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Einladungswettbewerb | 05/2012

Wohnungsneubau an der Siedlung Schillerpark

1. Preis

Bruno Fioretti Marquez

Architektur

Vogt Landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

ifb frohloff staffa kühl ecker

Tragwerksplanung

Ingenieurgesellschaft Zimmermann mbH

TGA-Fachplanung

Elephantgreen cgi

Visualisierung

Erläuterungstext

Einführung
„Ein Zeilenbau, der als abstrakte Forderung brutal über die Gegebenheiten der Landschaft und des Gebäudes hinweggeht müsste konsequenterweise auf Rädern und Schienen um die ganze Erde herumrollen. Die natürlichen Hindernisse, die die rollende Theorie in Berg, Wald, Wasser usw. findet, sind in Wahrheit die allerwertvollste Hilfe des Architekten.“
Bruno Taut deutet in diesem Satz auf ein wichtiges Element seiner Architektur hin, welche dem großmaßstäblichen Charakter seiner Projekte zum Trotz ihre Reichhaltigkeit aus dem feinen Zusammenspiel von Regularität und lokaler Besonderheit bezieht. Diese Suche im Sinne Tauts nach den Möglichkeiten zwischen dem Gewöhnlichen und dem Besonderen ist der Ausgangspunkt dieses Projektes.

Städtebau und Formensprache
Blockrand und Zeile
Die Hauptvolumen liegen an der Grundstücksgrenze und folgen dem Verlauf der Schwyzer- und der Barfusstrasse sowie mit einigen Metern Abstand der Grenze zur Nachbarparzelle an der Nordseite des Grundstücks. Zusammen gliedern sie den Außenraum und definieren einen klar vom öffentlichen Straßenraum abgetrennten geschützten Innenbereich. Durch die Platzierung der Bebauung direkt am Grundstücksperimeter wird die Fläche des Innenbereichs maximiert.

Die Regelmäßigkeit dieser Figur wird ähnlich wie bei Taut durch die Aufnahme örtlicher Besonderheiten gebrochen. Neben dem sanften Kurvenverlauf der Schwyzer Strasse, der den Baukörper formt und ihm eine eigene Dynamik verleiht ist es vor allem die besondere Ausformung der Ecksituationen, mit der das Gebäude auf seinen spezifischen Kontext reagiert. Statt der üblichen Schließung des Blockrandes wird der Bereich an der Kreuzung von Barfus- und Schwyzerstrasse als zurückversetzte Ecke ausgebildet, die im Erdgeschoss einen großzügigen Durchgang zum halböffentlichen Innenbereich anbietet und eine klare Eingangssituation artikuliert. Eine ähnliche Geste wird an der zweiten Ecke der Figur an der Barfusstrasse wiederholt. Durch diese gezielte Entschärfung des Blockrandes wird eine Ambiguität erzielt, welche die städtebauliche Figur typologisch zwischen Blockrand und Zeilenbau oszillieren lässt.
Das grüne Zimmer, Tür und Tor
Der Innenbereich im Hof nimmt analog zum Baukörper eine mehrdeutige Rolle ein. Durch die an den Ecken gelegenen Durchgangstore und an den freistehenden Abschlüssen des Gebäudes verbindet sich der Hof mit dem Außenraum. Die umgebenden Grünanlagen des Schillerparks finden ihre Fortsetzung in der Hofbegrünung. Die Verwebung des Hoflebens mit dem Stadtleben wird zudem durch das in der Straßenansicht betonte Element der Eingangstür verstärkt. Die von der Strasse zum Innenhof durchgesteckten Hauseingänge im Erdgeschoss entschärfen den geschlossenen Charakter des Gebäudes und ermöglichen den Nutzern einen direkten Zugang zum Hof.
Gleichzeitig kann der Hof auch als erweiterter Außenwohnraum gelesen werden, als eine Verlängerung der Innenräume ins Freie. Die Wohnungen im Erdgeschoss haben durch eine Erhöhung des Innenhofes um 70 cm zum Straßenniveau einen ebenerdigen Zugang zu diesem grünen Zimmer, das als verbindendes Element zwischen allen Wohneinheiten den gemeinschaftlichen Charakter des Gebäudes unterstreicht.


Landschaftsplanung

Innenhof
Der leicht erhöhte Innenhof nimmt das orthogonale Grundprinzip der angrenzenden historischen Siedlungsbauten und des Schillerparks auf. Zentrales Element im Innenhof ist eine grosse Wiesenfläche, die für alle Bewohner frei nutzbar ist. Sie ist der zentrale Ort für Gemeinschaft, Spiel und Quartiersfeste. Er steht in der Tradition der Quartierswiesen und formuliert den „common ground“ der Wohnsiedlung.
In der Wiese steht - leicht erhöht für die notwendigen Wurzelraum - eine kompakte Gruppe aus Stadtbirnen (Pyrus calleryana ‘Chanticleer‘). Dieser formale Schwerpunkt des Hofes ist gleichzeitig ein Ort für Spiel und Sitzen, ist aber auch mit seinem Schattenspiel, den Blüten, Blattfarben, Herbstfärbung Zeichen der Tages- und Jahreszeiten.

Wiese
Die Wiese ist eingefasst durch Wege, die zum einen den Wohnbauten alternativ einen hofseitigen Zugang ermöglichen, zum anderen über Treppe und Rampe an den öffentlichen Strassenraum anschliesst. Die Wege dienen ebenfalls für die Feuerwehrzufahrt, diese wird durch Schotterrasen am Rand der Wiese ergänzt.
Wiese und Innenhof werden an drei Seiten durch Wohnbauten räumlich gefasst, die vierte Seite wird vegetativ geschlossen. Hier finden sich – weitgehend zwischen Tiefgaragenkante und Grundstücksgrenze – ein Pflanzung aus Apfelbäumen, die an der Grundstücksgrenze mit einer lockeren Hecke aus Hainbuche und Liguster begrenzt wird und in der leichte Höhenunterschiede zum Nachbargelände überwunden werden. Die Apfelbäume können als reine Zierbäume gepflanzt werden; besser wäre allerdings eine Mischung aus klassischen, Frucht tragenden Sorten, die den für Anlagen der 20er und 30er Jahre wichtigen Aspekt der produktiven Gärten aufnehmen. Das Element der Apfelbäume findet sich ein weiteres Mal am Grundstückszugang von der Barfusstrasse. Die Wiese kann als mehrschürige Wiese oder als extensiv gepflegter artenreicher Rasen ausgebildet werden.
Sitzmöglichkeiten finden sich bei den Apfelbäumen, aber auch unter der Birnengruppe und in der Südecke, hier jeweils kombiniert mit Kinderspiel. Der Hof ist nur zurückhaltend beleuchtet. Bereiche für Abfall- und Recyclingcontainer sind im Zugang von der Barfusstrasse.


Raumorganisation

Grundstruktur und Modularität
Die interne Gliederung des Baukörpers erfolgte in drei wesentlichen Schritten. Um ein angemessenes Raummaß für die Wohnungen sowie eine effiziente Organisation der Tiefgarage zu ermöglichen wurde dem Gebäude ein herkömmliches Raster von 1,25 x 1,25 m zugrunde gelegt. Darauf hin wurde eine Gebäudetiefe von 13 m sowie eine Größe von 3,75 m mal 6,5 m für die Raummodule festgelegt, aus denen sich sämtliche Wohneinheiten von 40 bis 120 m2 und die Erschließungskerne zusammensetzen. Der wichtigste und letzte Schritt besteht in der Verschiebung der Module entlang der Mittelachse des Gebäudes in Längsrichtung.

Durchwohnen
Erst die durch diese Verschiebung erfolgte Verzahnung der Raummodule erzeugt die besonderen Qualitäten des Innenraums: Sie ermöglicht eine weite Öffnung der Räume und ein Durchwohnen von der Straßenseite zur ruhigen Hofseite bei optimalen Raumbreiten. Die durch die Verzahnung erzeugten Nischen können sekundäre Funktionen wie die Küchenzeile und das Badezimmer aufnehmen, ohne den wertvollen Durchblick durch die Wohnung zu versperren. Es entstehen großzügige und helle Innenräume mit Loggia, die sich durch eine Faltschiebetür komplett zum umgebenden Grünraum öffnen lassen.

Modulare Flexibilität auf zwei Ebenen
Aufgrund der Verteilung der Erschließungskerne, der gebündelten Anordnung der Installationsschächte und vor allem aufgrund seiner Grundstruktur in Raummodulen ermöglicht der Entwurf ein sehr hohes Maß an Flexibilität. Innerhalb der gesamten Gebäudestruktur ist eine übergeordnete Flexibilität bei der Einteilung der Raummodule möglich. Deren kombinatorische Vielfalt erlaubt bei Bedarf eine Zusammenschaltung zu größeren oder eine Teilung in kleinere Einheiten und ermöglicht somit verschiedene alternative Wohnungsschlüssel. Die Wohnungsformate können sich an den Markt anpassen und bieten eine nachhaltige Perspektive.
Auf untergeordneter Ebene ist ebenfalls viel Flexibilität gegeben, da die Raummodule auch innerhalb einer Wohnungseinheit durch leichte Raumtrennelemente wie Faltschiebetüren und Schränke vielfältige Einteilungen erlauben und mit geringem Aufwand eine kurzfristige Anpassung an neue Wohnbedürfnisse ermöglichen.

Standardisierung
Die verschiedenen Raummodule weisen einen hohen Grad an Standardisierung in ihrer Konstruktion und Ausstattung aus, wodurch die Kosten für Erbauung und Unterhalt in einem wirtschaftlich günstigen Bereich liegen.

Fassade

Grundstruktur und Modularität
Der Ansatz der Standardisierung spiegelt sich auch in der Fassadengestaltung wider. Es werden standardisierte Öffnungstypen in wiederkehrenden Formaten verwendet, die sich wie alle Bauelemente am modularen Grundrissraster orientieren und sich seriell auf der gesamten Fassade wiederholen. Die Setzung der Öffnungen lässt einen möglichst großen Spielraum für die vielfältigen kombinatorischen Anordnungen der Raummodule.

Gestaltung und Materialität
Durch verschiedene Tiefen der Fensteröffnungen und Loggien entsteht ein sanftes Schattenspiel, welches sich über die ganze Fassade legt und sie plastisch erscheinen lässt. Indem längere Öffnungen mit anliegenden kleineren Öffnungen optisch zu einem Fensterelement zusammengefasst werden emanzipiert sich die Fassade von den Grundrissanordnungen. Die Fassadenöffnungen wirken durch diesen Zusammenschluss präzise platziert und beruhigen das Fassadenbild indem sie ihren langsamen und souveränen Rhythmus über den der Raummodule legen. Diese Geste wird durch die Oberflächengestaltung der Obergeschosse verstärkt, die einen einheitlichen hellen Kalkputzbelag über die volle Länge des Gebäudes vorsieht. Der Gebäudesockel wird durch seine Ausführung in Kunststeinfertigteilen über die volle Höhe des Erdgeschosses differenziert ausgebildet. Die Fertigteile übernehmen gestalterisch die Struktur des Putzes und ermöglichen eine unkomplizierte Reinigung bei Vandalismus.

Dämmung und Wirtschaftlichkeit
Ziel ist die Optimierung der Herstellungs- und die Minimierung der Betriebskosten. Daher wird darauf verzichtet die Potentiale der Wärmedämmung und der Anlagentechnik bis zu den Grenzen auszureizen.
Die Fassade ist als monolithische verputzte Mauerwerkskonstruktion vorgesehen. Durch gefüllte Porenziegel mit einer Wärmeleitfähigkeit von 0,08 W/mK, ergänzt durch 6 cm starken Wärmedämmputz, wird ohne zusätzliche Dämmschichten ein U-Wert von 0,19 W/m²K erreicht, was deutlich unter den Anforderungen der EnEV liegt. Auch durch den Einsatz von Holzfenstern mit Dreifachverglasung und einer starken Dämmung des Flachdaches werden diese übertroffen.
Im Zusammenhang mit der nachfolgend beschriebenen Anlagentechnik werden niedrige Betriebskosten zu optimierten Herstellungskosten realisiert.


Technischer Gebäudeausbau

Heizungstechnik
Als zentrales Heizmedium steht Fernwärme zur Verfügung. Der sehr gute Primärenergiefaktor trägt dazu bei, die zu erwartenden Vorgaben der EnEV 2012 im Zusammenspiel mit der baulichen Hülle und der einzusetzenden Technik deutlich zu unterschreiten.
Von der zentralen Wärmeerzeugung erfolgt die vertikale Verteilung zu den Geschossen. Hier befinden sich die jeweiligen Abgänge zu den Wohnungen mit der notwendigen Verbrauchserfassung. Zur Reduzierung des Energieeinsatzes werden die zur Beheizung der Wohnungen einzusetzenden Heizkörper auf Vorlauftemperaturen von max. 50°C ausgelegt.
Zur Umsetzung des EEWärmeG werden auf den Dächern Solarmodule zur vorrangigen Warmwassererzeugung installiert. Reicht die hier erzeugte Wärme nicht aus, erfolgt eine Nachspeisung durch die Fernwärme.

Raumlufttechnische Anlagen
Konzeptionell werden alle Wohnungen durch den Einsatz einer kontrollierten Lüftungstechnik unter Anwendung der DIN 1946 Teil 6 be- und entlüftet. Dadurch können sowohl die Wärmenergieverluste als auch häufig auftretende Schimmelbildungen durch unkontrollierte / falsche Fensterlüftung reduziert bzw. vermieden werden.

Aufzugstechnik
Der Personenaufzug im Gebäudekern wird als maschinenraumloses System in behindertengerechter Ausführung ausgebildet.

Sanitärtechnik
Jede Wohnung erhält die notwendigen Sanitärinstallationen. Für die vorgesehenen Einbauküchen werden die Anschlüsse gem. Küchenplan vorgesehen.
Die Warmwasserversorgung erfolgt zentral von der Heizzentrale.

Elektrotechnik
Dem Niederspannungshausanschluß ist das zentrale Zählerfeld nachgeordnet. Die Anlage ist dabei so konzipiert, dass jeder Mietbereich einen individuellen Stromlieferanten auswählen kann. Von hier erfolgt die Verlegung der Mietbereichsanschlußkabel über die entsprechenden Steigepunkte bis zu den Mietbereichsverteilern. Die Installation in den Mietbereichen selbst erfolgt unter Berücksichtigung der Raumplanung, jedoch ohne Beleuchtungskörper.

Schwachstromtechnik
Vom Hausanschluß erfolgt die TK- Leitungsführung zu jedem Nutzungsbereich. Wahlweise besteht die Möglichkeit der Kabel-Breitbandversorgung oder der TV-Versorgung durch eine hauseigene Satellitenanlage.
Von den Hauszugangsbereichen erfolgt die Installation einer Klingel- und Wechselsprechanlage und die Verbindung mit den verschiedenen Nutzungsbereiche.