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Nichtoffener Wettbewerb | 04/2012

Erweiterungsneubau eines Hörsaal- und Seminargebäudes am Standort Recht und Wirtschaft der Justus-Liebig-Universität Gießen

Anerkennung

hammeskrause architekten bda

Architektur

Erläuterungstext

Erläuterungsbericht


Städtebau / Gesamtkonzeption

Die Baustruktur des vorhandenen Campus Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der Justus-Liebig-Universität Gießen ist durch einen starken Bruch zwischen den als Kulturdenkmal geschützten Gebäuden der ehemaligen Sichanstalt und der raumgreifenden Großstruktur der 70iger Jahre Erweiterung gekennzeichnet.

Der Neubau des Lehrgebäudes Recht und Wirtschaft besetzt die Ecke des Campus mit Ausrichtung zum Campus Philosophikum. Die Setzung und Volumetrie des neuen Baukörpers mit seiner klaren Geometrie bildet an dieser Stelle einen eigenständigen Auftakt. Die geometrische Reduzierung und Klarheit schafft innerhalb des heterogenen Umfelds die notwendige Balance zwischen den vorhandenen Strukturen und Signifikanz. Der Baukörper erhält eine, seinen Funktionen angemessene und würdevolle eigene Identität, eingebettet in den Gesamtcampus. Es entsteht ein neues Signet des Hochschulcampus am Eingang.

Freianlagen

Baukörper und Vorplatz eröffnen die Chance auf einen neuen Auftritt des Campus zur Stadt in Richtung Philosophikum. Ein gemeinsamer Vorplatz mit den Bestandsbauten bindet die Baukörper ein und stärkt den Ensemblecharakter des Campus. Hier befinden sich, nach Süden ausgerichtet, die Freibereiche der Cafeteria und weitere Aufenthaltsorte und Treffpunkte. Der Platz kann sich perspektivisch bis an den Straßenraum entwicklen und den Zugang vom Philosophikum in den Campus räumlich angemessen formulieren. Die Zufahrtsstraße zu den Parkplätzen kann über den neuen Belag geführt werden und so zur Verkehrsberuhigung beitragen. Über eine transparente, gläserne Fuge wird der Baukörper in die bewegte Topografie eingebunden.

Gebäudestruktur

Der bisherige Zugang mit der Kreuzung zwischen Ausgabe und Sitzbereich ist ungewöhnlich, funktioniert jedoch im gelebten Alltag recht gut. Der Neubau hat eine separaten Haupteingang, um die Verkehrsströme hier zu entflechten. Die Cafeteria des Bestandsgebäudes erweitert sich nahtlos zum Neubau und von dort in das Foyer. In direkter Verlängerung führt eine großzügige Treppe zum Foyer und dem großen Hörsaal im Hanggeschoss, beide über Lichtrutschen und Oberlichter mit Ausblick und Tageslicht versorgt.

Um ein zentrales, offenes Haupttreppenhaus gruppieren sich in den Obergeschossen alle Seminarräume. Die umlaufenden Galerien stellen den Raum für die informelle Kommunikation und den Austausch der Nutzer innerhalb des Gebäudes dar. Die Lage der einläufigen Treppe zwischen Erdgeschoss und Obergeschossen schafft vielfältige visuelle Verbindungen bei der Bewegung durch den Raum, durch das Gebäude. Wie selbstverständlich entsteht eine Atmosphäre, in der man Überblick gewinnt und direkt oder indirekt an den Aktivitäten im Atrium teilnehmen kann. Begegnung und Austausch wird stimuliert.
Die Tageslichtautarkie im Inneren des Gebäudes über das Oberlicht fördert diese räumlich Atmosphäre und unterstützt die Energieeffizient des Entwurfs.

Zwei notwendige Fluchttreppenhäuser stellen die erforderlichen Rettungswege sicher. Für die Entrauchung des offenen Luftraums der Haupttreppe werden im Oberlicht Öffnungsklappen vorgesehen, die auch der Temperierung dienen. In Synergie mit dem im integrativen Energiekonzept vorgesehenen Wärmepufferspeicher wird für dieses Atrium eine Sprinklerung vorgeschlagen. Neben der Unterstützung der erwünschten kommunikativen Qualitäten der offenen umlaufenden Galerien am Atrium ist die Wirtschaftlichkeit durch reduzierte Anforderungen an die angrenzenden Bauteile und eine große Flexibilität für den laufenden Betrieb und zukünftige Nutzungen gegeben.

Energiekonzept

Um die Vorgaben zur Erreichung des energetischen Standards: EnEV 2009 - 50% einzuhalten, ist ein zukunftsorientiertes Energiekonzept unter Einbezug ganzjährig zur Verfügung stehender natürlicher Energiequellen notwendig. Die thermische, akustische und raumhygienische Behaglichkeit kann nur in einem integrierten technischen Gesamt-Konzept eine hohe Energieeffizienz hervorbringen. Die vorgeschlagene technische Lösung steht in einem ausgewogenem Verhältnis von Investitionskosten zu Betriebskosten.
Die kontrollierte Be- und Entlüftung aller Hörsaal- und Seminarräume ist die Voraussetzung für das energieeffiziente Gesamtsystem. Die Luftverteilung erfolgt über einbetonierte, innen berippte Aluminiumrohre. Dadurch werden auch die Massen der Betondecken sowohl zum Heizen wie auch zum Kühlen thermisch aktiviert. Die Wärmerückgewinnung aus der Abluft erfolgt als hoch effizientes System mittels adiabater Abluftbefeuchtung. Ein Erdwärmetauschers wird zur Luftvorkonditionierung zur Vorkühlung der Zuluft im Sommer und Vorwärmung im Winter eingesetzt. Die Zuluft aus dem Erdwärmetauscher kann bei Bedarf auch in denn zentralen Luftraum der Haupttreppe eingeblasen werden. Neben der Systeme für die Grundlasten im Sommer wie im Winter gibt es ein schnell reagierendes System im Niedertemperaturbereich mittels Heiz- und Kühldecken.
Die gewählte Fassadenkonstruktion mit dichten und je nach Himmelrichtung unterschiedlich weit auskragenden horizontalen Sandstein Lamellen unterstützt baukonstruktiv effektiv die Überhitzung der Räume ohne die Abhängigkeiten von außen liegenden Jalousien als Sonnenschutzeinrichtungen.

Tragwerkskonzept

Grundriss und Tragstruktur nehmen in hohem Maße Rücksicht auf die Notwendigkeit der schnellen Erstellung des Gebäudes. Auf den Wänden eines Stahlbetontrogs im Hanggeschoss, teilweise im Erdreich ruhend, liegen im Erdgeschoss und im 1. Obergeschoss Vierendeelträger. In Ihrer statischen Höhe überspannen sie den großen Hörsaal. Senkrecht auf diese Wandträger liegen im 2. Obergeschoss ebenfalls 2 Vierendeelträger. An den Schnittstellen dieser Tragstruktur mit der Trogwand stehen umlaufend Stützen, die ihre Last in die Trogwand einleiten.

Aussage zur Materialwahl im Inneren und Äußeren

Ein Hochschulgebäude muss mit robusten und langfristig, wertstabilen Materialien ausgestattet sein.
Sämtliche Baustoffe werden anhand der EPD (Enviromental Product Declaration) und der Ökobau.dat bestimmt und hinsichtlich Ihrer Nachhaltigkeit und der Lebens-Zyklus-Kosten bewertet und ausgewählt.
Der Eingangsbereich und das Foyer vor dem großen Hörsaal erhalten einen Bodenbelag aus großformatigen Betonwerksteinplatten. Die Seminarräume und Galerien in den Obergeschossen erhalten Beläge aus Linoleum. Die Wände werden aus holzfurnierten Oberflächen mit akustisch absorbierenden Lochungen und hinterlegten Vliesen geplant. Speichermassen in Wände und Decken werden in sichtbaren Betonoberflächen ausgeführt. Akustische und klimatechnische Anlagen werden teilweise als Segel untergehängt.

Die Fassaden werden in dreifach-verglasten Aluminium Pfosten-Riegel-Konstruktion geplant. Der baukonstruktive, außen liegende Sonnenschutz wird aus windunabhängigen horizontalen Tafeln aus ortsnahem Friedenwalder Sandstein vorgehängt. Die Klarheit und Gliederung der wenigen Materialien unterstützen, neben den ökologischen Aspekten, die würdevolle, robuste und nachhaltige Identität des Gebäudes. Ergänzend zur eigenständigen Signifikant wird über die Materialwahl und deren materialeigener Farbigkeit eine Verbindung zu den Bestandsbauten geschaffen.

Aussage zur zeitlichen Optimierung des Bauablaufs

Der Neubau kann unabhängig vom Bestandsgebäude errichtet werden. Er erfordert nur geringe Eingriffe beim barrierefreien Anschluss an den Bestand. Im Hinblick auf die Baustellenlogistik und die Unabhängigkeit vom Hochschulbetrieb lässt dies einen zeitlich optimierten Bauablauf erwarten.
Zudem ist die gewählte Geometrie, die Kompaktheit und die Tragwerksstruktur geeignet, mit wenigen, klar strukturierte Elemente und Materialien den Bauablauf zu beschleunigen.