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Nichtoffener Wettbewerb | 05/2012

Kulturquartier historische Neustadt

Preisgruppe

foundation 5+ architekten landschaftsarchitekten

Architektur

Erläuterungstext

Lemgo Kulturquartier: We walk the line...

Das Einfamilienhaus am Stadtrand – jahrzehntelang der Deutschen liebstes Kind - lässt sich für eine Folgenutzung immer schwerer vermarkten. Wohnen in der Innenstadt erfreut sich dagegen immer größerer Beliebtheit, bietet es doch all das, was die Wohnsiedlung vermissen lässt: ein vielfältiges Nutzungsangebot; die Mischung von Wohnen, Arbeiten, Freizeit und Kommerz; eine räumliche und soziale Dichte mit Angeboten für alle Altersgruppen. Wenn nun auch noch die Bedürfnisse nach Rückzug und Privatheit befriedigt werden können, bleibt eigentlich kein Wunsch mehr offen.

Aufgabenstellung
Lage und Identität in der Stadt
Die historische Kernstadt Lemgos wird geprägt von Kleinteiligkeit der Gebäude, der Menge an historischer Bausubstanz und ihres vielseitigen Angebotes an Einzelhandel, kulturellen und infrastrukturellen Angeboten. Aufgrund der vorhandenen Dichte herrscht eine urbane Atmosphäre; gleichzeitig ist die Innenstadt übersichtlich; die Wege des alltäglichen Bedarfes sind kurz.
Städtische Identität und Orientierung sind im Stadtkern jedoch nicht in gleichem Maße anzutreffen. Während die Fußgängerzone und die historischen Plätze mit ihrer typologischen Eindeutigkeit und ihren Angeboten unverwechselbar sind, weist die Breite Straße als zentrales, die Altstadt von Nord nach Süd durchschneidendes Band typologisch und gestalterisch Defizite auf. Ziel muss es deshalb sein, mithilfe klarer typologischer Vorgaben, einer prägnanten Gestaltung und vielseitig nutzbarer Gebäude- und Freiraumbausteine die Breite Straße zum Rückgrat der Lemgoer Innenstadt weiter zu entwickeln.
Die klassische, parzellierte Stadt, wie sie in Lemgo über Jahrhunderte gewachsen ist, bietet für kleinteilige Nutzungen, insbesondere aber individuelles Wohnen hervorragende Voraussetzungen. Kleinteilige Gebäudeparzellen können von privaten Eigentümern individuell bespielt werden. Feste Bauregeln zum Straßenraum sorgen bei aller Individualität für ein homogenes Erscheinungsbild, wohingegen „nach hinten raus“ eine große Freiheit der baulichen Interpretation geboten wird. Dieses Spannungsfeld zwischen vorne und hinten, zwischen öffentlich und privat, macht die Lage so attraktiv. Teilhabe an der Gemeinschaft und das eigene, ganz private Stückchen Stadt können gleichermaßen verwirklicht werden. Hinzu kommt die enorme Flexibilität der Nutzung solcher Stadthäuser durch eine differenzierte Erschließung und vielfältige Möglichkeiten, Nutzungseinheiten zu trennen oder zu verbinden.

Leitidee: Städtebau und Freiräume
Die Fußgängerzone mit ihren überregionalen Versorgungsfunktionen ist als identitätsstiftendes Bild „gesetzt“ – dem wird das Bild der neuen Breiten Straße als eine aus vielfältigen Nutzungen bestehenden „bunten Achse“ gegen über gestellt. Auf diese Weise entsteht ein Koordinatensystem im Herzen Lemgos, das Identität und Orientierung zu schaffen vermag.
Ziel der Weiterentwicklung der Breiten Straße ist die Schaffung eines lebendigen Quartiers mit deutlicher Steigerung der Wohnqualitäten und entsprechender wohnungsnaher Infrastrukturangebote. Darüber hinaus sollen kulturelle Aktivitäten – auch kleinmaßstäblich – durch flexible Handhabung von Gebäudegrundrissen gefördert werden. Mit der Aufwertung der Gastronomie erfolgt schließlich die Stärkung von Wohnen und Kultur gleichermaßen.
Konzeptuell wird bestehende Struktur der straßenseits schmalen, parzellentiefen Gebäude in ein „Fischgrätensystem“ übersetzt: die Breite Straße als Rückgrat, von der eine Vielzahl kleinerer Erschließungswege („Fischgräten“) die Erschließung der zweiten Reihe übernimmt. Die Stärkung der Erschließungswege verfolgt das Ziel, eine intensive Nutzung der zweiten Reihe mit Anknüpfung an die erste Reihe zu gewährleisten. Dies bedeutet einerseits, die Wohnqualitäten in den Gebäuden dort zu stärken – ruhiges Hinterhaus statt Hinterhof – und andererseits die kleinteiligen Freiraumqualitäten auszubauen: es entsteht ein engmaschiges Netz kleiner Höfe, Privatgärten und Dachterrassen. Die zweite Reihe bietet auf diese Weise urbane Wohnqualität, ohne den „Grünen Fußabdruck“ vermissen zu lassen.
Das Rückgrat wird entwickelt als ein zusammenhängender, grüner, nutzungsoffener Straßenraum mit einheitlichem Pflasterbelag und durchgehender Baumreihe.

Breite Straße
Die Breite Straße wird maßgeblich bestimmt durch ihre vielfältigen Fassaden, sehr unterschiedliche Straßentypologien und Pflasterbilder und punktuelle Baumpflanzungen.
Die Bestandsbäume werden durch Neupflanzungen ergänzt und zu lichten Baumreihen verdichtet. Die Bestandsbäume erhalten Sitzpodeste, die die nicht nutzbaren Aufpflasterungen ersetzt und öffentliche Aufenthaltsangebote schafft.
Die künftige breite Straße erhält einen einheitlichen Klinkerbelag, der sich von Hauskante zu Hauskante spannt. Er gliedert sich in einen Fahrbahnbereich mit Diagonalverband und einen breiten Bürgersteig, der als Reihenverband gestaltet ist. Der Bürgersteig wird durch einen Läufer in zwei Bereiche geteilt: einem Bewegungsstreifen im hausnahen Bereich und einem Verfügungsstreifen zwischen Fahrbahn und Bewegungsstreifen. Dieser ca. 2m breite Streifen nimmt sämtliche Straßeninfrastruktur (Baumscheiben, Beschilderung, Mülleimer, Lichtmasten) auf und schafft zudem Platz für und Kurzzeitstellplätze, Sitzpodeste, Sitzplätze der Gastronomie, Werbeträger und Pflanzkübel der Geschäfte und Fahrradständer.
„Links“ in Form von andersfarbigen Pflasterstreifen münden in die Bewegungsstreifen und verweisen auf bedeutsame Kutur- und Infrastrukturangebote in der 2. Reihe.

Verkehr
Das Konzept vereinheitlicht nicht nur den Straßenraum der Breiten Straße, es bietet auch substanzielle Lösungsmöglichkeiten für momentan suboptimal genutzte Teilbereiche. Insbesondere der Straßenteil zwischen Mittelstraße und Rampendal / Papenstraße. Dieser momentan als Fußgängerzone ausgewiesene Bereiche weist aufgrund der Distanz zur eigentlichen Fußgängerzone suboptimale Nutzungen und Leerstände auf. Unser Konzept sieht vor, den kompletten Bereich der Breiten Straße zwischen Umflutgraben und Mittelstraße als Einbahnverkehr zu öffnen und den Teiabschnitt für Nutzungen zu attraktivieren. Ab der Mittelgasse wird die Breite Straße zur Fußgängerzone. In der Breiten Straße entstehen entlang der Fahrbahn Kurzzeitparkplätze.

Architektonisches Konzept: Wohnen und Arbeiten - Der Grundtypus der Bebauung besteht aus einem Stadthaus (vorne) einem Hofhaus (hinten) und einem verbindenden Element (Garten oder Zwischenbau). Die in Lemgo typische und noch häufig sichtbare „Bauwiche“ – die schmale bauliche Fuge zwischen den benachbarten Gebäuden – wird als eine private Gasse ausgebildet, die eine Verbindung von vorne nach hinten und die seitliche Erschließung der Obergeschosse ermöglicht. Die öffentliche oder gewerbliche Nutzung der Erdgeschosse entlang der Breiten Straße kann so unabhängig von der privaten Nutzung der Obergeschosse und des Hofhauses erfolgen.

Gestapelte Nutzungen – größere Nutzungseinheiten (Gastronomie, Dienstleistung) können Etagenweise von vorne bis hinten durchgesteckt werden. Gewerbliche Nutzungen im EG erhalten so eine separate Anlieferung von hinten. Die Wohnungen in den Obergeschossen können über private Terrassen verbunden werden und ermöglichen so attraktive zeitgemäße Wohnformen (Mehrgenerationen-Wohnen, Wohnen und Arbeiten, Hausgemeinschaften etc.).

Wohnhof: Duplex barrierefrei In der Kombination zweier benachbarter Parzellen dient die Fuge zwischen den Gebäuden der barrierefreien Erschließung beider Stadt- und Hofhäuser. Über einen Verbindungssteg im 1. OG können alle Nutzungseinheiten diese Ensembles mit einem Aufzug erschlossen werden. Die Hofhäuser können als eigenständige Wohneinheiten oder auch als Nebenräume und Garagen genutzt werden.
Der Wohnhof bietet auf kleinem Raum unterschiedliche Angebote zur engmaschigen Verzahnung von Wohnung und Außenraum. Der Hof als grüne Schnittstelle zwischen Vorder- und Hintergebäude lässt in seiner Größe die Gestaltung als kontemplativen Rückzugsort mit entsprechender Vegetation ebenso zu wie als Ergänzung der Alltagsökonomie, auf dem gebastelt und repariert wird. Als Schnittstelle kann er gemeinschaftlich genutzt werden und bietet so eine ideale Ergänzung zum öffentlichen Raum der Breiten Straße und den kleinteiligen privaten Terrassen und Dachgärten der Dächer der Nebengebäude.

Sondernutzungen – Je nach Art der Nutzung kann der gleiche Gebäudetypus auch auf Sondernutzungen wie Hotel, Kindergarten oder Altenwohnanlage übertragen werden. Die erforderliche Nutzfläche bestimmt die Größe der Parzelle. In den Neben- und Hofhäusern können spezifische Nutzungen wie Spielhaus (Kita), Gartenlaube (Altenwohnen) oder Gemeinschaftsräume (Mehrgenerationen-Wohnen) untergebracht werden.
Die differenzierte Abstufung der Freiräume stäkt nicht nur private Wohnnutzungen, sie ist gleichermaßen geeignet für Büronutzungen, kulturelle Nutzungen oder Nutzungsmischungen.

Kulturhof: Sondernutzung Hotel Das in die Jahre gekommene Hansa-Hotel wird durch ein neues attraktives Tagungshotel ersetzt. Im EG sind ein Restaurant mit großzügiger Terrasse und diverse Tagungsräume vorgesehen. Die Hotelzimmer befinden sich in den Obergeschossen. Über den Freiraum wird eine Verbindung zum benachbarten Abteigarten hergestellt (Kulturhof). Die VHS bleibt in ihrer jetzigen Funktion erhalten. Der neu gestaltete Hof wird durch ein eingeschossiges transparentes Veranstaltungsgebäude Richtung Park abgegrenzt. Die südlich anschließende Remise und privaten Gebäude können als Ateliers für Künstler, Kunsthandwerker und Fortbildungskurse genutzt werden. Aus der Kombination von Hotel, Tagung, VHS, Saal und Ateliers entsteht ein attraktiver und synergetischer Nutzungsmix, der vielfältiges und lebendiges Kulturviertel entstehen lässt.
Der Kulturhof gliedert sich in einen dem Hotel zugeordneten kleinen Hofbereich, der für Außengastronomie genutzt werden kann und einen großen Hofbereich zwischen Rückseite der Volkshochschule und dem neu entstehenden Kulturhof. Dieser Hof dient im Alltag als Rückzugsraum und wird durch Heckenkuben mit integrierten Sitzbänken gegliedert. Für Veranstaltungen wie Lesungen und Konzerte kann der Hof bestuhlt werden und bietet einen abgeschlossenen Raum.

Ideenteil Hansequartier
Wir schlagen vor, die Einkaufspassage mit ihren in die Tiefe gestaffelten Laden- und Bürostruktur in eine straßenseitig erschlossene Ladenstruktur umzuwandeln. Auf diese Weise entstehen Laden- und Bürogrößen bis ca. 400m2 Nutzfläche, die beispielsweise für einen kleinen Verbrauchermarkt genutzt werden kann, der bislang in diesem Stadtbereich fehlt.
Das restliche Grundstück erhält eine Parzellierung analog zum Konzept der Wohnhöfe. Die Grundstücke, die von der Stiftsraße aus erschlossen werden, sind so dimensioniert, dass dort ärztliche und soziale Infrastruktureinrichtungen wie ein Ärztehaus und / oder ein Kindergarten denkbar sind. Durch Teilung ist auch hier eine ähnliche Wohnparzellierung zu erreichen.
Breite Straße

Breite Straße

Wohnhof

Wohnhof

Wohnhof

Wohnhof

Kulturhof

Kulturhof