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Internationaler, landschaftsplanerischer Wettbewerb als einstufiger, zweiphasiger, anonymer Realisierungswettbewerb in Form eines offenen Verfahrens in der 1. Phase und mindestens 6 bis ca. 10 Teilnehmern in der 2. Phase | 11/2005

Internationale Gartenschau 2013 - Hamburg-Wilhelmsburg

5. Preis

Preisgeld: 16.000 EUR

LAND Germany

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext



„stream park“

Das Grundkonzept
Der Entwurf entwickelt sich aus den Spuren der Zeit, sie sind das Gedächtnis des Ortes und der Landschaft.
Die Wilhelmsburger Elbinsel ist ein Beispiel anthropogener wie auch natürlicher Überformungen im Zusammenspiel von Natur und Kultur. Das Urstromtal der Elbe mit seinen „Inseln der Insel“ hat in den letzten Jahrhunderten kontinuierlich die Landschaft geformt. Der Mensch und seine Geschichte haben sie kultiviert.
1962 ist ein Naturereignis, das die Elbinsel erneut formiert: Die Sturmflut „Vicinette“ hinterlässt ihre Spuren.
2013 ist mit der IGS einer neuer „Orkan“ angesagt, mit Kreativität sollen Barrieren überwunden, Brücken gebaut und ein innovativer Zeitensprung inszeniert werden.
Wilhelmsburg ist als Scharnier zwischen dem industriell geprägten Westen und dem landwirtschaftlich geprägten Osten der Elbinsel ein Ort besonderer Art. Hier können sich die Antipoden Natur/Kultur, die sich in den letzten Jahrhunderten in entgegengesetzten Richtungen entwickelt haben, erneut entspannen und positive, nachhaltige Impulse freisetzen.
Dabei spielt die Wiederentdeckung der Vielfalt und der geschichtlichen Facettierung die sich hinter dem „Horizont“ verbirgt eine entscheidende Rolle.

Die Leitidee
Auf der Spurensuche werden alte und neue Energiefelder aufgetan. „Gleichstrom“ und „Wechselstromkreisläufe“ werden gespeist, gesichert und geerdet. Eine neue Landschaft entsteht aus der eigenen Geschichte, in der sich naturräumliche Ursprünge und kulturhistorische Zeitzeugen im Einklang einer „natura artefatta“ neu sortieren.
Der infrastrukturellen Orientierung in Nord-Süd Richtung wird der Ost-West orientierte Urstrom gegenübergestellt, wodurch eine erste grobe Zonierung des Wettbewerbsgebietes entsteht.
Der Dialog der bestehenden Landschaftselemente mit bewusst gesetzten Implantaten und Bypässen speißt den Kreislauf einer neuen Landschaft, die sich mit dem „Werden“ und „Vergehen“ ihrer Elemente prozessual auseinandersetzt. Der so entstehende „Volkspark“ der dritten Generation will offen, demokratisch und symbolhaft ein Zeichen innovativer Stadtentwicklungspolitik, nach dem Motto „Freiraum schafft Stadtraum“, setzen.

Das Leitsystem
Im Norden bildet der große urbane Filter, die Wilhelmsburger Terrassen, den Auftakt zum urbanen Park und bietet den Besuchern einem ersten Blick über das Gelände der IGS. Hier finden Parkplätze, Info-Points, sonstige Infrastruktur- Einrichtungen sowie die Restauration Platz. Gemeinsam mit dem Hallenschaubereich und der Blumenschau formieren sie einen intensiv genutzten inneren Entreebereich von dem aus sich drei Ringe erschließen lassen.
Ein erster zentraler Ring erschließt das eigentliche Herz der IGS, Horizontaleroberung, weite Sichten und Fraktalisierung der natürlichen Elemente charakterisieren diesen Bereich.
Ein zweiter Ring öffnet sich gegen Süden und quert die thematischen Gartenschauflächen die sich sukzessive in eine neue Kleingartenlandschaft auflösen.
Der in der Peripherie angeordnete dritte Ring stellt eine unmittelbare Verbindung von den Wilhelmsburger Terrassen zum Landschaftspark im Süden her. Er dient gleichzeitig als Anlieferungs- und Sicherheitsweg.

Wasserflächen und „Deiche“
Das Wasser als immer wiederkehrendes Element bei der Entstehung des heutigen Erscheinungsbildes der Flussinsel wird auch zu einem zentralen Thema innerhalb des IGS- Geländes. Optisch anbindend an die bestehenden Stillgewässer Kuekenbrack und Mahlbusen wird der Kuckucksteich nach Nordwesten und Südosten zum See erweitert, als Wasserlandschaft und als „Herz“ der IGS. Die unterschiedliche Intensität der Gestaltung entlang der Ufer während der IGS- Nutzung wird in der Zeit der Nachnutzung durch den Rückbau der pflegeintensiven Bereiche „egalisiert“. Es entsteht ein urbaner See.
Das aus der kulturellen Nutzung entstandene Kanalnetz als lineare Wasserstruktur wird nicht nur erhalten, sondert fungiert, gemeinsam mit den Deichen, als „Schalter“ in der Landschaft. Die Schallschutzfunktion (Lautschalter) wird entlang der Wilhelmsburger Reichstrasse und der Bahngleise erfüllt. Ein weiterer Typ der Schaltung wird durch die Wege entlang der Deichkronen definiert (Wegeschalter).
Die Förderung der Wahrnehmung und das Wieder entdecken von Orten und Räumen findet hier ihren Höhepunkt.


Biotopsysteme und Vegetation
Mit der Entfernung zum Haupteingang und der zentralen Infrastruktur (innerer Ring) nimmt die Intensität der Nutzung ab. Urbane Biotope werden zunehmend durch landschaftliche Biotopstrukturen abgelöst, wobei Vorhandenes aufgegriffen und durch Neupflanzungen gestärkt und ergänzt wird.
Durch den stetigen und z.T. auch kleinräumigen Wechsel der Geländestrukturen und Exposition (Nord-Süd Böschungen der Deiche), der Lichtverhältnisse (Gehölzränder, offene Flächen) und anderer Lebensbedingungen wird die Grundlage dafür geschaffen, dass sich insbesondere im Verlauf der Nachnutzung großflächig stabile Biotope entwickeln können.

Blick über den Gartenzaun
Die weitgehende Erhaltung und Neugliederung des Kleingartenbestandes wurde planerisch vorausgesetzt, wobei auch die Integration eines Teils der Anlagen in das IGS-Gelände und deren „Erschließung“ über den mittleren Ring umgesetzt wurde. Durch den räumlichen Bezug zum Deichsystem wird der „Blick über den Gartenzaun“ abschnittsweise und aus der Distanz ermöglicht.
Horizonteroberung ist das Leitmotiv auf dem Weg zur neuen Landschaft, zur neuen sozialen Mitte und zu bereits vertrauten Räumen in denen der Park über die IGS hinaus nachhaltig Sensibilitäten zur Umwelt und Natur im Einklang mit den sozialen Strukturen vor Ort und den städtebaulichen Entwicklungszielen aufzubauen hat.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Verfasser stellen ein innovativ ambitioniertes Konzept vor, das eine Gartenschau mit dem brisanten Thema der „shared world“ (der geteilten Welt) in Deckung zu bringen versucht. Eine markante Nord-Süd-Orientierung wird vorgenommen. Ausgehend von der Wilhelmsburger Terrasse über die Abfolge der Spielplätze mit dem Zentrum für Sport und Freizeit, den Landschaftspark am Wasser, der Zone der Kleingärten und dem Landschaftspark.
Erklärtes Ziel ist es, den Horizont – wieder – zu erobern, also freien Blick zu schaffen. Das wird vor allem über die Anlage von Plateaus und Dämmen erreicht, die das Areal durchziehen. Sie bieten den geforderten Lärmschutz und Ausblicke von erhöhten Orten. Dabei wird dann allerdings auch übertrieben, wenn z.B. Einblicke in an sich intim gedachte Kleingärten vorgesehen werden.
Stark didaktisch geprägt zeigt sich das Herzstück der Anlage, die interkulturellen Gärten. Der sog. Weltenboulevard bietet Anblicke von Landschaftsausschnitten der Tropen, Subtropen, des arktischen und des mediterranen Gebietes, des kontinentalen Raums wie der Tundra, Taiga und der Pole. Damit können diese interkulturellen Gärten eine starke Geste der Beheimatung für Wilhelmsburger mit fremdem Abstammungshintergrund bieten.
Im Rahmen der IGS werden unterschiedlich lange Rundgänge angeboten, wie sie in 1½ und bis zu 3½ Stunden zu bewältigen sind. Die Anzahl der Kleingärten wird nicht beibehalten und es gibt Vorschläge für die Überarbeitung einiger verbleibender Kleingärten.
Zwei sehr groß dimensionierte Hallen am Eingang, ein gewaltiges Parkdeck und aufwändige Ingenieurbauten führen zur massiven Budgetüberschreitung, die vermutlich auch durch Überplanungen keine wesentliche Budgetbezogene Kostenreduzierung erhoffen lassen.
Eine Jugendherberge im Eingangsbereich wird begrüßt.
Das eine städtebaulich motivierte Nachverdichtung im Sinne von weiterer Verbauung des Areals nicht angedacht wird, liegt vermutlich an der Grundhaltung des Teams zur Wettbewerbsaufgabe und zur Auslobung.
Abschließend betrachtet, präsentiert sich hier ein Projekt, das in seiner Komplexität und Ideenfülle besticht, an seiner Ambitioniertheit aber leidet.