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Nichtoffener Wettbewerb | 05/2012

Kulturquartier historische Neustadt

Anerkennung

habermann.decker.architekten

Architektur

club L94

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Die Alte Hansestadt Lemgo besticht heute mit einer historischen Innenstadt, die sich stadträumlich innerhalb der ehemaligen Wallanlagen deutlich ablesen lässt. Im Zentrum der Altstadt markiert der Marktplatz mit dem historischen Rathaus den Schnittpunkt der wichtigsten Handelsrouten sowohl in Nord-Süd, als auch in Ost-West Richtung, die heute als Breite Straße und Mittelstraße im Stadtgefüge ablesbar sind. Letztere ist als Fußgängerzone vom Verkehr befreit und dient den Menschen der Region als Einkaufsziel, so dass sich Lemgo hier als Mittelzentrum mit urbanen Qualitäten präsentiert. Im Vergleich hierzu fällt die Breitestrasse qualitativ bezogen auf ihre Ausstattung mit Läden und anderen urbanen Bausteinen vom Marktplatz an in Richtung Süden deutlich ab. Vor allem fehlt es dem bedeutsamen Innenstadtzugang am Langenbrücker Tor an markanter städtebaulicher Prägnanz.
Aus der Erkenntnis, dass die Breitestrasse keine Handelslage ist und somit im Kontrast zur Fußgängerzone steht, haben sich die Stadtverantwortlichen auf die Suche nach einer eigenen Identität gemacht. Auf Grund der vielen vorhandenen kulturellen Bausteine wie die großen Lemgoer Kirchen, die kleinen Museen und Galerien, die Volkshochschule und die Stifts- und Abteigärten, soll hier das " Kulturquartier Historische Neustadt " entstehen.

Konzept
Das städtebaulich- freiraumplanerische Konzept stützt sich auf drei thematische Ansätze:
1. städtebaulicher Ansatz
Die historische Altstadt innerhalb der grünen Wallanlagen erhält ein einheitliches Materialkonzept für den öffentlichen Raum, um die verschiedenen Bereiche miteinander zu verbinden. Die leer stehenden Grundstücke entlang der Breite Straße werden mit hochwertigem Wohnraum aufgefüllt. Das Hansaquartier wird in Wohnen und einen kleineren Nahversorger umstrukturiert. Der städtebauliche Abschluss der Innenstadt am Langenbrücker Tor wird mit einem Hotel markiert.
2. landschaftsarchitektonischer Ansatz
Das landschaftsarchitektonische Konzept hat zwei Scherpunkte. Zum einen wird der öffentliche Raum der Breite Straße mit neuen Stadtmöbeln versehen. Diese nehmen Bezug zu den alten Handwerkstraditionen der südlichen Neustadt. In Lemgo ansässige Holz- und Sägebetriebe sowie Möbel- und Tischlerbetriebe prägten im 19. Jahrhundert das Bild der Stadt. Der zweite Schwerpunkt liegt auf der Neuordnung des Areals um die Volkshochschule und den Abteigarten, sowie die Heranführung der Stadt an die Ufer der Bega und die Verknüpfung der übergeordneten Erholungsräume wie Schloss Brake über die Wallanlage.
3. architektonischer Ansatz
Über den architektonischen Ansatz kann das Thema Kulturquartier in besonderer Weise zum Ausdruck kommen. Dabei verstehen sich die neugesetzten Kultur- und Wohnbausteine ebenfalls als Möbel. Die neuen monolithischen Baukörper bestehen aus homogenen, giebelständigen Satteldachhäusern, deren Traufhöhen variieren können. Die Belichtung der Innenräume erfolgt ausschließlich über die Giebelseiten.
Die neuen Baukörper werden als zeitgemäße Kombinationen von Atelier und Werkraum im EG und Wohnen in den Obergeschoßen neu entwickelt, um Kreative ins Kulturquartier zu ziehen. Ein wichtiger Baustein im architektonischen Ansatz ist der Hotelneubau am Langenbrücker Tor, der mit der vorhandenen historischen Mühle eine Torsituation bildet und über die Terrassen zur Bega eine urbane Situation schafft, die das Potential des malerischen Ufers voll ausschöpfen kann.

Städtebaulicher Entwurf
Das eigentliche Kulturquartier Lemgos liegt zwischen dem Waisenhausplatz im Norden und dem neuen Stadtauftakt im Süden. Die bereits etablierten kulturellen Bausteine – Museen, Bildungs- und religiöse Stätten sowie Gastronomie und Hotellerie - werden ergänzt. Gegenwärtiger Leerstand ehemaliger Ladenlokale des örtlichen Einzelhandels werden durch hochwertigen Wohnraum sowie Werk- und Ausstellungsräume für die Studenten der Planungsrichtungen ersetzt. Auch sind vereinzelt temporäre Zwischennutzungen der nur vorrübergehend leer stehenden Räume als Präsentations- und Arbeitsräume angedacht.
Am Langenbrückertor erhält die Lemgoer Innenstadt einen neuen südlichen Auftakt. Die ehemalige denkmalgeschützte Mühle bekommt mit dem Neubau eines Art- und Konferenzhotels ein adäquates bauliches Gegenüber. Somit werden die Stadtkante zur Flussseite hin und der Eingang zur Stadt gleichermaßen gestärkt.

Landschaftsarchitektonischer Entwurf
Materialkonzept
Das Materialkonzept für den Stadtboden im Zentrum sieht eine grundsätzliche Homogenisierung mit nur subtilen Differenzierungen der Beläge vor. Dabei werden hochwertige Materialien und Formate gewählt, die bereits gegenwärtig in Teilen der Altstadt verlegt wurden.
Die gesamten Straßenzüge sowie untergeordnete Wegeverbindungen werden mit einem großformatigen gesägten Naturstein im Reihenverband gepflastert. Einzig die Mittelstraße, die Breite Straße und die Plätze weichen zur stärkeren Hervorhebung in ihrem Erscheinungsbild ab. Die Mittelstraße wird als Fußgängerzone in ihrer gesamten Breite mit rechteckigen großformatigen Platten des gleichen Natursteinmaterials belegt. Die Breite Straße erhält an ihren Rändern ebenfalls Streifen dieser Platten. Mittig wird sie von einer fünf Meter breiten Fahrbahn durchzogen. Auch diese wird wie die übrigen Stadtstraßen ausgepflastert. An ihren Rändern mit Platten belegt wirken die Pflasterintarsien auf den Stadtplätzen wie große ausgebreitete Teppiche.

Kulturmöbel
Die von uns als Kulturmöbel verstandenen neuen Bauten werden im Freiraum durch Stadtmöbel ergänzt. Im Straßenraum platziert bilden sie Trittsteine zwischen den übrigen Kulturangeboten und dienen der Orientierung und der Identifikation der Stadt mit ihrer Geschichte. Viele der bekannten Lemgoer Möbelfabriken gründeten sich Ende des vergangenen Jahrhunderts aus den ortsansässigen Handwerks- und Sägebetrieben. Gerade der südliche Teil Lemgos, die Neustadt, war bekannt für ihre Handwerker und Gilden. In Anlehnung an das Schreiner- und Tischlerhandwerk bilden wir hölzerne Stadtmöbel aus. Immer als Sitzgelegenheit nutzbar und weiterhin mit unterschiedlichen Funktionen belegt bilden sie Unikate im Straßenraum und können so Orientierung und Treffpunkt sein. Mal sind es große Holzpodeste, auf denen sich die Menschen sonnen und ausruhen können, mal sind die Bänke von Beeten umrandet, die es ermöglichen, im Schatten eines Baumes zu verweilen. Manche Elemente erhalten einen witterungsgeschützten Wartebereich für Omnibusnutzer oder bilden als langgestrecktes Deck einen Balkon zur Bega.
Die Entwürfe zu den Stadtmöbeln könnten gemeinsam mit den Studenten der planungsbezogenen Studiengänge und der Holztechnik in fächerübergreifenden Workshops erarbeitet und im Anschluss von den ortsansässigen Handwerkerfirmen gebaut werden.
Durch die vereinzelte Setzung dieser Kulturmöbel auch entlang der Wege in der Naturlandschaft der Bega, können Verbindungen zu den außerhalb liegenden kulturell bedeutsamen Punkten der Stadt geschaffen werden und das Kulturquartier wirkt somit in seine weitere Umgebung hinein. So sind beispielsweise Möbel entlang des „Weg der Sinne“ zum Architekturdenkmal Schloss Brake (Weserrenaissance-Museum) im Südosten der Stadt denkbar.
Freiräume
Der Abteigarten wird zu einem eigenständigen Parkraum. Eine Baumreihe schirmt ihn zur Wohnbebauung im Westen hin ab. Die Zugänge über das Grundstück der Volkshochschule, über den neu geschaffenen Biergarten und den Hotelbereich im Süden bleiben erhalten. Die Außenräume der Volkshochschule sowie das Museum Hexenbürgermeisterhaus bekommen in ihrer Mitte gestaltete Räume, die mit ihrer Bepflanzung und vereinzelten Sitzgelegenheiten den Charakter der historischen mittelalterlichen Kleinstadt atmosphärisch aufnehmen.
Der Spielplatz südlich der alten Klostermauer wird gestalterisch aufgewertet. Am Lindenwall gelangt man über großzügige Stufenanlagen zur teilweise öffentlich nutzbaren Hotelterrasse. Die Bega bekommt hier durch das nach Süden ausgerichtete Holzdeck eine erlebbare Wasserkante.
Das Areal vor dem Langenbrücker Tor auf der Seite des südlichen Begaufers wird durch weitere Baumpflanzungen, Zuwege zum Wasser und einer Neuordnung der vorhandenen PKW-Stellplätze aufgewertet und bildet den Vorraum zum neuen südlichen Stadtauftakt Lemgos.

Architektonischer Entwurf
Der aus dem historischen Kontext heraus entwickelte Entwurfsansatz beruht auf dem Gedanken, neue Stadtbausteine wie große Möbel zu ergänzen. Geprägt von dem architektonischen Anspruch der Stadt werden die neuen Bausteine identitätsprägend herausgearbeitet und im Kulturquartier der Breiten Straße integriert. Angefangen mit der Fläche des ehemaligen Hanse-Centers, entstehen im hinteren Grundstücksbereich hochwertige Wohneinheiten mit Stadthäusern. Hierzu wird die große Grundstücksfläche in kleinere Einheiten parzelliert und mit schmalen giebelständigen Einzelbaukörpern in der Analogie zur Stadtstruktur ausgebildet. Die Baukörper stellen sich sowohl von der Parzellenbreite und -tiefe, als auch von der Materialität und der Nutzungsstruktur unterschiedlich dar. Individuell angepasst kann es große Lufträume mit fließenden Räumen geben oder auch, je nach Bedarf, normale Raumhöhen. Die Einstellplätze sind im Baukörper integriert. Im vorderen Bereich zur Breite Straße entsteht zur Innenstadtversorgung ein Biomarkt. Notwendige Stellplätze und die Anlieferung sind im rückwärtigen, begrünten Innenhof zu finden. Über dem Markt entstehen Praxis- bzw. Büroräume oder auch Wohnungen. Im Wohnquartier Schuhstraße entsteht ein kleines neues studentisches Viertel mit Ateliers und Cafés in der Erdgeschosszone und studentischem, innerstädtischem Wohnen in den Obergeschossen. Die Gebäude werden neu errichtet und stellen sich ebenfalls wie Stadtmöbel dar. Sie nehmen damit Bezug zur städtebaulichen Neuordnung des Grundstücks des ehemaligen Hanse-Centers. Angebunden an das Wegenetz aus dem Abteigarten und die Durchwegung zur Breite Straße ist das Quartier mit öffentlichem Charakter in die Stadtstruktur eingebunden und wird als Kulturbaustein ein wichtiger Bestandteil der Innenstadt. Die VHS bleibt als eine wesentliche, gewachsene Kultureinrichtung bestehen. An der Stelle des Hansa-Hotels entsteht eine hochwertige Themengastronomie mit einem großen, ausdehnenden Biergarten, der sich in den Abteigarten hinein erstreckt. Durch den zurückliegenden Eingangsbereich wird der Zugang zur Gastronomie und in den Abteigarten markiert. Mit transparenten Fassaden zur VHS in Kombination mit Lufträumen und Galerien wird der Zugang zum Abteigarten attraktiv und lebendig gemacht. Der Altbau der VHS wird freigestellt und erfährt so eine Aufwertung seiner historischen Präsenz und seiner Nutzung. Ein wesentlicher Baustein und weiteres Möbel in der Stadt ist die neue Zugangssituation vom Langenbrücker Tor. Hier entsteht ein viergeschossiges Art-Hotel mit einem speziellen Betreiberkonzept und direkter Anbindung an die Bega. Die Hotellobby ist zweigeschossig organisiert und gleichzeitig Restaurant und Cafébar mit Außengastronomie. Im unteren Bereich entwickelt sich der Konferenzbereich mit Außenbestuhlung vis-à-vis zur Bega. In den Obergeschossen sind 40 Zimmer mit 80 Betten angeordnet. Die notwendigen Stellplätze können auf dem Parkplatz Langenbrücker Tor ausgewiesen werden. Es entsteht ein neues Gesicht der Stadt mit einer Torsituation und dem Gegenüber der Mühle als Auftakt ins neue Kulturquartier. Die neuen baulichen Stadtmöbel integrieren sich maßstäblich in die kleingliedrige Struktur und schaffen für den gesamten Bereich eine neue Identität und Lebendigkeit.