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Einladungswettbewerb | 11/2012

Stadteingang Scharnhauser Park - Wohn‐ und Geschäftshaus Niemöllerstraße

1. Preis

Preisgeld: 18.000 EUR

Baumschlager Eberle Architekten

Architektur

Jens Gehrcken - visualisierung+architekturfotografie

Visualisierung

Erläuterungstext

Das Plastische im Rhythmus des Stadtraumes

Städtebau und Außenraum
Raum ist die Beziehung zwischen den Dingen. Städtebaulich gesehen wird diese Beziehung aus dem Gefüge des Gebauten und Nicht-Gebauten konstituiert. Konkret auf die Situation übertragen, bedeutet es, dass das neue Ensemble in Beziehung tritt mit den offenen und geschlossenen Blockbebauung des Kreuzungsbereiches Niemöller- und Breslauerstraße. Daher wurde für den künftigen Gebäudekomplex eine offene Blockstruktur gewählt, weil sich daraus mehrere Vorteile ableiten: Typologisch ergibt sich aus der gegebenen Situation das Eingehen auf den Kontext, während die neue Blockrandbebauung mit dem Bestand eine Torsituation an der Niemöllerstraße eröffnet und die Stadtraumkante an der Niemöllerstraße fortsetzt.
Außerdem macht diese Bauform es möglich, einen möglichst beschallungsarmen und damit angenehmen Hofbereich für die Bewohner zu schaffen. Die Markthalle bildet einen zusätzlichen Puffer gegenüber dem öffentlichen Verkehr. Dennoch wird mit der Öffnung des Blocks und dem neuen Wegenetz die Landschaft in das Erleben des Außenraumes miteinbezogen. Die Differenzierung zwischen öffentlichen und halböffentlichen Raum – ein weiterer Vorteil der Blochbebauung – kommt hier voll zum Tragen. Gebäudehöhe und Traktiefe orientieren sich ebenfalls am Bestand, sodass eine gewisse Homogenität in diesem recht diffusen Stadtquartier erzielt wird. Das Grundstück liegt zwischen der Stadtbahnhaltestelle Scharnhäuser Park und dem Marktplatz mit dem anliegenden Rathaus. Die Markthalle öffnet sich zum Haltestellenplatz und belebt dessen nördliche Kante. Der neue Vorplatz schafft eine attraktive Verbindung zwischen dem Haltestellenplatz und der Niemöllerstraße. Der Weg zum Rathaus wird durch einen Arkadengang mit anliegendem Einzelhandel aufgewertet.

Erschließung und Funktion
Der Zugang zum Wohngebäude erfolgt straßenseitig, eine gemeinsame Tiefgarage begründet – wörtlich zu verstehen – das gesamte Ensemble. Die 2- bis 4-Zimmerwohnungen der Zweispänner sind durchgesteckt, sein profitieren also von der Lage zum offenen Innenhof, während die eingezogenen Loggien einen geschützten, privaten Freiraum gewähren. Das Wohngebäude und besonders die Markthalle sind konstruktiv auf eine Weise konzipiert, dass sich zwischen den tragenden Kernen und Fassaden nutzungsneutrale Flächen eröffnen. Daher kann man auch im Baufortschritt noch auf sich ändernde wirtschaftliche Bedingungen ohne besonderen Aufwand reagieren. Das kompakte Wohngebäude verfügt über tiefe Fassaden mit einem relativ hohen Wandanteil, die den natürlichen Wärmeeintrag mit den Möglichkeiten der Architektur steuern, ohne eine kurzlebige Haustechnik in Anspruch nehmen zu müssen. Die Dauerhaftigkeit des Gebauten und die Flexibilität der räumlichen Anordnung bieten gemeinsam die Basis für eine nachhaltige Architektur, weil das Solide der Primärkonstruktion und der Stirnseiten die Hülle für die Veränderungen im alltäglichen Leben der Zukunft bietet.

Architektur
Die Fassaden entsprechen dem konzeptuellen Ansatz des Gebäudeensembles. Sie erhalten auf diese Weise eine starke, plastische Charakteristik, nach außen klar ablesbar durch die tiefen Fensterlaibungen. Im Rhythmus der Fensterachsen findet sich ein architektonisches Äquivalent zur Dynamik des Straßenraumes, während zum Hof hin das Motiv der Öffnung angesprochen wird. . Architektur wird insgesamt auf ihre ganz elementaren Möglichkeiten bezogen, wenn etwa im Arkadengang das Thema Stütze und Last neu formuliert wird oder wenn die Materialität der Ziegelfassaden die Dauerhaftigkeit des Gebauten reflektiert. Architektur ist also die Form zum Inhalt, sodass als logisches Ergebnis des Findungsprozesses die Gestalt des Ensembles konstituiert wird.

Beurteilung durch das Preisgericht

Auf den ersten Blick suggerieren die Verfasser eine Blockrandbebauung, die sich nach Osten hin öffnet und in südliche Richtung durch einen freistehenden, zweigeschossigen Baukörper der neuen Markthalle abgeschlossen wird.

Die Stadtraumkante an der Niemöllerstraße wird fortgesetzt. Gebäudehöhe und Gebäudetiefe orientieren sich an den bestehenden Stadtstrukturen. Auf Seite der Niemöllerstraße und der Breslauer Straße begleitet eine Arkade das Erdgeschoss, weist auf das Stadthaus und positioniert die Wohnungszugänge. Eindeutige Adressen werden geschaffen. Als verbindendes Element und als städtisches Mobiliar versteht sich ein neuer Brunnen südlich des Zeilenbaus. Durch Auflösung der bestehenden Treppe und der ebenerdigen Setzung der neuen Markthalle wird der Stadtbahnplatz aufgewertet und als „Neuer Markt“ positioniert. Im Gegensatz zu der starken Öffentlichkeit dieses Platzes steht der nach Osten und Süden geschützte private Hof der Wohneinheiten. Die sorgfältig ausgearbeiteten Wohnungsgrundrisse sind als durchgesteckte Typen konzipiert. Die Loggien und Wohnräume orientieren sich in der Regel auf die ruhige Hofseite. Die Wohnqualität der Eckwohnungen ist nochmals zu überprüfen. Im Erdgeschoss werden im fünfgeschossigen Zeilenbau Gewerberäume angeboten. Die Setzung der zweigeschossigen Markthalle formuliert einen klaren Rücken zum Hof und zur Landschaft und öffnet sich auf den Stadtbahnplatz und die Edith‐Stein‐Straße. Das vorgeschlagene Treppenhaus im Marktgebäude ist in seiner Lage zu optimieren und mit dem Untergeschoss zu verbinden. Die Dienstleistungsflächen im Obergeschoss sind flexibel einteilbar, gut erschlossen und repräsentativ. Die Kolossalordnung der Fassaden versteht sich als klares Zeichen zum Platz. Die ganzheitlich in Klinker materialisierten Fassaden des Wohnbaus mit unterschiedlich rhythmisierten Öffnungen erzeugen noch eine gewisse Unruhe.

Die Zweigeschossigkeit der Markthalle vermag die Maßstäblichkeit des Quartiers „In den Holzwiesen“ aufzunehmen.

Die Zufahrt zur Tiefgarage ist gut platziert, die Aufteilung der Parkplätze in öffentliche und private ist konsequent umgesetzt. Noch nicht gelöst ist die Anlieferungssituation der Markthalle und der Gewerbeflächen.

Grundsätzlich klärt dieser Projektvorschlag die Bedürfnisse des Ortes. Das Marktgebäude sitzt folgerichtig am Stadtbahnplatz und vermittelt zwischen öffentlichen Nutzungen und privaten Bereichen. Das Wohnhaus fügt sich in seiner Maßstäblichkeit unprätentiös in den Bestand.