modgnikehtotsyek
ALLE WETTBEWERBSERGEBNISSE, AUSSCHREIBUNGEN UND JOBS Jetzt Newsletter abonnieren

Sonstiges Vergabeverfahren | 01/2011

Projektstudie zur Neugestaltung der Außenanlagen Bundesverfassungsgericht Karlsruhe

Eingang

Eingang

Gewinner

West 8 urban design & landscape architecture b.v.

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Spielraum und Struktur
In seinem Entwurf für das Bundesverfassungsgericht ist es Paul Baumgarten gelungen, komplementäre und scheinbar widersprüchliche Eigenschaften zu vereinen. Sprach er selbst bescheiden noch von der ‚sachlichen Würde’ des Verfassungsorgans, die er zum Ausdruck bringen wollte, gelang ihm vielmehr eine Architektur, die es schafft, Attribute wie Demokratische Transparenz, Zurückhaltung und Autorität in Einklang zu bringen. Von der städtebaulichen Grundstruktur bis hin zu Detail- und Materialwahl ist das Gebäude geprägt durch die Simultanität von struktureller Strenge und spielerischer Leichtigkeit.
Das Bundesverfassungsgericht richtet sich fügsam an den ihm zugewiesenen Achswinkel der radialen Stadtstruktur Karlsruhes aus. Jedoch schuf Paul Baumgarten, und dies sicherlich mit einem Augenzwinkern, einzelne programmatische Pavillonstrukturen, die er auf dem Gebiet horizontal und im Fall des Richtergebäudes auch vertikal zueinander versetzte. Dadurch ermöglichte er orthogonal zur Achse ein Durchfließen der angrenzenden Grünräume und minderte somit den zentralistischen Charakter der Umgebung.
Baumgartens Idee der ‚sachlichen Würde’ sowie das komplementäre Wesen seines Entwurfes bilden das Gerüst und den Leitfaden unserer Überlegungen für den Außenraum. Anschmiegsam, nicht anbiedernd, wenn es darum geht, die strukturellen und ideellen Überlegungen der Architektur in den Außenraum und somit in die Stadt fließen zu lassen, hier und da aber dennoch etwas trotzig in Bereichen, in denen sich die Anforderungen, wie zum Beispiel in der Nachhaltigkeit, an einen Außenraum seit den Sechziger Jahren geändert haben.
Elementar für eine schlüssige Gestaltung des Außenraumes ist zudem die Reduktion der gestalterischen Mittel und Materialien gegenüber dem gegenwärtigen Zustand, die sich in zwei Hauptbestandteile gliedern lässt.

Der Rasen
Hauptmerkmal des Entwurfes ist die fast vollflächige Einbettung des Gebäudekomplexes in einen Magerrasen. Das Bundesverfassungsgericht bekommt einen eigenständigen grünen ‚Sockel’, wodurch Vegetation und Architektur als Einheit wahrnehmbar werden. Die primäre Idee des Durchfließens des Grünraums wird durch eine sekundäre Struktur, der thematischen Reihung Schloßvorplatz – Magerrasen – Botanischer Garten – Schlosspark, ergänzt.
Die Tatsache, dass es sich bei dem Projektgebiet zwar um einen für Jedermann einsehbaren aber aus Sicherheitsgründen nur eingeschränkt betretbaren Raum handelt, verwandelt ihn in ein geschütztes Kleinbiotop mitten in der Stadt, in der sich die Gelegenheit ergibt, Magerrasen als botanisches Hauptelement vorzusehen. Magerrasen besticht durch seine Artenvielfalt und seine Nachhaltigkeit, zudem gilt er als ökologisch wertvoll, da er als Weide für Kleinfauna wie Schmetterlinge oder Bienen dient. Er hat eine geringe Wuchshöhe, verursacht geringe Pflegekosten und ist widerstandsfähig. Dem Spaziergänger sowie dem Mitarbeiter des Bundesverfassungsgerichts bietet sich ein vielfältiges und farbenreiches Bild. Es entsteht eine freundliche, positive Atmosphäre, eine Mannigfaltigkeit, die sich Dank Paul Baumgartens transparenter Architektur, diesmal in umgekehrter Richtung, bis in das Gebäude hinein ausbreitet.
Der vermeintlich schwierige Übergang hin zum Botanischen Garten wird durch die Topografie und die bereits vorhandenen Stützmauern im Bereich des Gerichtsgebäudes und durch fließende Übergänge auf subtile Art und Weise gelöst.

Der Platz
Die offene und lockere Grundstruktur der Architektur und die Permeabilität zu ihrer grünen Umgebung findet ihre Fortsetzung in der Ausformulierung des Eingangsbereiches. Statt harter Kanten umfließt ein zu den beiden Haupteingängen von Sitzungssaal und Richtergebäude dichter werdender Bodenbelag den Kernbereich des Bundesverfassungsgerichts. Das Ausfließen des Bodenbelages über den Kernbereich hinaus lässt auch von weiter weg und an ungünstig gelegenen Stellen erahnen, wo sich der Eingangsbereich befindet. Das streifenförmige Muster selbst spiegelt den wohl kommunikativsten Bereich des Gebäudes, den gläsernen Korridor, der das gesamte Gebäude von Innen erschließt, nach außen wider. Das rhythmisierte Raster der Fugen des Betonsteins, sowie die wie zufällig wirkenden unterschiedlichen Zwischenräume der Streifen basieren auf der Tragstruktur des Gerichtsgebäudes, dadurch wirken Platzgestaltung und Architektur wie aus einem Guss.
Als ein weiteres Material für den Belag wird Basaltpflaster verwendet, welches das Pflaster vom Sockel (Welle) des Sitzungssaalgebäudes aufgegreift und fortführt. Es verzahnt sich mit den großformatigen Betonsteinplatten, die zum Teil bis weit in den Grünraum hineinreichen. In Anspielung auf die wie Natursteinplatten wirkenden Fassadenelemente, die sich erst bei näherem Hinsehen als Panele aus Gussaluminium offenbaren, werden die Betonsteinplatten vor dem Abbinden mit Salzkristallen behandelt, die dem Beton stellenweise das Wasser entziehen und somit eine travertinartige Oberfläche erzeugen. Die Endsteine der Betonstreifen werden darüber hinaus mit einem Relief versehen, welches aus dem Gras hervorschaut und stilisiert den Ausschnitt eines Adlerflüges darstellt. Neben dem Sitzungssaal werden zudem auch die anderen Gebäudeteile mit einem schmalen Ring aus Basaltpflaster versehen. Sofern es möglich ist, soll das bereits auf dem Gelände verbaute Basaltpflaster wiederverwendet werden.

Zum Programm
Über vierzig Jahre hatte die Institution Bundesverfassungsgericht Zeit, sich in der Architektur Paul Baumgartens einzurichten. Lange genug, um die programmatischen Abläufe und Prozesse des Alltags zu optimieren, anzupassen und zu ergänzen. Die Art und Weise, wie der Außenraum derzeit programmatisch genutzt wird, in Frage zu stellen und zu verändern, wäre aus unserer Sicht problematisch und wurde daher nicht in Betracht gezogen. Nahezu alle Funktionen finden sich in unserem Entwurf an den Stellen wieder, wo sie sich heute befinden, seien es die zusätzlichen Stellplätze auf dem Vorplatz oder die Fahrradstellplätze unter dem Richtergebäude. Vielmehr geht es darum, die Narben zu heilen und die Provisorien zu beheben, die zurückliegende Anpassungsmaßnahmen zum Teil hinterlassen haben und der heutigen Nutzung, so wie sie ist, einen würdigen Rahmen zu verleihen.
Plan

Plan

Frühlingsanfang

Frühlingsanfang

Spätes Frühjahr

Spätes Frühjahr

Sommer

Sommer

Patio

Patio

Programm

Programm

Kontext Diagram

Kontext Diagram

Schnitt

Schnitt

Endstücke Betonstreifen

Endstücke Betonstreifen

Pflasterdetail

Pflasterdetail