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Offener Wettbewerb (auch für Studenten) | 02/2012

AIV-Schinkel-Wettbewerb 2012 - Ideale Realitäten

Sonderpreis Freie Kunst

Preisgeld: 1.500 EUR

Robert Patz

Student*in Architektur

Erläuterungstext

Konteradmiral Ludwig von Reuter gab am 21. Juni 1919 den Befehl zur Selbstversenkung der deutschen Kriegsmarine im schottischen Scapa Flow. Die Internierung der gesamten Flotte durch die Briten sollte ein Ende haben, ohne dass die 74 Kriegsschiffe an England fallen würden. Dem endenden Krieg wurde so unumgänglich ein Zeichen gesetzt, was zugleich das Untergehen des Deutschen Kaiserreichs unter preußischer Führung symbolisieren würde. Das Lieblingskind des Kaisers Wilhelm II., die Kriegsmarine, versank fast vollständig und in einem grotesken finalen Zug.

Nur wenige Jahre zuvor, 1914, unterzeichnete ebendieser deutsche Kaiser im neuen Palais in Potsdam die Kriegserklärung, die das Unglück des zwanzigsten Jahrhunderts einleitete. Ebenfalls in Potsdam, nur wenige Meter vom Stadtschloss entfernt, reichte am 21. März 1933 der greise Reichspräsident Paul von Hindenburg einem Mann die Hand, der das Verderben auf ein unvorstellbares Maß ausdehnen sollte. Das Bündnis zwischen der sogenannten alten Ordnung und dem Nationalsozialismus wurde an diesem „Tag von Potsdam“ durch die Schergen Adolf Hitlers inszeniert. Deutschland sollte zu preußischer Größe zurückfinden. Der preußische Militarismus, dessen Protagonist zuvor Wilhelm II. war, bekam einen neuen Akteur. Die Folgen sind bekannt.

Potsdam ist die Stadt der Preußen schlechthin, ihr Wohnzimmer. Als ihre Insignien kann man die repräsentativen Bauten der Monarchen begreifen, die nirgendwo sonst so dicht auftreten, wie in Potsdam. Viele davon sind erhalten, einige werden wieder aufgebaut, wie derzeit das Stadtschloss. Es liegt nahe, derartige Wiederaufbauten als wenig hinterfragte Glorifizierung preußischer Geschichte zu begreifen beziehungsweise als Versuch, einen historischen Zustand zu restituieren, der entscheidende Fakten verblendet oder vergessen macht.

Vis-à-vis des Ensembles aus Stadtschloss und Nikolaikirche, Marstall und altem Rathaus möchte die Arbeit einen Kontrapunkt setzen. Preußische Geschichte ist nicht weniger von Glanz und Gloria, als von Größenwahn und Grauen geprägt. Ein Vergessen dieser historischen Beziehung bei aller städtebaulichen Harmonie, gilt es zu verhindern. Versenkt in der Havel schauen deshalb die preußischen Kriegsschiffe von Scapa Flow in Form von maßstäblichen, geschweißten Plastiken angemessener Größe auf die Schlossfassade als schlichtes Gegenüber und als Gleichnis für die Paarung von Wachsen und Verderben, oder auch schlicht: Geschichte. - Sie dürfen so verrotten wie ihre Originale. In ihrer historischen Tragik liegt die Komik des Wollens und Werdens, in ihrem Auftauchen lediglich ein ironischer Kommentar zu ihrer Umgebung.

Beurteilung durch das Preisgericht

Mit dieser Arbeit will der Verfasser ein deutliches Signal gegen den wiederentstehenden
Glanz der Preußen-Metropole Potsdam setzen: Mit einer Nachbildung der untergegangenen deutschen Kriegsflotte, die 1918 in Scapa Flow versenkt wurde, in der Bucht vor der Potsdamer Innenstadt soll deutlich werden, dass Potsdam auch Militarismus bedeutet. Der Verfasser schlägt vor, die Schiffe den Originalen nachzubauen und auch die Verrottung im Wasser bewusst zuzulassen. In der Jury wurde kontrovers diskutiert, wieweit diese Nachbildung möglicherweise zu plakativ sei und sich zu sehr auf die Historie bis 1945 konzentriere. In der Diskussion wurde jedoch deutlich, dass diese Arbeit mit ihrer fast brachialischen Ausdrucksweise einen gelungenen Gegenpart zum aktuellen Aufbau historischer Gebäude darstellt und damit zur kritischen Auseinandersetzung mit Potsdam als Ausgangsort militärischer Gewalt anregt.