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Mehrfachbeauftragung | 10/2011

Mehrfachbeauftragung Schriesheim - Kircheninnenrenovierung und Begegnungszentrum

Teilnahme

ELEMENT A · Architekten BDA, Christian Taufenbach

Architektur

Erläuterungstext

Die wesentliche Frage, wenn die Neugestaltung einer Kirche gefunden werden soll, ist die nach der Sakralität des Raumes. Ist sie ausreichend vorhanden? Wie entsteht sie neu?

Zunächst ist das Sakrale keine Eigenschaft an sich. Ein Raum ist nicht sakral, weil ein entsprechendes Schild daran hängt, nicht einmal weil er eine Kirche sei, sondern weil und wenn es jemand so empfindet. Einem Raum das „Heilige“ einzupflanzen, muss also bei den Menschen beginnen, die ihn besuchen. Heidegger hat formuliert, dass der heilige Ort anders ist, „als der gewohnte Raum. Drei Dimensionen seien auf seine Funktionen hin angesprochen, er entrückt, er sammelt und er erregt.“

Damit ist der sakrale Raum dem durchschnittlichen Gebrauch ausdrücklich enthoben. Der Mensch brauche solche Orte, welche die Möglichkeit eröffnen, aus dem akustischen und optischen Lärm hinaustreten zu können, sagt Josef Pieper, „hinein in einen Raum, in welchem Schweigen herrscht und wirkliches Hören möglich wird.“ Nur so könne ihm ein wahrhaft menschliches Leben gelingen.


Gehen wir vom Bestand aus:

Zugänge:
Vorfeld und sichtbare Türen des Bauwerks verunklaren die „Adresse“ des Gotteshauses. Der barocke Haupteingang an der Südseite zeigt sich als Nebeneingang, das große Portal des Gemeindehauses scheint nicht das der Kirche zu sein, die frühere Zentralachse durch den Turm ist verstellt.
Die Zugangswege für Besucher benötigen klärende Themen, außen durch Bildung eines gefassten Kirchplatzes auf Straßenniveau mit gestärktem Südeingang, innen durch eine spürbare Abfolge der Funktionen.

Abfolge:
Zwischen dem liturgischen Zentrum der Kirche und der Begegnung im Alten Gemeindehaus spannt sich eine Achse konstituierender Gemeindefunktionen. Begegnung ist der Anfang jeder Gemeindebildung, Liturgie ihr Mittelpunkt. Inmitten der Gemeinde und doch auch im Kreuzungspunkt der Zugänge steht der Taufstein. Gespräch und Information haben großzügig Raum. Der Eingang des Kirchenraumes führt durch den massiven Turmfuß, der mit seiner Wucht den Übergang zwischen sakralem Raum und Begegnungszentrum markiert. Auch deswegen wird die Wand zum Saal durchlässig gestaltet.
Für bestimmte Anlässe wird ein Gebetsraum hinter dem Altarbereich hergerichtet.

Kirche:
In den drei Kategorien Heideggers sehen wir die größten Verbesserungen im Bereich des Sammelns. Wir meinen, dass die Hierarchie und Kraft der einzelnen Bauteile unausgewogen ist: die energiegeladene Dichte unter der Empore findet im heutigen Raum kein Ziel. Insbesondere stehen Altar und Verkündigung nicht im Zentrum sondern abseitig. Um der Sammlung der Besucher dienen zu können, sollte sich der Raum auf den Hauptort des Geschehens konzentrieren. Dafür muss er neu geordnet werden.

Durch kleineren Ersatz der Behagelschen Seitenemporen in einfacher, auskragender Form wird der Gesamtraum freier und ruhiger. Die schlichte und großzügige Proportion des Gebäudes fasst den lichten Raum, unterstützt durch einen Anstrich mit Sumpfkalk und einen hellen Boden aus weißlichem Terrazzo oder Museumsterrazzo (zB Barit). In diesen Raum wird eine neue Schicht eingefügt, die einerseits das liturgische Zentrum formuliert, andererseits die Emporen in das Geschehen einbezieht. Das goldschimmernde Bronzegewebe (Ringgeflecht Alphamesh 7 oder 12) bildet einen inneren Raum, quasi eine offene Schatzkammer des Gottesdienstes. Deren Durchlässigkeit wird unterstrichen durch hölzerne Bankreihen (zB Elsbeere, evtl. geräuchert) auf leichten Füßen. Wünschenswert wäre ein Ersatz der Antikglas-Fenster durch Mondscheiben (Budgetfrage).

Variabilität:
Der Kirchensaal wird grundsätzlich mit festen Bänken ausgestattet. Seitlich der Altarinsel werden Stühle eingesetzt, um für verschiedene Anlässe reagieren zu können. Der Behang hinter dem Altar könnte (zB für Zwecke der Kirchenmusik) je hälftig zur Seite gefahren werden. Unter der Orgelempore kann für große Gottesdienste zusätzlich bestuhlt werden. Es stehen im EG 352 Regelplätze zur Verfügung. Die Zusatzbestuhlung bietet 130 Plätze, die Empore nochmals 158 Sitzplätze (gesamt 640).

Begegnungszentrum:
Durch Einstellung von Möbeln für die gewünschten Funktionen wird in dem bisherigen Raum die Begegnung gefördert. Ein Dielenboden könnte weiß geseift aufgearbeitet werden. Toilettenanlagen können im UG hergerichtet werden, bei Einbau eines Aufzuges auch barrierefrei. Ohne Aufzug kann das barrierefreie WC im EG an dessen Stelle hergestellt werden.

Energie:
Erzeugung: Unser Konzept nutzt die Südausrichtung des Bauwerks. Die zweischalig hergestellten Fenster der Südseite sammeln ganzjährig Wärmeenergie. Auf den Pergolen werden Solarkollektoren eingebaut, ggf. auch als sichtbare und durchleuchtende Vakuumröhren. Ergänzend wird ein Gaskessel vorgehalten, auf den bisherigen Heizraum der Kirche kann verzichtet werden.
Speicherung: Das Fundament des Turmes wird innen ausgeschachtet, um nach Einbau von Leitungsschleifen und Wiederverfüllen als Wärmespeicher sommerlicher Erträge zu dienen.
Verteilung: Eine Wandtemperierung schafft in Kirche und ggf. auch im Gemeindehaus eine hohe Behaglichkeit. Sie ist energieeffizienter als eine Luftheizung, bei erheblich niedrigeren Investitionskosten und verlängert unerlässliche Renovierungszyklen.

Beleuchtung:
Mit einem dreistufigen Konzept von Leuchten werden sehr unterschiedliche Lichtszenarien ermöglicht. Die Raumschale kann stark aufgehellt werden, um die Größe und Weite des Raums zu betonen. Andererseits kann das Gewebe durch streiflichtbetonte Washer zum Leuchten und Glänzen gebracht werden. Drittens werden Strahler die Lesehelligkeit in den Bänken gewährleisten. Die gedimmten Teilbereiche können einzeln oder gemeinsam geschaltet werden, gesteuert über eine Szenenauswahl (Dali- oder BUS-Steuerung).

„Der Mensch, der eine Kirche betritt, will zur Ruhe kommen können. Seine Stimmungen sollen ausschwingen und dann zunächst von der Atmosphäre des Raums aufgefangen werden. Der Besucher sucht zunächst sich selbst, dann seinen Gott und dann vielleicht eine Botschaft. Die Erweckung der eigenen Erfahrung ist die Voraussetzung für jegliches Tasten und Ringen über sich hinaus.“ (P. Mennekes)
innerer Sakralraum

innerer Sakralraum

Abfolge der Gemeindefunktionen

Abfolge der Gemeindefunktionen

Grundriss EG

Grundriss EG

Längsschnitt

Längsschnitt

Querschnitt

Querschnitt

regeneratives Energiekonzept

regeneratives Energiekonzept

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