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Nichtoffener Wettbewerb | 09/2011

Rudolphsplatz in Marburg

Stadteingang Marburg

Stadteingang Marburg

1. Preis

Ferdinand Heide Architekt

Architektur

TOPOS Stadtplanung Landschaftsplanung Stadtforschung

Stadtplanung / Städtebau

Erläuterungstext

Leitidee

Mit der Neugestaltung des Rudolphplatzes und der Sanierung der Weidenhäuser Brücke kann eine signifikante Neugestaltung des Stadteingangs einhergehen. Die historische Situation ist infolge der veränderten Verkehrssituation nicht durch eine „kritische Rekonstruktion“ wieder herstellbar, jedoch kann durch eine neue Platzge¬staltung in Kombination mit einem repräsentativen Neubau für die Stadtbücherei eine außergewöhnliche stadträumliche Qualität geschaffen werden. Die schönen kraftvollen Bestandsgebäude, die den Stadtraum begrenzen, der Zugang zur Oberstadt und das Lahnufer sind eine hervorragende Grundlage für die Stärkung und Akzentuierung der stadträumlichen Situation: Wir schlagen vor, einen Baukörper so neben dem stadtseitigen Brückenkopf zu platzieren, dass zusammen mit dem Mühlengebäude ein „Stadteingang“ entsteht, der nicht nur die Kante zwischen Stadt und Fluss thematisiert, sondern vor allem einen spannungsreichen Auftakt zur Stadtmitte darstellt.
Das „Brückenhaus“ findet als Eingangsbauwerk der Bücherei und als „Veranstaltungshaus“ eine ideale öffentliche Nutzung. Baulich ist es eine Einheit mit einem Sockelbau, der die Kante zwischen dem Lahnufer und dem Platzniveau bildet und der eine bauliche Klammer zum Gebäude der Volksbank herstellt. Das ohnehin schon imposante Gebäude wird in seiner Struktur dadurch gestärkt, dass an seiner südlichen Brandwand ein viergeschossiger Flügel angebaut wird, der das Volumen u-förmig ergänzt. Dieser Anbau nimmt auf fünf Geschossebenen die Sachliteratur und die Verwaltung der Bücherei auf, während in dem Sockel die publikumsträchtigen Bereiche Belletristik, Jugendliteratur, Zeitschriften und Medien untergebracht sind. Die besondere räumliche Qualität der Stadtbücherei liegt in ihrer offenen Gestaltung und den Blickbeziehungen zur Lahn, zur Weidenhäuser Brücke und gleichermaßen zurück zur Stadt über den verglasten „Oberlichtsaal“.
Die Neubauten – vor allem das Brückenhaus – spielen in einer zeitgemäßen Interpretation mit dem Archetyp des Hauses, das glücklicherweise die Stadt Marburg an vielen Stellen noch prägt: Steinerne schwere Sockel, auskragende Obergeschosse, schlanke vertikale Fassaden, hohe Schiefer gedeckte Dächer... sollen in einer zeitgemäßen Konstruktion, Fügung und Sprache interpretiert werden.

Freiflächenkonzept

Das Konzept zur Freiflächengestaltung ist gleichsam mit der Entscheidung entstanden, den Stadteingang durch den Neubau eines öffentlichen Gebäudes – der Stadtbücherei – zu realisieren. Es basiert auf der Idee, zur Stadt einen urbanen befestigten Platzraum zu schaffen und zur Lahn eine bauliche Kante, die ausgewogen zwischen Zäsur und Transparenz vermittelt: Für die Transparenz und den räumlichen Bezug zur Lahn ist die Freitreppe neben dem Brückengebäude genauso von Bedeutung wie die transparente Oberlicht-Glaskonstruktion des Büchereisockels. Stadtauswärts bleibt der Blick in die gegenüberliegenden Lahnberge nahezu unverbaut vorhanden. Für die räumliche Zäsur und die Definition des Platzraumes wiederum ist die Treppenanlage von Bedeutung, die den Bibliothekssockel auf der Platzfläche markiert und die den Höhenunterschied zur Eingangsebene des BiP in der Volksbank abbildet.
Die Platzgestaltung hat zunächst das Ziel, auf die unterschiedlichen Höhenlagen so zu reagieren, dass trotz Schrägen und Stufen eine Großzügigkeit entsteht. Um die Verkehrstrasse optisch „zurückzunehmen“, liegen die befestigen Platzflächen (von einer kleinen Bordsteinkante abgesehen) grundsätzlich niveaugleich mit allen Straßen. Dies ist nur möglich, weil wir die Straße „am Grün“ gradlinig, mit gleicher Steigung, über den Platz führen. Das bedeutet, dass die Platzfläche als ebene Fläche aber mit leichtem Gefälle von Nord nach Süd abfällt. Die Verschiebung der Straße „am Grün“, die Platzneigung sowie in die Platzfläche geschnittene Stufen bewirken, dass die angrenzenden Häuser einen selbstverständlichen niveaugleichen Platzanschluss erhalten. Eine Ausnahme bildet (abweichend von unserer Aussage bei der Zwischenvorstellung) das Gebäude der Volksbank. Hier wird auf der nördlichen Seite – mit Übergang zur Stadtterrasse auf der Bücherei – ein Eingangssockel auf dem Niveau des Erdgeschosses + 183,50 m ausgebildet. Diese Anbindung ist für das Haus unproblematisch, da sie unterhalb des Fassadensockels bleibt und da die Steigung der Straße „am Grün“ von + 180,60 m auf + 181,60 m auf der Westseite der Fassade aufgenommen werden kann.
Der Platz erhält in seiner Mitte zur Akzentuierung und zur Steigerung der Verweilqualität eine Gruppe von Bäumen. Bei Dunkelheit werden die Platzkanten, die Fassaden, die Eingänge von Brückenhaus und Volksbank sowie die Treppenanlage durch Licht hervorgehoben. Als Belag soll ein helles Natursteinpflaster zum Einsatz kommen, das als farbliche Ergänzung der Neubaufassaden und der Kanten und Stufen gesehen wird. Taktile Markierungen an allen Übergängen und Kanten sollen die Benutzung für Sehbehinderte erleichtern. Auf den Hauptverkehrsflächen neben den Fahrbahnen wird das Pflaster mit glatter Oberfläche und mit minimaler Fuge verlegt, um eine möglichst widerstandsfreie Rollfläche zu bieten.

Wegebeziehungen

Der nördlich der Weidenhäuser Brücke an der Lahn entlang führende Fuß- und Radweg findet südlich vor dem Bücherei-Neubau seine Fortsetzung und schwingt dann zur Straße „am Grün“ mit leichter Steigung nach oben. Der Weg ist befestigt und bindet auch nördlich der Brücke in Form einer Rampe und einer breiten Freitreppe an den öffentlichen Straßenraum an.

Architektur, räumliche Organisation, Umsetzung des Raumprogramms

Das Raumprogramm der Bücherei wird zunächst in Form von Zonierungen der einzelnen Nutzungsbereiche umgesetzt. Volksbank und ihre bauliche Ergänzung, das Brückenhaus und der Verbindungssockel bieten mit in Summe 5000 qm BGF und mit 3400 qm NF auskömmlich Potential, um sowohl die Stadtbücherei als auch das BiP aufnehmen zu können. In der baulichen Verbindung des Sockels und im Büchereianbau an die Volksbank sehen wir große Nutzungssynergien. So könnten z. B. die Büro- und Verwaltungsnutzungen baulich im Altbau zusammengefasst werden. Ferner kann der neue Eingangsbereich des BiP, der in Form einer neuen, großzügigen Eingangssituation die „Abrisswunde“ in der Fassade der Volksbank zum Platz schließt, auch eine zum Platz geöffnete Cafeteria aufnehmen, die auch über eine Treppe direkt an die Bücherei angebunden ist. Neuer Eingang und Cafeteria beleben den Platz und finden in der Stadtterrasse einen idealen Freibereich mit Blick auf die Lahn, von oben in die Bücherei und auf Schloss und Oberstadt.
Die Architektur des Büchereineubaus wird geprägt durch Fassaden aus einem hellen, Oberflächen rauen Kalkstein, der in einem schönen Kontrast steht zu den scharf in das massive Volumen geschnittenen Öffnungen. Dieser spannungsreiche Kontrast wird auch in dem Sockelbauwerk aufgebaut, wo auf einem massiven steinernen Sockel, der den Hochwasserschutz darstellt, die transparente filigrane Glaskonstruktion des Lesesaals aufgesetzt ist.

Bauabschnitte / Fazit

Trotz unseres Konzepts, an diesem für Marburg so wichtigen Ort nicht nur mit einer reinen Platzgestaltung, sondern auch mit einem Neubau ein Zeichen zu setzen, ist unsere Idee auch in Bauabschnitten umsetzbar: So könnte zunächst in einer ersten Ausbaustufe lediglich die Platzgestaltung bis zu der Kante erfolgen, die als Treppenanlage ohnehin die Zäsur zur Bücherei / Stadtterrasse darstellt. In dieser Ausbaustufe wäre die Rückwand zur Bücherei ein geschosshoher Übergang zum Lahnufer (um eine temporäre Treppe/Rampe zum Ufer ange¬reichert). Das flache Ufer wäre bei dieser Variante auch auf der Fläche der späteren Bücherei zunächst vollständig begrünt; die Mauer zum Platz würde den Hochwasserschutz bilden. In einer zweiten Ausbaustufe (oder bei Bedarf auch zeitgleich mit der Platzgestaltung) könnte man das Brückenhaus errichten. Auch ohne Bücherei wäre es ein kraftvoller Brückenkopf mit einer eigenständigen Nutzung des Veranstaltungsraums im OG und den dazugehörigen Nebenräumen im UG. Der dritte Bauabschnitt könnte dann die Bücherei sein, bestehend aus dem Sockelbauwerk und dem Volksbank-Anbau. Unabhängig von allen Maßnahmen könnte das BiP vorab in der Volksbank untergebracht werden.
Als Ziel muss aber weiterhin die grundsätzliche stadträumliche Veränderung angestrebt werden, die nur der Bücherei-Neubau ermöglichen würde. Hier liegt die einmalige Chance, mit einem öffentlichen Gebäude von herausagender architektonischer Qualität, einer neuen Platzgestaltung und der Brückensanierung richtungs weisenden Städtebau zu machen.
Stadteingang

Stadteingang

Rudolphsplatz

Rudolphsplatz

Plan1

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Plan2

Plan2

Plan3

Plan3

Plan4

Plan4