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Nichtoffener Wettbewerb | 05/2011

Comturey-Keller

1. Preis / Nach Überarbeitung

Preisgeld: 5.000 EUR

HEIN architekten

Architektur

Thomas Steinmann Landschaftsarchitekt

Landschaftsarchitektur

ErlÀuterungstext

Ortsbau
Der Blick von Osten auf die Insel ist eine der „Postkartenansichten“ der Mainau. Den sich auf dem Schiff nĂ€hernden Besuchern bietet sich ein malerischer Blick auf das Schloss, die Kirche, das Palmenhaus, die Schlossmauer und den Comturey Turm . Das Schloss und die wenigen baulichen Elemente, die es umgeben, prĂ€gen die Situation und lassen bereits von weitem erkennen, dass dieser Ort eine lange Geschichte zu erzĂ€hlen hat. Der Abriss der bestehenden, heterogenen und in die Jahre gekommenen Gastronomieanlagen rund um den Comturey Turm bietet die besondere Möglichkeit sensibel auf diese Situation zu reagieren und dadurch dem Ort sein unverwechselbares Gesicht zum See zu belassen.

Durch eine maximale ZurĂŒckhaltung wird die notwendige GebĂ€udekubatur des Neubaus als eingeschossiger Baukörper in den Hang integriert. Die Abrisskante des Molassefelsens wird in den harmonischen Verlauf des Hangs integriert. Über das GebĂ€ude verlĂ€uft der Hortensienweg und fĂŒhrt die Besucher barrierefrei zum Seeufer. Das den Hangfuß begleitende Fassadenband öffnet sich in seiner gesamten Breite. Durch seine geringe Höhe bleibt der Blick vom Seeufer hinauf zum Turm und Schloss erhalten. Der Neubau vermeidet es mit der historischen Bausubstanz in Konkurrenz zu treten. Die sichtbare Bebauung am Ort wird verringert und die GartenflĂ€che vergrĂ¶ĂŸert. Besonders der Blick von oben (Schlossmauer, Hortensienweg) lĂ€sst die Behutsamkeit des baulichen Eingriffs erkennen, denn das tatsĂ€chliche Bauvolumen ist nicht wahrnehmbar.

Funktion
Die unterschiedlichen Nutzungen bei besonders hoher FlexibilitĂ€t in der Bewirtung machen den Einsatz mobiler technischer Ausstattung sinnvoll und erforderlich. Sowohl Gast-, als auch NebenrĂ€ume (inkl. altem Comturey Keller) sind untereinander stufenlos erreichbar und bieten ein Maximum an FlexibilitĂ€t in ihrer Nutzung. Alle GastrĂ€ume sind zum See orientiert und werden bergseitig ĂŒber große, eingeschnittene Höfe belichtet. Ein zentral gelegener, langer Hof stellt den historischen Befestigungsturm, als zentrales Element, entlang seiner Ostseite ĂŒber zwei Ecken frei und ermöglicht spannende Blickverbindungen sowie eine optimale Belichtung des Foyers.

Die Versorgung der NebenrĂ€ume erfolgt im ganzen Haus – ohne Kreuzung mit den GĂ€stebereichen – von der Hangseite. Ein nördlich gelegener, befahrbarer Anlieferungsraum ist von der gesamten Nebenzone erreichbar und wird auf kĂŒrzestem Weg (direkt von der Zufahrtsstraße) erschlossen. Durch die Vermeidung einer Kreuzung mit dem Besucherstrom, kann auch bei Vollbetrieb die Ver- und Entsorgung des Betriebs ohne EinschrĂ€nkung aufrecht gehalten werden.

Wirtschaftlichkeit
Neben der guten FunktionalitĂ€t und FlexibilitĂ€t des GebĂ€udes ist auch eine hohe Wirtschaftlichkeit bei seiner Herstellung und im Betrieb zu erwarten. Einerseits erzielen erdgeschossige FlĂ€chen mit gutem Außenbezug eine möglichst große Besucherfrequenz, andererseits entsteht ein spannendes GegenĂŒber zwischen Passanten und einkehrenden GĂ€sten entlang des Seeufers („Sehen und gesehen werden“). Die schwellenlose Erreichbarkeit der RĂ€umlichkeiten kommt besonders Ă€lteren Menschen und Familien mit Kindern entgegen. Durch die großteils mit Erdreich umschlossene AußenhĂŒlle, erreicht das GebĂ€ude sowohl klima- und energietechnisch, als auch in Punkto Wartungsaufwand optimale Werte. Das ausladende, massive Vordach zur Seeseite bietet einen wirksamen Schutz der Fensterfassade gegen Verwitterung.

Denkmalschutz
Das Ensemble von Schloss, Schlossmauer und Befestigungsturm wird gestÀrkt und der Turm erhÀlt durch seine Freistellung die maximale PrÀsenz am Ort. Seine zentrale, solitÀre Position und Höhe wird durch die Freistellung im neue GebÀude gestÀrkt, so dass seine Funktion als Landmarke im unmittelbaren See-und Ankunftsbereich der Insel erhalten bleibt.

Nachhaltigkeit
Die hohe Lebenserwartung des geplanten Massivbaus, sowie die große NutzungsflexibilitĂ€t bilden die wichtigste Voraussetzung fĂŒr eine hohe Nachhaltigkeit des Projekts. Das Erdreich umschließt den Neubau zu einem Großteil und wirkt als natĂŒrliche WĂ€rmedĂ€mmung. Das Innenraumklima ist daher ĂŒber die Jahreszeiten sehr konstant. Auf die Nutzung der Sonnenenergie (Photovoltaik, Solarthermie) sollte, aufgrund der exponierten Lage und der Unmöglichkeit diese FlĂ€chen zu „verstecken“ oder zu intergrieren, verzichtet werden. Stattdessen kann das in unmittelbarer NĂ€he im Überfluss vorhandene Seewasser zur thermischen Aktivierung der massiven Bauteile (WĂ€rmepumpe) verwendet werden.

Gastronomie
Die jeweiligen Bereiche SB-Restaurant, Restaurant, Foyer, Bankett und Comturey Keller erhalten durch ihre Ausrichtung und AußenbezĂŒge einen jeweils eigenstĂ€ndigen Charakter. Das schwellenlose GebĂ€ude im Erdgeschoß bietet jedoch eine große FlexibilitĂ€t in seiner Nutzung, so dass je nach Nachfrage und Gastronomiekonzept Funktionen kurz- oder langfristig erweitert oder verschoben werden können.

Das Restaurant wird nicht direkt von außen, sondern ĂŒber das Foyer erschlossen. Es bietet eine entspannte und gemĂŒtliche AtmosphĂ€re, um in aller Ruhe zu speisen. GroßflĂ€chig nach oben aufklappbare Fenster bieten an warmen Sommertagen die Möglichkeit, die InnenrĂ€ume fließend in die vorgelagerte Terrasse ĂŒbergehen zu lassen.

Das zentrale Foyer ist das Herz des neuen Hauses. Hier können die GĂ€ste empfangen und ihnen ihre PlĂ€tze in Restaurant, Comturey Keller oder dem jeweiligen Bankettsaal zugewiesen werden. Bei plötzlichen SchlechtwettereinbrĂŒchen dient es als Pufferraum und kann aufgrund seiner komfortablen GrĂ¶ĂŸe und prominenten Lage auch fĂŒr andere Veranstaltungen (SektempfĂ€nge, Lesungen, Ausstellungen, Ansprachen, MĂ€rkte etc.) genutzt werden.

Der Bankettbereich kann, je nach Bedarf, in verschiedene GrĂ¶ĂŸen geteilt werden. Die jeweilige Erschließung erfolgt ĂŒber einen Gang entlang der Höfe. Hier sind auch die WC Anlagen und die Garderoben untergebracht. Zur Bewirtung können mobile Schankeinheiten eingesetzt werden.

Der belebte Mittelpunkt der Außenanlagen ist der Biergarten. Er ist in einen temporĂ€r ĂŒberdachbaren, sowie einen offenen, dem alten Hafen zugeordneten Bereich unterteilt und bietet Platz fĂŒr ca. 500 Personen. Die unmittelbare NĂ€he zum Free Flow SB-Bereich ermöglicht eine einfache Selbstversorgung der GĂ€ste. Außerdem ist eine Bewirtung ĂŒber eine großzĂŒgige, lokale Station im NebengebĂ€ude vorgesehen. Mit mobilen Einheiten (Wok, Holzkohlegrill, Waffeleisen, Spanferkel, Fingerfood etc.) können – je nach Motto – tĂ€glich wechselnde SpezialitĂ€ten angeboten werden.

Der Souvenirshop kann bei Schönwetter im Außenraum erweitert werden. Seine Lage im Nahebereich des Biergartens und des Ausgangs rĂŒckt ihn besonders ins Blickfeld von verweilenden und abreisenden GĂ€sten. Im selben NebengebĂ€ude ist das Ticket- und InformationsbĂŒro untergebracht. Ein weiterer dort integrierter Raum, kann entweder als ĂŒberdachter Wartebereich oder als Außenkiosk gestaltet werden.

In Summe steht eine Vielzahl an gastronomischen Möglichkeiten mit hoher funktionaler und zeitlicher FlexibilitĂ€t zur VerfĂŒgung, welche die Anlage rund um den Comturey Turm zu einer pulsierenden gastronomischen Attraktion der Insel machen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Mit einem langgestreckten eingeschossigen Baukörper am Fuß des Molassefelsens
formulieren die Verfasser eine neue architektonische Definition des Hangfußes.
Der historische Befestigungsturm wird in seiner Bedeutung als zentrales vertikales
Element gestÀrkt. Schloss und Turm bleiben die Hauptakteure am Platz, das neue
GastronomiegebĂ€ude ordnet sich dezent unter. Leider wird der Turmfuß nicht freigestellt
und versinkt im GebÀudekörper des Neubaus.
Ein weiterer kleinerer baulicher Riegel mit anschließender linearer Gehölzstruktur
(Parrotia persica???) trennt klar und unmissverstĂ€ndlich den großzĂŒgig geschnittenen
Vorplatz vom internen Parkbereich.
Die FreiflÀchen sind gut geschnitten und dimensioniert.
Problematisch ist die Überlagerung der Anlieferung mit dem Besucherstrom vor den
Kassenbereichen. BegrĂŒĂŸt wird die Fortsetzung des Hortensienweges ĂŒber das neue
GebĂ€ude hinweg bis zum sĂŒdlichen Teil der Promenade.
Der Biergarten wird in GrĂ¶ĂŸe und Lage positiv beurteilt. Seine Bewirtschaftung allein
ĂŒber das vorgeschlagene NebengebĂ€ude scheint aber nicht ausreichend.
ZusĂ€tzlich notwendige Servicebewegungen vom HauptgebĂ€ude hinĂŒber zu dieser FlĂ€che
fĂŒhren zu Konflikten mit dem Strom auf der Promenade.
Der Kiosk orientiert sich fÀlschlicherweise zum auswÀrtigen Parkteil, das neue GastronomiegebÀude
ist angenehm klar strukturiert.
Die rĂŒckwĂ€rtig in den Hang geschobenen Bereiche werden mittels der eingeschnittenen
Innenhöfe gut belichtet.
Die interne Erschließung wird kritisch beurteilt, auch hier gibt es funktional schwierige
Kreuzungen der Wege von GĂ€sten und Servicepersonal.
Mit seiner klaren Architektur, der Langlebigkeit des Massivbaus und der vergleichsweise
geringen FassadenflÀche lÀsst der Beitrag eine wirtschaftliche Umsetzung erwarten.
Insgesamt ĂŒberzeugt die Arbeit mit ihrem linienhaften Konzept und ihrer Haltung, sich
gegenĂŒber dem historischen Bestand wohltuend zurĂŒckzunehmen.