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Mehrfachbeauftragung | 06/2011

Mehrfachbeauftragung Boulevard Kaisering

2. Rang

AB Stadtverkehr GbR

Verkehrsplanung

club L94

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

HISTORIE
Das prägnante Bild der Stadt Mannheim entstand nach Entwürfen des Festungsbaumeisters Barthel Jansen am Reißbrett im Jahr 1606. Er entwarf eine klare Rasterstruktur mit zentralen achsialen Bezügen auf das Mannheimer Schloss und die Kurpfalzbrücke (Kurpfalzachse). Später kam die Planken als zweite zentrale Achse mit Bezug zum Wasserturm hinzu (heute Fußgängerzone). Ursprünglich bildete ein grüner Ring mit Gärten zur Nahversorgung und dem Schlosspark ein Pendant zur dichten, urbanen Rasterstruktur der Stadt. Parallel zum Grünen Ring entwickelte sich eine Ringstraße um die Stadt. Nach dem Neubau des Hauptbahnhofs 1876 wurde dieser Ausgangspunkt des Kaiserrings als Teil der Mannheimer Ringstraße. Der Kaiserring wurde als grüner Boulevard wie ein Schmuckplatz zum flanieren angelegt. Zwei doppelreihige Alleen, Rasenflächen und Blumenbeete bezogen sich auf den Eingang des Hauptbahnhofes und dessen vorgelagerten Brunnen auf dem Bahnhofsvorplatz. Im Laufe der Jahre verdrängte der zunehmende Kraftfahrzeugverkehr den grünen Boulevard und damit auch die Aufenthaltsqualität des Kaiserrings.

BESTANDSSITUATION
Derzeit bildet der Kaiserring als Teil des Mannheimer Rings eine der Haupterschliessungstraßen der Stadt. Der Ring „versorgt“ die Stadt als eine Verkehrshauptschlagader und darf seine Leistungsfähigkeit nicht verlieren. Zentraler Bestandteil des öffentlichen Nahverkehrs der Stadt ist die Straßenbahn, die in Mittellage des Kaiserrings geführt wird. Der Querschnitt des Kaiserrings beinhaltet beidseitige Fußwege (deren Funktion durch diverse Einbauten wie Straßenbahnmasten, Leuchten, Bäume, usw. eingeschränkt ist), beidseitigen Kurzparkstreifen, vier Fahrstreifen, mehreren Abbiegespuren und den zentralen Straßenbahnbereich. Querungsmöglichkeiten des Kaiserrings sind rar, ein unterirdischer Fußgängertunnel aus den 70er Jahren (Grotte) erfüllt lediglich funktionale Ansprüche und weißt keinerlei Qualitäten auf.
Es ist kein einheitliches Ausstattungs,- Material,- oder Farbkonzept auf dem Kaiserring erkennbar. Mehrere Lindenreihen können das Grundgerüst für ein Vegetationskonzept bilden; in Teilbereichen ist ein Rasengleis vorhanden.
Der Tattersall ist in den vergangenen Jahren zu einem Straßenbahnknotenpunkt geworden. Durch die raumgreifenden Einbauten der Straßenbahn, beidseitigen Fahrspuren und Längsparkplätzen ist der ursprüngliche Platzcharakter des Tattersall verloren gegangen. Er ist mit Verkehrsfunktionen überlastet und mit Einbauten überfüllt.

KONZEPT
Das Motiv des grünen Boulevards aus dem 19. Jahrhundert wird aufgegriffen, neu interpretiert und mit zeitgemäßen landschaftsarchitektonischen sowie verkehrsplanerischen Mitteln umgesetzt. Der Kaiserring wird unter Beibehaltung seiner Leistungsfähigkeit in einen grünen Boulevard verwandelt, in dem ein Nebeneinander von Kraftfahrzeugverkehr und Aufenthalts- bzw. Flanierqualität entsteht.
Zentrale Bestandteile des Konzeptes sind:
- die Bildung einer Platzabfolge aus steinernen und grünen Plätzen (Bahnhofsvorplatz –
Friedrichsplatz)
- das Rasengleis als Neudefinition der ehemaligen Schmuckbeete des Boulevards,
- dynamisch verteilte Lindenbaumreihen in Anlehnung an die damaligen zweireihigen
Lindenalleen des Boulevards
- reduzierte Fahrstreifenquerschnitte
- der Entfall einiger Abbiegespuren
- die Neuordnung des Kurzparkstreifens und Kombination mit Abbiegespuren und
Anlieferzone
- die Ausbildung und Gestaltung eines attraktiven, breiten Fußgängerbereiches mit
begleitendem geordneten Ausstattungsband

ENTWURF
Verkehr Kaiserring
Der Kaiserring mit angrenzendem Bahnhof ist eine zentrale Verbindungsachse für den öffentlichen Verkehr. Zur Sicherstellung einer weiterhin anspruchsgerechten Abwicklung des Straßenbahnverkehrs bleiben die bisher zur Verfügung stehenden Flächen in vollem Umfang erhalten. Die Querschnittsgestaltung gewährleistet eine, auch für den Linienbusverkehr beeinträchtigungsarme und zügige Befahrbarkeit.
Die Planungen setzen voraus, dass sich die Verkehrsbelastungssituation im motorisierten Individualverkehr auf dem Kaiserring und im angrenzenden Netzgefüge in absehbarer Zeit nur unwesentlich verändern wird. Zur Sicherstellung einer leistungsstarken Verkehrsabwicklung wird die vorhandene Anzahl der Fahrstreifen daher weitestgehend beibehalten. Die Breite der Fahrstreifen liegt in den Streckenabschnitten für die Hauptströme bei 3,25 m / 3,00 m.
Die vorhandenen Rechtsabbiegestreifen werden teilweise beibehalten, in ihrer Länge aber reduziert. Die Beibehaltung dient in erster Linie dem Schutz des Fußverkehrs vor abbiegenden Fahrzeugen. Gleichzeitig ist so im Zuge des Kaiserrings ein homogener Ablauf mit Ausschöpfung der Kapazitäten an den lichtsignalgesteuerten Knoten gewährleistet.
In Fortführung der Planungen zum Friedrichsring und zum Friedrichsplatz soll der Radverkehr auf dem Kaiserring wie auch auf der Bismarckstraße sicher und komfortabel geführt werden. Mit der Führung auf Radfahrstreifen wird eine strikte Trennung vom Fußverkehr und eine Zuordnung zum Fahrverkehr angestrebt. Die Radfahrstreifen werden betont breit ausgeführt, um so den zukünftigen Anforderungen der elektrogestützten Nahverkehrsmobilität Rechnung zu tragen. Die Abgrenzung und Kenntlichmachung der Radfahrstreifen erfolgt durch Breitstrichmarkierung. Die Breitengebung von 2,50 m gewährleistet angemessene Sicherheitsräume zum Lade- und Lieferverkehr. Im Zufahrtsbereich des Kaiserrings zum Friedrichsplatz wird der Radverkehr in Hinführung auf die beengte Situation am Friedrichsplatz auf integrierten Schutzstreifen geführt.
Der in Kombination mit den Rechtsabbiegestreifen angelegte Streifen für den Lade-, Liefer- und Kurzzeitparkverkehr (Kurzzeitparkregelung) wird in einer Breite von 2,75 m ausgeführt, so dass angrenzende Nutzungen möglichst wenig eingeschränkt werden.
Breite Gehwege mit angegliederten Ausstattungsbändern sichern eine komfortable Begehbarkeit und stärken die Aufenthaltsqualitäten.
Die klar strukturierten und übersichtlichen Knotenpunkte gewährleisten eine sichere und effektive Verkehrsabwicklung. Breit dimensionierte Furten in Kopplung mit großzügig bemessenen Freigabezeiten (hierzu hinreichende Detektion der Kfz- und ggf. der Fußgängerströme) ermöglichen anspruchsgerechte Querungen und tragen zur Stärkung des Fußverkehrs bei.
Zur Realisierung einer ebenerdigen Querung im Zuge der Verbindungsachse Bahnhof / Kaiserring entfällt die Linksabbiegemöglichkeit von der Bismarckstraße in Richtung Bahnhof. Die Erreichbarkeit des Bahnhofs für den motorisierten Individualverkehr ist über die Wendefahrbahn auf dem Kaiserring und die P2-Zufahrt sichergestellt. In der Zufahrt Kaiserring / Bismarckstraße muss der Geradeausfahrstreifen mit dem rechten Linksabbiegestreifen zusammengelegt werden. Durch eine situationsangepasste verkehrsabhängige Steuerung mit hinreichenden Freigabezeiten kann sichergestellt werden, dass der Linienbusverkehr den Knoten zügig passieren kann.
Die Ablaufstrukturen am Knoten Kaiserring / Bismarkstraße können im Wesentlichen beibehalten werden. Es wird folgende Phaseneinteilung vorgeschlagen:
Phase 1: Geradeaus-/ Rechtsabbiegeströme der beiden Zufahrten der Bismarckstraße
Phase 2: Rechtsabbiegestrom vom Kaiserring in Richtung Bismarckstraße und Linksabbiegestrom von der Bismarckstraße in Richtung Kaiserring; Freigabe der neuen Fußgängerfurt über die Bismarckstraße
Phase 3:: Geradeaus-/ Rechtsabbiegestrom Ausfahrt Bahnhof (ohne zeitliche Richtungsdifferenzierung); Freigabe / Räumen der neuen Fußgängerfurt sowie der vorhandenen Fußgängerfurt über die Bismarckstraße; gleichzeitig Freigabe des vom Kaiserring in Richtung Bahnhof fahrenden Radverkehrs
Phase 4: Geradeaus-/Linksabbiegestrom der Zufahrt Bismarckstraße; Freigabe / Räumen der vorhandenen Fußgängerfurt über die Bismarckstraße; gleichzeitig Freigabe des vom Kaiserring in Richtung Bahnhof fahrenden Radverkehrs
Der Wegfall des Linksabbiegestreifens von der Bismarckstraße in Richtung Bahnhof schafft hinreichende Kapazitäten zur Einpassung der Fußgängerströme, dies auch bei kurzen Umlaufzeiten. Detaillierte Leistungsfähigkeitsnachweise erübrigen sich daher in der jetzigen Planungsphase.
In den Zufahrten Kaiserring (Knoten Bismarckstraße) und Kunststraße (Knoten Friedrichsplatz / Kaiserring) werden Rad- und Fußverkehr vom rechts abbiegenden Kraftfahrzeugverkehr zeitlich separiert. Unterstützend sollen hier in den Aufstellbereichen bauliche Trennelemente zur besseren räumlichen Separation des Kraftfahrzeug- und Radverkehrs nach niederländischem Vorbild zur Anwendung kommen.
Die Linienführung der Strassenbahngleise bleibt unangetastet bestehen.

Gestaltung Kaiserring
Durch die Neustrukturierung der Fahrspuren wird die Grundlage zur Umgestaltung und Qualitätsverbesserung des Kaiserrings geschaffen.
Ausgehend von der nicht veränderten Lage der Gleisanlagen wird das Motiv des Rasengleises in zentraler Lage des Kaiserrings fortgeführt und verleiht dem steinernen, funktional geprägten Kaiserring eine wohltuende grüne Achse, mit der historisch bedeutenden Ausrichtung auf den Hauptbahnhof. Neben den Gleisanlagen bilden die bestehenden Lindenreihen das Grundgerüst für das ergänzende Vegetationskonzept. Die Lindenreihen werden verdichtet, sodass sich dichte Baumlinien bilden, die für die Raumbildung und den neuen grünen Charakter des Kaiserboulevards maßgeblich sind. Durch die Wahl einer schmalkronigen Lindensorte (`Greenspire´) wird ein Baumabstand von ca. 8 m angestrebt, der eine dynamische Reihenbildung entstehen lässt. Die Stellung der Lindenreihen ist inspiriert von der Dynamik des Verkehrs und orientiert sich an den zur Verfügung stehenden Standorten im Bereich des Rasengleises sowie des Ausstattungsbandes.
Die Fahrpuren aus Asphalt bleiben erhalten und werden gegebenenfalls mit neuen Fahrspurbreiten markiert. Die Kurzeitparkplätze entfallen. In diesem Bereich wird ein neues Ausstattungsband eingeordnet. Es dient als ordnendes Instrument für alle notwendigen Ausstattungselemente im öffentlichen Raum. Es besteht aus großformatigen Betonplatten mit einer Breite von 1,50m im nördlichen Kaiserboulevard und 1,80m im südlichen Kaiserring. Die Bestandteile des Ausstattungsbandes wie Baumscheiben aus Beton, Mastleuchten, Papierkörbe und Fahrradständer aus Stahl sowie Bänke mit Holzauflage bilden eine klare räumliche Grenze zwischen Gehweg und Straßenraum. Die bestehenden raumgreifenden Straßenbahnmasten im Gehwegbereich werden zugunsten eines großzügigen Boulevards entfernt und durch neue Masten im Bereich des Rasengleises ersetzt.
Der Boulevard wird mit einem einheitlichen Betonplattenbelag aus drei Formaten (60x30, 60x40 und 60x50) in grau oder beigetönen deutlich aufgewertet und setzt sich dadurch von den üblichen städtischen Gehwegmaterialien ab.

Verkehr Tattersall
Im Bereich Tattersall beschränkt sich die Befahrbarkeit auf die Anliegerverkehre. Durchgangsverkehre werden nach Möglichkeit auf die Hauptverkehrsstraßen konzentriert. Die Seitenraumführung des Radverkehrs auf der Tattersallstraße (T30-Zone) entfällt. Rad- und Fußverkehr erhalten hier unter Beachtung der Bahnsteiglängen eine mittige Querungsstelle.

Gestaltung Tattersall
Primäre Maßnahme im Tatersall ist die Herausnahme des Individualverkehrs und des KFZ- Parkens. Dadurch entsteht ein neuer Platzraum, der von überflüssigen Einbauten wie z. B. Schutzzäunen befreit werden kann. Der bisherige Straßenraum wird mit dem einheitlichen Betonplattenmaterial des Kaiserboulevards belegt. Großzügige Flächen für Außengastronomie entstehen an den Rändern des Tattersalls. Im Zentrum des Platzes bildet eine Platzintarsie aus Natursteinplatten oder Natursteinpflaster die Bühne für die bedeutende Straßenbahnhaltestelle Tattersall mit dem historischen Wartehäuschen. Gleise, Mastleuchten, Bänke, eine Baumreihe aus geschnittenen Linden und ein weiteres Wartehäuschen bilden dynamische Reihen auf dem Platz. Die Haltestellenlänge von 60 m kann erreicht werden.


UMSETZUNG
Zur Umsetzung dieser Maßnahmen wird zunächst eine umfassende Bestandaufnahme benötigt. Danach muß in interdisziplinären Gesprächen der Bestand bewertet und auf den Prüfstand gestellt werden. Nach der Neustrukturierung der Fahrspuren und der „Entrümpelung“ des öffentlichen Raumes kann die Neuordnung erfolgen, die sich auf möglichst wenige Einbauten beschränken und einem einheitlichen Material- und Farbkonzept folgen sollte. Der Pflasterbelag kann durch mehrere Musterflächen beurteilt und festgelegt werden. Baumpflanzungen sind zentraler Bestandteil des Konzeptes und bilden das Rückgrat des grünen Kaiserboulevards. Diese sollten prioritäre Stellung in Abwägungsprozessen und Kostenbetrachtungen erhalten. Die Baumstandorte sind mit den uns bekannten Leitungstrassen abgestimmt, Konfliktpunkte mit der Straßenbahn sind noch abzustimmen. Zusammen mit den Verkehrsbetrieben kann ein einheitliches Konzept für die Strassenbahnmasten im Bereich des Rasengleises erstellt werden.
Es könnte eine Bauabschnittsbildung erfolgen. Dabei ist der Tattersall aus unserer Sicht ein überschaubares Initialprojekt, welches große Ausstrahlungskraft auf die weitere Umgestaltung des Kaiserrings haben könnte.