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Beschränkt offener, 2-phasiger städtebaulicher und freiraumplanerischer Ideenwettbewerb mit vorgeschaltetem Bewerbungsverfahren | 01/2006

Harburger Schlossinsel

1. Preis

raumwerk Gesellschaft für Architektur und Stadtplanung mbH

Architektur

club L94

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Sternstunde Harburg

Analyse
Als Keimzelle Harburgs bestand die Schlossinsel aus der Zitadelle und dem vorgelagerten Wall. Im Zuge der Ausdehnung des Hafenbereichs während der Industrialisierung kam es zu einer Überformung der Wasserkante und zu einer Verschmelzung der beiden Bereiche. Heute ist die Schlossinsel geprägt von extensiver Hafennutzung.
Der östliche, noch bestehende Schlossflügel bildet mit einigen alten Bäumen ein besonderes Ensemble. Die Bedeutung als städtebauliche Keimzelle Harburgs sowie die klare Form der Zitadelleninsel sind nicht mehr erlebbar.

Konzeptansatz
Das Wettbewerbsgebiet besteht aus 4 thematisch unterschiedlichen Bereichen: Die eigentliche Insel (1), der Hafenarm als ehemaliger Wall der Zitadelle (2), die Deichlandschaft zwischen Süderelbe und Harburger Hafen (3) und die Hafenköpfe Harburgs (4). Diese werden in der Planung herausgearbeitet.
Ziel des Entwurfes ist es, durch eine prägnante, identitätsstiftende städtebauliche Figur die Bedeutung der Schlossinsel für Harburg wieder deutlich zu machen. Dazu bedarf es einer langfristigen Vision.
Hinausgehend über die derzeitigen Realisierungsmöglichkeiten wird ein starkes Bild geschaffen, welches aber bereits in der ersten Umsetzungsphase eine unverwechselbare Identität schafft.
Dies wird mit Hilfe des ortsprägenden sternenförmigen Parks erreicht, der zu Beginn der Entwicklung realisiert wird.

Freiraum
Der sternförmige Park ist wichtigster Bestandteil der Schlossinsel. Baumreihen definieren die Aussenkanten des Parks. Seine Spitzen dienen als kontemplative Orte: Treppenstufen und Rampen, die hinab zum Wasser führen, laden zum verweilen ein. Durch die gezielten Zugänge zum Wasser in allen vier Himmelsrichtungen entsteht eine spannende Raumfolge mit wechselndem Park- und Wasserbezug. Das Zentrum des Parks bildet das alte Schloss. Sport- und Spielflächen in einem „Footprint“ des Grundrisses aus Hecken und Mauern ergänzen die ursprüngliche Form der Schlossanlage Durch die Höhenlage des Schlosses wird der sternförmige Park topographisch überformt. Ausgehend vom Schloss auf einer Höhe von +7 m entwickelt sich das Gelände gleichmäßig zu den Parkspitzen auf +2 bis 3 m hinunter. Über die Stufenanlagen werden die letzten 2 bis 3 m bis zur Wasseroberfläche überwunden.

Kern der neuen Baufelder sind städtische Quartiersplätze in unterschiedlicher Ausdehnung und Ausrichtung. Über ein "Schaufenster" sind diese mit dem Wasser verbunden. Anlegestellen ermöglichen die Erschließung per Boot. Die Plätze werden durch Ihre Verteilerfunktion für unterschiedliche Verkehrsströme ( Boot, Pkw, Fußgänger ) sowie durch Ansiedlung quartiersbezogenen Handels und Gastronomie belebt. Das Thema der Quartiersplätze bezieht sich auf die Ursprünglichkeit des Ortes: Die Plätze erhalten einen einheitlichen Asphalt- oder Betonbelag, der die Funktionalität des Hafengebietes aufnimmt. Die Auswahl der Bäume bezieht sich auf das ehemalige Marschland, das vor der Eindeichung periodisch überflutet war und hohe Grundwasserstände hatte. Moorbirken, Sumpfeichen und Trauerweiden sind besondere Bäume auf den Quartiersplätzen, die einen Bezug zur ursprünglichen Landschaft herstellen. Eine Holzintarsie erinnert an einen Holzsteg zur Überwindung der ehemaligen kleinteiligen Insellandschaft. Sitz- und Spielelemente dienen den Bewohnern zur Steigerung der Aufenthaltsqualität.

Der zentrale Lotseplatz verbunden mit dem öffentlichen Lotsekai spiegelt die besondere Hafenatmosphäre des vorgelagerten "Hafenarms" wider. Die Fläche kann mit unterschiedlichen temporären Nutzungen bespielt werden und bildet Auftakt und "Entree" des Schlossparks. Eine Reihe aus großen Lichtmasten und ein einheitliches Belagsmaterial aus Kopfsteinpflaster erzeugen einen subtilen Brückenschlag zwischen dem Lotseplatz auf dem Hafenarm und dem Kanalplatz am Harburger Nordufer.

Die Uferbereiche werden mittels eines durchgehenden Rundwegs miteinander verbunden. Aussichtspunkte bieten Blicke auf die Schlossinsel und auf die Süderelbe. Einer Perlenkette gleich reihen sich auf den Hafenköpfen Baukörper und Plätze aneinander. Auch hier ist die Hafenatmosphäre Thema der Freiraumgestaltung. Auf den Plätzen der Perlenkette herrschen typische Materialien aus dem Rohstoffgüterverkehr des Hafens vor. Die Plätze werden mit unterschiedlichen Intarsien aus Stahl, Holz und Gummi belegt und tragen so zu einer unverwechselbaren Identitätsbildung des Hafenareals bei. Die am Treidelweg im Osten des Planungsgebietes vorhandene lang gestreckte Kaifläche soll erhalten bleiben und kann mit temporären Nutzungen wie z.B. einem Beachclub genutzt werden: Aufgeschütteter Sand und ein Rhythmus aus Baumfeldern aus Föhren lädt ein zum Verweilen in der Abendsonne, zu sportlichen Aktivitäten und zum erfrischenden Genuss eines Cocktails nach Arbeitsschluss.

Der Deichpark erfährt nur geringfügige, ordnende Eingriffe. Nicht mehr verwendete Hallen werden rückgebaut, Gelände werden freigemacht. Durch die Befreiung von Unterholz werden neue Blicke zum Wasser aus dem Deichpark eröffnet. Eine großzügige Wiesenlandschaft lässt Raum für Freizeitaktivitäten wie Sport, sonnenbaden und grillen. Eine lockere Baumpflanzung bildet einen Kontrast zum strengen Gegenüber der Schlossinsel und des Harburger Nordufers.

Bebauung
Die Bebauungsstruktur auf der Insel wird in einzelnen Baufeldern zusammengefasst. Jedes Baufeld bildet eine Nachbarschaft. Unterschiedliche Gebäudetypologien (Riegel, Block, Patiotyp) fassen den zentralen Quartiersplatz und ermöglichen eine Heterogenität und Flexibilität in der architektonischen und nutzungsspezifischen Umsetzung. Die Gebäudehöhen variieren zwischen drei und fünf Geschossen.
Die Nutzungsverteilung sieht für das Baufeld 1 im Bereich des Hochspannungsmastes ausschließlich Gewerbe und Dienstleistung vor. Nur im Norden, angrenzend zum Park ist Wohnen möglich. Für Baufeld 2 im Nordosten der Insel ist vorwiegend Wohnnutzung vorgesehen. Für die langfristig geplanten Baufelder 3 und 4 ist ein variabler Nutzungsmix von Wohnen und Dienstleistung je nach Nachfrage möglich: Zu den lärmbelasteten Seiten überwiegt Dienstleistung und zu den geschützten Seiten hin Wohnen.
Die drei Gebäudetypologien ermöglichen eine große Bandbreite unterschiedlicher Wohnformen. Im fünfgeschossigen Riegel erstrecken sich die einzelnen Wohnungen zu beiden Gebäudeseiten hin. Das zugrunde liegende Thema ist das Durchwohnen zwischen Park- und Wasserseite. Im dreigeschossigen Patiotyp werden mehrere Reihenhäuser zu einem großen Gebäude zusammengefasst. Durch die zahlreichen Höfe entstehen introvertierte Innenbereiche, die über eine gestaffelte Höhenentwicklung vielfältige Blickbeziehungen ermöglichen. Der viergeschossige Block bietet einen Wohnungsmix unterschiedlicher Typen und Größen. So werden vom 1-Zimmer Apartment bis zur 5-Zimmer Maisonette Wohnung verschieden große Wohnungen für unterschiedliche Haushalte konzipiert.
Die erforderlichen Stellplätze werden innerhalb der Sammelgarage im Erdgeschoss der Blockbebauung realisiert.

Auf dem Hafenarm bleiben die milieuprägenden Nutzungen erhalten und werden durch weitere Solitäre für Dienstleistung und Gewerbe ergänzt. Die Höhe bleibt auf max. 4 Geschosse beschränkt und ist damit niedriger als die Bebauung der Insel.

Entlang des südlichen Uferbereiches auf den Hafenköpfen werden zusätzliche Baufelder ausgewiesen, die in ihrer Maßstäblichkeit mit den Bestandsgebäuden harmonieren und zusammen eine klare Hafenkante ausbilden.

Erschließung
Ein Wegenetz für Fußgänger und Radfahrer überspannt die Schlossinsel und ermöglicht vielfältige Ein- und Ausblicke. Den Plätzen der Baufelder sind Bootsanleger für "Wassertaxis" und Privatboote zugeordnet. Die Anbindung durch Pkw erfolgt über die bestehende Bauhofstraße mit Abzweigungen zu den Baufeldern. Der ruhende Verkehr wird innerhalb des Baufeldes 1 in einem zentralen Parkhaus untergebracht. Für Baufeld 2 bis 4 sind Quartierssammelgaragen im EG der Blockgebäude vorgesehen.

Auf dem Hafenarm dient die bestehende Kaianlage als Fuß- und Radweg. Als ÖPNV- Haltepunkt und Eingang zum Schlosspark eignet sich der Lotseplatz. Die bestehende Zitadellenstrasse erschließt alle anliegenden Nutzungen für Pkw und Lkw.

Der neue Rundweg ergänzt das bestehende Radwegenetz und macht die Schlossinsel von allen Seiten erlebbar. Dieser wird im Deichbereich neu geordnet und um Aussichtspunkte erweitert.

Lärmemissionen / Kontamination
Attraktives Wohnen im Hafen muss zwei wesentliche, sich teilweise widersprechende Anforderungen erfüllen: Zum einen machen vielfältige Wasserbezüge und Ausblicke den besonderen Reiz des Ortes aus, zum anderen werden ruhige, von Lärmemission geschützte Rückzugsbereiche benötigt. Lage und Wahl der Baukörper auf den jeweiligen Baufeldern ist Ergebnis dieser "Balance zwischen öffnen und schließen". Äußere höhere Baukörper sind den emissionsbelasteten Seiten zugewandt. Die Nutzungen verteilen sich den Anforderungen entsprechend. So finden sich z.B. Dienstleistungen tendenziell auf der lauteren Seite, Wohnen in den geschützten Zonen. Wohntypologien mit Rückzugsmöglichkeiten (Patiohaustyp) und Grundrisse mit Individualräumen zur ruhigen Seite werden angeboten.

Im Bereich der Baufelder wird der Boden großflächig versiegelt und auf Unterkellerung verzichtet.
Im Bereich des Schlossparks wird neuer Mutterboden aufgetragen. Die leicht ansteigende Parklandschaft vermittelt zwischen Hafenkante und erhöhtem Schloss.

Realisierbarkeit
Der Park ist Katalysator des neuen Entwicklungsgebietes und kann zum Großteil in der ersten Entwicklungsstufe losgelöst von den einzelnen Baufeldern umgesetzt werden. Sowohl die Baufelder als auch die Einzelgebäude des jeweiligen Ensembles können autark von verschiedenen Investoren entwickelt werden. Die Gebäudetypen sind flexibel zu gestalten und können auf Anforderungen des Marktes reagieren.
In einer ersten Entwicklungsstufe besteht die Möglichkeit die Baufelder 1 und 2 kurzfristig zu realisieren. Mit der langfristigen Entwicklung der Baufelder 3 und 4 wird das identitätsprägende Gesamtbild des Sternparks und der Bastionen auf der Schlossinsel vervollständigt.