der Architektur des Ensembles geschuldet. Im Gegenteil; die starke Architektur der Objekte, Rathausturm und vorgelagerter Pavillon, ist Bedingung, für das oben beschriebene Konzept. Die fehlenden Platzwände, die ungleiche Ausbildung der flankierenden Platzwände von Rathaus und Brandwand und nicht zuletzt die undefinierten Flächen auf dem Platz verhindern die erwünschte Wirkung. Der neuen Bebauung auf dem Platz kommt die Aufgabe zu, diese Defizite zu beheben und eine neue Ordnung auf dem Platz zu schaffen.
Der neue Solitair der Schiller Bibliothek ergänzt das bestehende Ensemble und schafft mit seiner klaren Kontur die Gliederung des Platzes in folgende Räume: Die Stärkung des Strassenraumes der Müllerstrasse, der Rathausvorplatz verkleinert sich und das Rathaus bekommt ein Gegenüber. Der Grünraum entlang der Brandwand wird gefasst durch die Fassade der Bibliothek. Der Solitaircharakter des Neubaues setzt voraus, das die Räume einerseits klar definiert werden und andererseits das Fliessen der Räume und die Durchwegung gewährleistet sind.
Eine zusätzliche Wirkung, die Doppelplatzanlage betreffend, sei hier noch erwähnt. Die Position des Baukörpers auf der Nordöstliche, den Leopoldplatz zugewandte Ecke des Platzes steigert die Wirkung des Doppelplatzes, indem die Sichtbeziehung vomn Platz zu Platz, durch die neue Bibliothek mal verstellt mal Durchblicke erlaubt, abhängig vom Standpunkt der Betrachter. Aufgrund der „Scharnierwirkung“ des neuen Baukörpers entstehen spannende Raumabfolgen und beidee Plätze werden in ihrer Grundform gestärkt.

Tisch und Stuhl - der Portikus
„ Denn wenn der Staat, nach einem Grundsatze der Philosophen, ein großes Haus ist, und ein Haus wiederum ein kleiner Staat ist, warum sollte man da nicht die Glieder dieser selbst als kleine Wohnungen bezeichnen? Wie z.b. das Atrium, den offenen Säulengang, das Speisezimmer, die Portikus und dergleichen...Und wie man in der Stadt das Forum und die Plätze, so wird man im Hause das Atrium, den Saal und Räume dieser Art haben....“
Der in die Auslobung zum Wettbewerb geäußerte Wunsch, nach einer Bibliothek als „Wohnzimmer der Stadt“ bezieht sich auf die Innenräume der Bibliothek. Albertis Zitat lehrt uns die Innenräume eines Hauses mit den Platzräumen der Stadt zu vergleichen. Unser Entwurf für die Schillerbibliothek geht einen Schritt weiter. Das Haus steht als "Portikus" auf dem Platz und die bergenden Aussenräume unter dem großen Dach erzeugen somit die gewünschte „Wohnzimmerqualität“. Der Portikus, die „gestaltete Vorhalle als punktueller Bauteil“ dient der Bibliothek als Vorhalle. Die dekorierten Fassaden unter dem Dach, die einladende Bank entlang der „Wohnzimmerwände“, die Eingangstüren der Bibliothek, die Innenecken der Figur, all das trägt dazu bei, diese räumliche Umkehrung von Aussenraum zu Innenraum zu erzeugen. Befinden wir uns unter dem Dach der Bibliothek, haben wir die Räume der Bibliothek bereits betreten.
Historisch betrachtet verband der Portikus unterschiedliche Funktionen miteinander. Als wettergeschützter Laufgang konnten sie öffentliche Plätze oder Strassen säumen und wurden bei entsprechender Tiefe für gewerbliche Zwecke genutzt.

Dach und Haus - Mittelpunktbibliothek und Bezirkszentralbibliothek
Die große numerische Differenz der Flächen des ersten und zweiten Bauabschnittes der Bibliothek, und die Ungewissheit darüber welcher baulich funktionale Zustand der letzte sein wird, bedingen ein starkes Konzept. Beide Varianten, die konkrete momentane der Mittelpunktbibliothek und die großzügige zukünftige der Bezirkszentralbibliothek sollen darin Platz haben.
Als Mittelpunktbibliothek zeigt sich die Figur als offene Halle: Das große Dach beherbergt die reinen Bibliotheksflächen. Die größtmögliche zusammenhängende Fläche erlaubt jede Bespielung des Raumes, der wie eine Landschaft horizontal gestreckt, eine hohe Transparenz gewährleistet. Der Oberlichtsaal, mit kleinen Fenstern den Arbeits- und Leseplätzen zugeordnet und gerichteten Blicken in die Stadt öffnend, schafft eine konzentrierte Atmosphäre, den Bibliotheksräumen und dem Arbeiten darin angemessen. Der Saal wird über zwei Rolltreppen im kreuzförmigen Fuss erreicht, der sämtliche dienenden Räume und Funktionen der Erschliessung und Technik beinhaltet.
Das Kreuz schafft 4 Aussenräume, die jeweils anders besetzt werden. Der denkmalgeschützte Glaspavilion steht gleich einer Vitrine im dem Hochhaus zugewandten "Zimmer". Der Pavillon beherbergt den Veranstaltungssaal, der mittels der Erschliessung im Fuss angebunden wird. Der dem Rathausplatz zugewandte Raum fungiert als Vorhalle zur Bibliothek mit dem Haupteingang des Hauses. Zur Müllerstraße hin steht der eingeschossige Gastronomiebetrieb, halb geschützt oder überdeckt vom Dach der Bibliothek und das letzte Raumviertel ist als Hofraum ausgebildet, an dem die im Untergeschoß liegenden Verwaltungsräume ihren Platz finden.

Im zweiten Bauabschnitt werden die Raum unter dem Dach, mit Ausnahme des Quadranten mit dem Veranstaltungssaal unterbaut. Die Aussenräume werden zu Innenräumen. Drei zusätzliche Geschosse erweitern die Bibliothek, von der Mittelpunktbibliothek zur Bezirkszentralbibliothek. Es werden Decken eingezogenund eine gläserne Haut, die den Körper umspannt, gewährleistet den Blick in die entstehenden Innenräume. Als Kontrast zur entstehenden gläsernen Hülle bleibt der Oberlichtsaal im Dach erhalten.

Konstruktion und Material
Die bauliche Figur, aus Fuß und Dach eine Einheit bildend, wird gehalten von einer Stahlkonstruktion . Geschosshohe Vierendeel Träger im Dach des Hauses umspannen den Oberlichtsaal und erlauben die große Auskragung. Die vertikale Stahlkonstruktion des kreuzförmigen Fusses des Hauses leitet die Kräfte nach unten ab. Als Fassadenmaterial sind beschichtete Stahlpaneele vorgesehen, im Sockel geschlossen ausgebildet, darüber, im oberen Teil des Kreuzes, sind die Paneele vor eine Verglasung angebracht. Die sich wiederholenden floral ornamental geformten Öffnungen der Stahlhaut, in moderner Lasertechnik in die Paneele geschnitten, erwirken im Inneren eine transparente Wirkung, ohne einen direkten Einblick in die dahinterliegenden Innenräume zu erlauben. Von Aussen kommt das Ornament zur Geltung und verkleidet, wie eine Tapete, die 4 „Innenräumen“ des Kreuzes. Der Sockel ist wiederum geschlossen ausgebildet. Im zweiten Bauabschnitt, werden die 3 Quadranten mittels ein Stahl-Glasfassade als Pfosten-Riegel-Konstruktion geschlossen. Das Erdgeschoss hat eine Oberfläche aus Natursteinplatten, die den öffentlichen Charakter des Baues unterstreichen und den Platzraum unterm Dach erweitern. Die Zwischengeschosse sind mit Linoleum ausgestattet und der Saal erhält einen Parkettfussboden.

Barrierefreies Bauen
Obgleich die Haupträume der Bibliothek im obersten Stockwerk liegen, sind alle Ebenen und Räume behindertengerecht erschlossen. Eine zusätzliche Erschliessung mittels Rolltreppe erhöht die Öffentlichkeit der Bibliotheksräume und ermöglicht die direkte Anbindung des Dachgeschosses. Die 4 Stellplätze für mobilitätseingeschränkte Personen werden südlich, direkt hinter dem Haus untergebracht, erreichbar von der Genter Strasse.


Wirtschaftlichkeit - Nachhaltigkeit - Energieeffizienz
Im zweiten Bauabschnitt, in der Erweiterung der Mittelpunktbibliothek zur Bezirkszentralbibliothek, kommt das wirtschaftliche Konzept des Baues zum tragen. Nur zwei der insgesamt sechs umschliessende Wände der neuen Räumen müssen hergestellt werden. Die Erschliessung und die anderen vier Wände sind vorhanden und reduzieren wesentlich den zu umbauenden Raum. Eine äusserst kompakte Grundrissorganisation im ersten (Lesesaal) und zweiten Bauabschnitt und die damit verbundene kompakte äussere Form des entstehenden Bauwerkes bilden die Grundvoraussetzung der Wirtschaftliche Anlage. Alle Räume werden natürlich be- und entlüftet. Die technische Gebäudeausrüstung wird auf ein Minimum reduziert. Die kompakte bauliche Form lässt einen geringen Energiebedarf prognostizieren. Klimatische Zonierung der Nutzungsbereiche (Lesesaal und Erschliessung). Die Ausbildung von grosse zusammenhängende Geschossflächen erlauben eine hohe Flexibilität in der Nützung - grosser Lesesaal, durch Raumteiler zu differenzieren. Gute akustische Raumeigenschaften werden über Absorbtionsflächen und deren Verteilung im Deckenbereich gewährleistet.