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Einladungswettbewerb | 10/2011

Hamburger Allee 50, Entwicklung eines mischgenutzten Quartiers

2. Preis

Dietrich | Untertrifaller Architekten ZT GmbH

Architektur

expressiv

Visualisierung

Erläuterungstext

Der Stadtteil List im Zentrum Hannovers ist geprägt durch seine charakteristische Blockrandbebauung.
Das Grundstück, welches sich zwischen Hamburger Allee und Bronsartstrasse aufspannt entspricht dieser ortstypischen Struktur des Quartiers. Die städtebauliche Neuordnung platziert sich ganz selbstverständlich im städtischen Gefüge und vermittelt,
durch unterschiedliche Nutzungsbausteine, zwischen den Ansprüchen eines Wohnquatiers und den Anforderungen einer städtischen Allee.

Städtebau
Der hochbauliche Kontext dominiert durch seine geschlossene Bauweise, welche im rückwertigen Innenhofbereich innerstädtische Rückzugsmöglichkeiten bietet. Diese Qualität wird durch die präzise gesetzten Baukörper herausgearbeitet. Im südlich orientierten Grundstücksbereich an der Hamburger Allee akzentuiert das neugeschaffene
Volumen den Straßenraum und erzeugt im Wechselspiel mit dem angrenzenden Bestand einen neuen Stadtraum. Durch das Zurückweichen vom Straßenraum und Abrücken von der angrenzenden Bebauung behauptet der Hochbau seine Sonderstellung an der Hamburger Allee. Aufgrund der Nutzungsunterschiede zwischen den bestehenden Wohnbauten und der Dienstleistungsund Gewerbefunktion des Neubaus, tritt dieser aus
dem Straßenzug zurück und markiert somit auch durch seine formale Präsenz im Stadtbild die Inhaltliche Differenzierung.
Maßstäblich passt sich die Volumetrie sowohl in der Geschossigkeit, als auch in der Längenentwicklung in das Quartier ein. Im rückwertigen Bereich verzahnt sich der Baukörper mit dem Außenraum des Innenhofes. Hierdurch wird eine differenzierte Gebäudeabwicklung erzeugt, welche dem Grad der städtebaulichen Körnung der Umgebung entspricht.
Zur Bronsartstraße im Norden wird der Straßenzug konsequent geschlossen. Die Hoffassade bindet durch die Verjüngung der Kubatur an den Bestand an. Der Rücksprung der Fassade schafft differenzierte Außenräume und schafft ein Wechselspiel mit der
Kammstruktur des Neubaus an der Hamburger Allee, sowie der umliegenden Gebäude.
Die Geschossigkeit orientiert sich an der angrenzenden Bebauung. Durch die Sondersituation der Baulücke mit angrenzenden Walmdächern bezieht sich die Traufhöhe
auf die Nachbarbebauung, während das Staffelgeschoss vom Gebäudeumriss zurückweicht und somit sensibel auf den Bestand reagiert.

Hotel und Büro
Formal werden die beiden Nutzungseinheiten für Dienstleistung und Gewerbeflächen in eine gemeinsame Figur eingeschrieben. Der differenzierte Baukörper behauptet sich mit seiner homogenen Fassadenstruktur an der Hauptverkehrsstrasse und sitzt zugleich
repräsentativ im Stadtraum. Im östlichen Grundstücksbereich bildet das Hotel durch seine Höhenentwicklung von sechs Vollgeschossen den vertikalen Akzent.
Durch das Zurückspringen der oberen zwei Vollgeschosse im Hotelbereich nimmt sich der
Baukörper respektvoll gegenüber dem Bestand zurück. Aus der Fußgängerperspektive ergibt sich somit eine dramaturgische Entwicklung der Höhe, welche mit der Traufhöhe des Bürobaus Bezug auf die Nachbarbebauung nimmt. Das Hotelfoyer bindet von der Allee zum Innenhof hin durch und orientiert sich ebenfalls nach Osten. Somit wird der Kopfbau vom Straßenniveau angehoben und markiert eindeutig die Zugangssituation des Hotels. Der Bürobau schließt direkt an das Hotel an. Eine symmetrisch bestimmte, ruhige Fassade bindet beide Nutzungseinheiten zusammen. Erdgeschossig öffnen sich die gewerblichen Flächen hin zum Straßenraum. Sie bieten eine optimale Zugänglichkeit für die Büronutzung und ermöglichen ein fußläufiges Flanieren entlang der Hamburger Allee. Somit wird der neu vorgeschaltete, öffentliche Stadtraum mit der Erdgeschossnutzung verwoben und führt sowohl Besucher wie auch Büronutzer ganz selbstverständlich in das Gebäude hinein. Der zentral gelegene Empfangsbereich verknüpft vertikal alle Geschosse. Ihm angelagert sind die Nebennutzungen wie Archiv, Sanitärbereich und Teeküche.
Hierdurch bildet der Empfangsbereich immer den Mittelpunkt der eingehenden als auch internen Personenfrequenz, was eine Optimierung der Verkehrsflächen, Technikflächen und natürlich belichteten Flächen zur Folge hat. Durch die zentrale Positionierung im Grundriss wird zugleich eine sehr effiziente Mietflächen-Variabilität geschaffen. Die notwendigen technischen Aufbauten sind in die Bauwerkskubatur integriert und sitzen jeweils auf der Hotel- und Büronutzung verteilt. Sie weichen jeweils von den Attikakante zurück und sind durch Ihre geringe Aufbauhöhe nicht vom Straßenraum einsehbar. Die Fassadenkonzeption für Hotel und Büro-Nutzung erzeugt eine homogene Flucht an der Hamburger Allee. Bewusst werden beide Nutzungen in einen „Mantel“ gehüllt und schaffen somit eine zusätzliche Ruhe im Straßenbild. Durch die übereinanderliegenden Fenster wird ein eindeutig bestimmtes statisches System geschaffen. Dies führt zu einer optimalen Möblierung der Hotelräume sowie einem hohen Grad an Nutzungsvariabilität im
Bürobereich. Das Spiel in der Fassade wird durch eine wechselnde Anordnung von Leibungsfaschen der Fenster generiert. Zum Einen wird durch deren geschossweisen Wechsel die Fassade scheinbar in Bewegung versetzt, zum Anderen wird durch den seitlich schräg zulaufenden Laibungseinschnitt der Fenster ein haptisches Spiel der
Oberfläche erzeugt, welches durch die Differenzierung der Farbigkeit den Neubau zusätzlich Tiefe verleiht. Ingesamt erfährt die Baumasse durch die Wechselwirkung
von Kubatur, Fassade und Sockelausbildung eine Leichtigkeit, welche den Maßstab des Neubaus immer wieder bricht.

Wohnbau
Mit einer klassischen 2-Spänner-Erschließung organisieren sich die Wohneinheiten um ein zentrales Treppenhaus herum. Die Wohnungen binden jeweils komplett durch den Baukörper hindurch. Zum südlich gelegenen Innenhof hin öffnet sich die Fassade grosszügig. Vorgelagert befindet sich der Terrassenbereich, welcher als konstruktiver Sonnenschutz ausgebildet ist. Zur gering frequentierten Bronsartstrasse hin orientieren
sich nach Norden die Privatbereiche. Durch eine zentrale Ankommens-Zone wird der Privatbereich optimal vom Wohnbereich getrennt. Optional kann die Wohnungstypologie auch mit komplett durchbindenden Wohnbereichen organisiert werden. Die gebäudetechnische Infrastruktur wird zentral über den Sanitär-/Küchenbereich entlang der tragenden Wände geführt. Somit ergeben sich kompakte Wohngrundrisse, welche über eine hervorragende natürliche Belichtung sowie natürlichen Luftwechsel verfügen.
Das Staffelgeschoss wird über das zentrale Treppenhaus erschlossen. Die beiden großzügigen Wohneinheiten sind mit einem durchgesteckten Wohnraum organisiert
oder optional mit innenliegender Nebenraumzone umsetzbar. Südlich ist dem Staffelgeschoss eine komfortable Dachterrasse vorgelagert, welche sich zum
Hofgarten hin orientiert. Die Nordfassade der Bronsartstrasse orientiert sich am
Öffnungsanteil und Format der umliegenden Bebauung. Der homogene Kontext weist zu weiten Teilen klassische Lochfassaden auf. Dieses Thema wird aufgegriffen und durch einen rhythmischen Wechsel der Fensteröffnungen adaptiert. Die Laibungsöffnungen sind farblich abgesetzt und verwenden das Motiv der schräg eingeschnittenen Fensterfasche. Die systematisch gesetzten Akzente verleihen der Fassade ein formales Ornament, welches den Identifikationscharakter des Wohnbaus prägt. Die Südfassade verfügt neben den vorgelagerten Terrassen als konstruktiven Sonnenschutz zusätzlich über Fassadenpanele, welche den Bewohnern ihre Privatheit hin zum Innenhof sichern.

Freiraum
Die Kontrastierung zwischen Stadtraum an der Allee und privatem Rückzugsbereich im Innenhof prägt das Freiraumkonzept. Der neu entstandene Stadtraum vor dem Hotel/
Büro-Gebäude bindet durch einen großformatigen Pflasterbelag in den davor liegenden Straßenraum der Hamburger Allee ein.
Wie auf einem massiven Tableau fasst es Zufahrt, Abfahrt, Entree der Nutzungseinheiten Büro / Hotel und Vorfahrt zusammen. Eine Zäsur wird durch einen eingelegten Grünstreifen erreicht, welcher die funktionale Trennung von Büro und Hotel aufzeigt. Als Pendant zur Alleebepflanzung ist auch hier Laubwerk gestellt, welches im Zusammenspiel mit den Bäumen der Straße den öffentlichen Gehbereich säumt. Präzise an der Gebäudekante wird ein Materialwechsel vollzogen, welcher den Übergang zwischen Stadtraum und Innenhofbereich spürbar macht. Als wassergebundene Decke wird der Fahrbereich mit dem begleitenden Abstandsgrün aufgenommen. Unbewusst
wechselt man vom schnellen Stadtleben in den ruhigen Innenhof, in welchem der vorhandene Aufwuchs als natürlicher Paravant zur Nachbarbebauung gezielt nachverdichtet ist. Zur Sicherung der Stellplatzanforderungen wird die Parkreihe beidseitig durchgeführt. Dies erzeugt eine großzügig Grünfläche zu den angrenzenden
Grundstücken. Der Hofgarten der Wohnbebauung ist um wenige Stufen hochgelegt. Hierduch wird die Trennung zwischen privatem Rückzugsbereich und Innenhof aufgezeigt. Das Gartenniveau bindet ganz natürlich an die Hof-Terrassen des Wohnbaus an. Der Niveauunterschied ermöglicht eine optimale Bepflanzung mit Laub- und Nadelbäumen, welche in lockerer Anordnung vor ungwünschten Einblicken schützt und zugleich einen natürlichen Sonnenschutz der Südfassade des Wohnbaus bildet.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit entwickelt mit einfachen Stilmitteln eine moderne und zeitgemäße Qualität. Sie hält sich nahezu vollständig an die städtebaulichen Vorgaben und entwickelt zum rückwärtigen Bereich des Bürogebäudes eine interessante Alternative. Dieses kommt dem Grünbereich sowie der Abstandssituation im Innenhof zugute.
Das architektonische Thema der Lochfassade der umgebenden Bebauung wird für alle drei Nutzungsbereiche übernommen, jedoch jeweils individuell bei homogener Gesamterscheinung interpretiert.
Kritisch wird die gläserne Auflösung der erdgeschossigen Eckbereiche gesehen. Hiermit wird eine nicht gewünschte Sichtachse zu den unattraktiven Giebeln der Nachbarn geschaffen. Die innere Organisation von Büro und Hotel erfüllen vollumfänglich die Vorgaben des Auslobers. Der Wohnungsbau bietet attraktive und mit Varianten unterlegte Grundrisse. Die Ausgestaltung eines Staffelgeschosses ohne giebelseitigen Anschluss an die Walmdächer wird sehr positiv bewertet. Kritisch hingegen wird die Nichtausnutzung der zulässigen Flächen im Staffelgeschoss gesehen.
Insgesamt ein gestalterisch mit einfachen Mitteln gut durchdachter und ökonomisch attraktiver Entwurf.