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Mehrfachbeauftragung | 07/2012

Lutherarchiv

Teilnahme

Junk & Reich Architekten BDA Planungsgesellschaft mbH

Architektur

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Verfasser wählen nach einer Auseinandersetzung mit der Substanz des Bestandsgebäudes einen besonderen Entwurfsansatz. Sie schlagen die komplette Nachbildung seiner städtebaulichen Kubatur und damit einen Neubau für das Lutherarchiv vor. Dieses soll in seinem äußeren Erscheinungsbild an die Baugeschichte des Bestandsgebäudes erinnern und zugleich die Anforderungen an ein Archivgebäude erfüllen. Deshalb hat es keine Fenster oder Öffnungen zum Straßenraum und soll mit einer rötlich eingefärbten, matrizenhaften Betonoberfläche den historisch belegbaren Bestand assoziieren. Die Farbigkeit wird aus dem in Eisleben traditionell verwendeten roten Sandstein der Region abgeleitet. Nach Westen zum Garten wird dem Archivgebäude ein gestalterisch durch eine Fuge getrenntes neues Gebäude mit einem Multifunktionsraum im Erdgeschoss und Arbeitsräumen im Obergeschoss hinzugefügt. Dieser Gebäudeteil wird in Sichtbeton gehalten und öffnet sich zum Schöpfungsgarten mit einer Verglasung über beide Geschosse.

Die Erschließung des Gebäudes erfolgt vom Garten direkt über den lang gestreckten Multifunktionsraum und weiter über eine einläufige Treppe, die in Kombination mit Technikräumen und einem Kleingüteraufzug zwischen den Anbau und die Archivflächen gelegt ist. Im Erdgeschoss sind das Büroarchiv und ein Sanitärbereich eingeordnet. Das Depot im ersten Obergeschoss ist räumlich den Arbeitsräumen zugeordnet. Die Bibliothek liegt im Dachgeschoss. Auf ein Kellergeschoss verzichten die Entwurfsverfasser vollständig.

Das Beratungsgremium setzt sich mit dem radikalen Entwurfsansatz kontrovers auseinander und diskutiert die zu erwartende Wirkung des neuen Objektes mit seiner Betonoberfläche und Haptik bis hin zur recht dominanten roten Farbigkeit im Straßen- und Stadtraum. Der assoziative Ansatz des Neubaus ignoriert die überlieferte Substanz faktisch vollständig und leistet zu wenig für eine Erhaltung und Weiterentwicklung des hochkarätigen Denkmalensembles. Insbesondere die Wirkung der vorgeschlagenen Dachoberfläche, die lediglich als Abdruck wirksamen Fenster und das zu erwartende Fugenbild werfen viele Fragen auf.

Das Beratungsgremium kommt zudem zu dem Schluss, dass der neue Baustein zu stark in Konkurrenz zu den übrigen Objekten des Luthergeburtshausensembles treten wird, die sowohl der funktionalen Bedeutung (Archiv und Arbeitsräume) nicht angemessen erscheinen, als auch dem städtebaulichen Gefüge an der Seminarstraße entgegen stehen.

Das Grundkonzept für die funktionale und räumliche Gestaltung des Gebäudes steht nicht in Frage, wohl aber die Proportion und Brauchbarkeit des recht schmalen Multifunktionsraumes. Ein Problem aus Nutzersicht stellt vor allem die Abwicklung der gesamten Gebäudeerschließung direkt über den Multifunktionsraum dar.

Aus energetischer Sicht stehen einer guten Tageslichtnutzung und einem sinnvollen Wärmeversorgungskonzept Defizite bei der sommerlichen Behaglichkeit und Zweifel an der Gewährleistung der geforderten engen Grenzen für die Luftfeuchte in den Bereichen Bibliothek/Trockendepot und Depot gegenüber. Nicht bewertet werden kann der zu erwartende Standard für den Heizwärmebedarf. Der bauliche Entwurf lässt jedoch einen hohen Dämmstandard in der Hüllfläche zu. Die zu erwartenden Energiekosten liegen um ca. 10 % über dem Mittel aller eingereichten Entwürfe. Die Effizienz der Wärmepumpe sollte den Forderungen des Erneuerbare-Energien-Wärmegesetzes entsprechen (Arbeitszahl größer 4,0). Im Falle einer Realisierung müsste geprüft werden, ob die Bohrpfahlgründung zur Nutzung der Erdwärme einbezogen werden kann. Die Technikflächen sind ausreichend bemessen. Nach der vorgeschlagenen baulichen Lösung (vollständiger Abriss des Bestandsgebäudes und Neubau sowie Erweiterung) müsste der Entwurf den Anforderungen der Energieeinsparverordnung an einen Neubau entsprechen.