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Nichtoffener Wettbewerb | 11/2012

Kleiner Kiel Kanal

2. Preis

Agence Ter

Landschaftsarchitektur

Melchior + Wittpohl Ingenieurgesellschaft GbR

Bauingenieurwesen

Erläuterungstext

Kleiner Kiel Kanal - Kielarchipel

Synthese von Gestaltung, Ökologie und Ökonomie
Im Kontext einer zeitgenössischen Planung stehen die Faktoren von ökologischer und ökonomischer Nachhaltigkeit mehr denn je zuvor im Fokus der öffentlichen Wahrnehmung und bestimmen die Zukunftsfähigkeit eines Konzeptes maßgeblich. Unter der Berücksichtigung dieser Kriterien präsentiert dieser Beitrag eine im ganzheitlichen Sinne nachhaltige Lösung. Die Sichtbarmachung des energiesparenden, alternativen, hydraulischen Konzepts sowie die symbolische Herstellung der historischen Wasserverbindung des Kleinen Kiels über den Kleinen Kiel Kanal zum Bootshafen und zur Förde generieren einen ortsspezifischen Charakter für die „Neue Mitte“ Kiels. Es entsteht ein zentraler Raum welcher Alt- und Neustadt verbindet und Potentiale für öffentliches Leben, Einzelhandel und Gastronomie, aktiviert. Hier gehen lokale und historische Identität, Funktionalität und Umsetzbarkeit, zukünftige öffentliche Akzeptanz, ökologischer Anspruch und ökonomische Verhältnismäßigkeit eine untrennbare Verbindung ein. Sie alle werden zu den grundlegenden Prinzipien für die Gestaltung eines lokal verankerten und zukunftsorientierten Vorzeigeprojekts im Herzen von Kiel.

Räumliche Struktur
In seiner strukturellen Einbindung übernimmt das Gebiet um den Kleinen Kiel Kanal die Funktion als Vermittler und Verteiler zwischen Neu- und Altstadt. Die strategische Positionierung der Brücken und die sich von der Umgebung abhebende Gestaltung geben Kiel eine Neue Mitte. Der Bereich wir bewusst von Haltestellen des Öffentlichen Personennahverkehrs freigehalten um seine Anziehungskraft als Aufenthaltsort nicht zu beeinträchtigen und eine Querung des Fußgängerverkehrs entlang der Holsten- so wie der Kehdenstraße zu erleichtern. Die gezielte Aufwertung der Schnittstellen dieser beiden Bewegungsachsen mit dem Kleinen Kiel Kanal bindet die öffentlichen Plätze von Neu- und Altstadt in einem Innenstadtsystem zusammen und aktiviert so die Potentiale von Nebenstraßen und kleineren Plätzen. Mit ähnlicher Intension positioniert sich die mittlere Fußgängerbrücke. Sie vermittelt zwischen den beiden städtischen Fronten welche den Kleinen Kiel Kanal rahmen und verbindet mittels integrierter Rampe geschickt skulpturale Ästhetik mit dem funktionalen Anspruch der Barrierefreiheit.

Raumtypologien
Der westlich zum Kanal gelegene Bereich, welcher die zukünftige Integration der Trasse für die Stadt- und Regionalbahn vorsieht, wird zur Promenade ausgebaut. Sie profitiert von der geraden Blickrichtung vom Kleinen Kiel bis zur Förde. Auf längere Sicht würde das Entfernen der Auskragung des Casinos am Bootshafen sowie die Erweiterung zur Förde eine enorme Qualitätssteigerung für den öffentlichen Raum darstellen. Östlich des Kanals bieten sich dem Passanten unterschiedliche Annäherungsmöglichkeiten an die Wasserkante. Der von der Holstenstraße tangierte Berliner Platz treppt sich mit Sitzstufen zum Kanal hinab und ermöglicht so den direkten Zugang zum Wasser. Er bietet Raum für die temporäre Marktnutzung sowie die Bestuhlung durch eine Gastronomie. Der weitere Verlauf des Kanals nach Norden bietet schmale urbane Wasserkanten sowie einen abgesenkten Bereich zum Verweilen und Flanieren. Das Podest und der Pier integrieren den Landschaftsraum des Kleinen Kiel in das Gesamtgefüge.

Materialität des Kanals und der Beläge
Geschichtliche Ereignisse, Provisorien und Teilgestaltungen haben einen Flickenteppich an Bodenbelägen entstehen lassen welcher den gesamten Bereich der Holstenbrücke zergliedert und uneinheitlich erscheinen lässt. Die Konzeption eines Urbanen Teppichs sieht vor ein einheitliches Erscheinungsbild zu generieren um die räumliche Kontinuität der städtebaulichen Achse vom Kleinen Kiel bis zum Bootshafen, und zukünftig sogar bis zur Förde, zu betonen. Der Einsatz von Betonwerkstein, als funktionales Material mit hohem gestalterischem Anspruch, harmoniert gut mit der Erscheinung des Kanalbauwerks. Einheitliche Materialien und Formensprachen von Belägen und Mobiliar verstärken den Eindruck eines kontinuierlichen Stadtraums in der sonst heterogenen Umgebung und betonen erneut die gewünschte Ausprägung als neue Mitte. In die Stufenlandschaft integrierte Sitzblöcke rahmen den Kanal und integrieren sich auf diese Weise gut in das gesamte Erscheinungsbild.

Gestaltungselemente
Während die homogene Materialwahl des Kanals, der Bänke und Beläge, einen einheitlichen Raum generiert, welcher von der Beleuchtung gerahmt wir, heben sich einzelne Elemente bewusst hervor. Die Baumreihen auf der östlichen Seite des Kanals ergänzen den Baumbestand und machen die Kante der Altstadt im städtischen Gefüge ablesbar. Auf westlicher Seite wird die am Bootshafen gelegene Baumreihe in einer erweiterten Konzeption für den Ausbau der Promenade bis zur Förde verlängert um einen optischen Bezug zur Fördkante herzustellen. Die skulpturale, zentrale Brücke ist in Cortenstahl gehalten und spielt sich so als besonderes Element, Landmarke und Orientierungspunkt frei. Die grünen Stufen am Bootshafen brechen die Stringenz der langen Sitzstufen und nehmen in der Materialität des Cortenstahls wiederum den gestalterischen Bezug zur Brücke auf. Die größere Insel des Archipels im Bootshafen ist begehbar und dient alltäglich als Aufenthaltsfläche auf dem Wasser. Während Veranstaltungen kann Sie beispielsweise die Funktion einer Bühne erfüllen oder anderweitig bespielt werden. Der Pier am Kleinen Kiel funktioniert ähnlich. Er stellt einen visuellen Kontakt zum Rathausplatz und zum Landschaftsraum des Kleinen Kiels her und bindet diese so in das Gesamtsystem mit ein.

Bauabschnitte
Das erweiterte Konzept für den Kleinen Kiel Kanal gliedert sich in vier Bauabschnitte. Der erste Bauabschnitt umfasst den zentralen Bereich des Vorhabens. Das Kanalbauwerk, die wasserbaulichen Maßnahmen, die strukturelle Einbindung zur vollständigen Funktionsfähigkeit der Verkehrsströme, so wie die Gestaltung der am Kanal gelegenen Plätze und Flächen sollten in einer ersten Phase zusammengefast werden um ökonomisch und logistisch sinnvoll umsetzbar zu sein. Der zweite und dritte Bauabschnitt sind unabhängig voneinander realisierbar und tragen langfristig dazu bei die gestalterische und räumliche Verbindung zwischen Kleinem Kiel und Bootshafen herzustellen, bzw. die Bestandssituation am Bootshafen aufzuwerten. Der vierte Bauabschnitt schlägt eine Erweiterung des räumlichen Systems bis an die Kante der Förde vor um die angedachte Achse konsequent zu komplettieren. Dieser Vorschlag ist als optionale Erweiterung zu verstehen.

Inselbiotope
Das Inselarchipel erstreckt sich vom Kleinen Kiel bis in den Bootshafen und wird so zum verbindenden Gestaltungselement. Es vereint die ehemals verbundenen Wassermassen symbolisch und räumlich miteinander und eröffnet eine weitere Bedeutungsebene für das Gesamtkonzept. Die Inseln, in ihren unterschiedlichen Maßstäben, teilweise betretbare Holzdecks und teilweise schwimmende Beete für ostseespezifische Vegetation wie Brackwassergräser, bieten Wasservögeln Lebensräume und bereichern den Kleinen Kiel Kanal um den Erlebnisfaktor Brackwasserbiotop. Dieses Spiel aus gestaltetem städtischem Raum, skulpturalen Objekten und erlebbarer „Wildnis“ entfaltet eine spezifische Atmosphäre welche die Einzigartigkeit des Raumes um den Kleinen Kiel Kanal bestimmt.

Nachhaltigkeit als Gestaltungsprinzip
Das bereits erwähnte und im Folgenden noch detaillierter erläuterte natürlich dynamische hydraulische Konzept spielt in der Bestrebung nach einer ortsspezifischen Identität sowie einem nachhaltigen Betrieb eine entscheidende Rolle. Hinsichtlich der Wasserqualität sowie der Wasserspiegellage ermöglicht das vorgeschlagene System die kontrollierte Bezugnahme auf den Wasserkörper der Förde. Es nutzt das natürliche Prinzip von Ebbe und Flut intelligent aus um auf energiesparende und somit ökonomisch sinnvolle Art und Weise eine stabile Wasserqualität zu gewährleisten, welche der geografischen Spezifität entspricht. Die Ablesbarkeit der Funktionsweise dieses natürlichen Mechanismus findet sich als fester Bestandteil in der Gestaltungskonzeption wieder. Die sich senkenden und hebenden Inseln, die temporäre Flutung unterster Niveaus am Wasser sowie die offene Zulaufrinne welche den Kanal bei Flut mit Wasser aus der Förde speist dienen alle als Indikatoren des natürlichen Wasserkreislaufs. Durch diese Eigenschaften wird der Kleine Kiel Kanal nicht nur zu einem Stifter lokaler Identität im Zentrum Kiels sondern auch zum nationalen und internationalen Vorzeigeprojekt und Anschauungsobjekt für die nachhaltige und zukunftsorientierte Gestaltung öffentlicher Räume.

Hydraulisches Konzept
Grundsätzliches Konzept
Es wird angestrebt, anstelle des in der sogenannten Brackwasservariante künstlich technischen Konzeptes ein natürlich dynamisches Konzept umzusetzen. Mit natürlich dynamisch ist hier im Wesentlichen folgendes gemeint:

- Schaffung eines Systems, welches hinsichtlich Wasserqualität und Wasserspiegellagen Bezüge zur Förde herstellt
- Nutzung der natürlichen Wasserspiegelschwankungen in der Förde für einen wiederkehrenden Wasseraustausch
- Einsatz von natürlichen Elementen zur Sauerstoffanreicherung und zur Reduzierung des
Algenaufwuchses.
- Integration von Elementen, die dem Betrachter das Fließen von Wasser, die Schwankung des Wasserspiegels und die Beeinflussung der Wasserqualität nahe bringen und diese erleben lassen

Hydraulische Technik
Der Wasserspiegel im Kleinen Kiel Kanal (KKK) und im Bootshafen (BH) stellt sich im Dialog mit den Wasserständen in der Förde ein. Zur Regulierung des Zu- und Ablaufes wird das vorhandene Verbindungsbauwerk zwischen Förde und Bootshafen genutzt. Die direkte Verbindung wird durch den vorhandenen Dammbalkenverschluss permanent unterbrochen. Der Zulauf von Wasser aus der Förde erfolgt über eine Leitung und eine offene Rinne.

Qualitative Aspekte
Die Aufrechterhaltung einer akzeptablen Wasserqualität wird durch Einsatz von Muscheln gewährleistet. Konkret ist vorgesehen, auf der Sohle der Becken flächendeckend spezialisierte Muscheln einzubringen, die dem Wasser Nährstoffe entziehen. Die Zulaufrinne erhält ein geeignetes Sohlsubstrat, welches durch Fließturbulenzen den Sauerstoffeintrag fördert.

Bespielbarkeit
Die von der Stadt Kiel angestrebte Bespielbarkeit der Anlagen bleibt erhalten. Wie bereits erläutert treten speziell in den Sommermonaten Wasserstände mit wenig ausgeprägten Amplituden auf. Um aber dennoch mit Sicherheit für spezielle Veranstaltungen den Wasserspiegel im KKK und BH begrenzen bzw. aufrechterhalten zu können werden die Zulaufleitung sowie die Ablaufleitung am Dammbalkenbauwerk mit elektronisch bedienbaren Absperrschiebern ausgestattet.

Baulicher Aufwand
- Einbau Zulaufleitung DN 400 am Dammbalkenbauwerk einschl. Absperrschieber
- Verlegung Zulaufleitung 400 parallel zum BH bis zum KKK
- Einbau Ablaufleitung DN 300 am Dammbalkenbauwerk einschl. Absperrschieber
Verlegung Ablaufleitung bis Anschluss an Verbindungskanal und Einbau Rückschlagklappe
- Integration Rinne in den vertikalen Wandabschluss des KKK über die volle Längsausdehnung des KKK als wahrnehmbares Element
- Einbau von Sohlsubstrat in die Rinne
- Einbringen von spezialisierten Muscheln auf der Sohle des KKK und BH
- Einbau einer Sohlleitung am Übergang KKK zu BH und Verbindung zur Ablaufleitung am
Dammbalkenbauwerk

Betrieblicher Aufwand
- Austausch des Sohlsubstrates in der Rinne ca. einmal jährlich
- Austausch der Muscheln auf der Sohle des KKK und BH ca. alle 2 Jahre
- Spülung der Leitungsabschnitte ca. halbjährlich
- Kamerabefahrung der Leitungsabschnitte ca. einmal jährlich
- Einsatz einer Wartungs- und Instandhaltungskolonne zur Reinhaltung der Wasseroberfläche (ähnlich zur Brackwasservariante), jedoch mit deutlich reduziertem Aufwand, Einsatzintensität ca. 10 Mannstunden pro Woche
- Versuchsweise Aufrechterhaltung der bestehenden Destratifikationsanlage im BH und
Beobachtung von Versuchsphasen mit und ohne Betrieb bis zur endgültigen Entscheidung, ob diese weiter betrieben werden soll.
Lageplan 1:500

Lageplan 1:500

Lageplan 1:250

Lageplan 1:250

Längsschnitt

Längsschnitt

Querschnitt

Querschnitt

Schnittansicht Sitzstufen

Schnittansicht Sitzstufen

Diagramm des Kanalaufbaus und der Elemente

Diagramm des Kanalaufbaus und der Elemente