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Nichtoffener Wettbewerb | 11/2012

Klimagerechte Pilotsiedlung Marienhöhe

Klimagerechte Pilotsiedlung Marienhöhe _ Perspektive Wohnhof

Klimagerechte Pilotsiedlung Marienhöhe _ Perspektive Wohnhof

3. Preis

Preisgeld: 15.000 EUR

hks architekten BDA

Architektur

plandrei Landschaftsarchitektur GmbH

Landschaftsarchitektur

HKL Ingenieurgesellschaft mbH

Energieplanung

Erläuterungstext

LEITIDEE

Der Entwurf wurde als Raum- und Quartiersnetz um einen öffentlichen Anger angelegt. Die Siedlung wird dabei durch 5 der Topographie folgende Wohnquartiere definiert. Diese klare Quartiersstruktur schafft den städtebaulichen Rahmen, um hohe Wohn- und Aufenthaltsqualitäten bei differenzierter baulicher Dichte in Verbindung mit der energetisch notwendigen Kompaktheit zu erzeugen.

Die Wohnsiedlung Marienhöhe definiert am Eingang einen Anger. Die öffentlichen Nutzungen (KITA, KITA-Freifläche, Spielplatz) folgen dem Geländeverlauf und füllen den Anger als grüne und offene Siedlungsmitte. Funktional sammeln sich alle Wohnquartiere über Anliegerstrassen und Fußwege am Anger und finden sich in seiner Mitte. Dieses Ordnungsprinzip „offene Mitte“ vernetzt die Siedlungs- und Grünstrukturen und trägt zur Identitätsbildung der Siedlung bei.

Die nördliche Grenze an der Binderslebener Landstrasse bildet den einladenden Auftakt und zugleich den vor Lärm schützenden Quartiersabschluss.
Das Wohnquartier setzt städtebaulich und architektonisch benachbarte Erfurter Stadtkontexte fort.

Durch den Erhalt der prägenden Gehölzstrukturen verbunden mit neuen Bäumen entsteht eine klare Grünstruktur: eine Randeingrünung die die Siedlung nach außen ablesbar macht und Baumreihen, die als Leitlinien ein inneres grünes Gerüst bilden.


STÄDTEBAULICHES KONZEPT

Eine robuste städtebauliche Form bildet das Gerüst für ein abwechslungsreiches, lebendiges Wohngebiet. Die Strenge der Struktur ermöglicht dabei eine Freiheit für die Füllung innerhalb der Baufelder. Die von Nord nach Süd abnehmende bauliche Dichte greift die in der Umgebung vorhandenen Baustrukturen auf und setzt diese logisch fort. Die architektonische Gestaltung des Gebietes soll so konzipiert werden, dass innerhalb gestaltprägender, einheitlicher Grundzüge eine rhythmische Vielfalt im Detail realisiert werden kann. Die große Bandbreite der möglichen Wohnformen trägt somit zur soziokulturellen Vielfalt innerhalb der Quartiere bei.


ARCHITEKTUR UND NUTZUNGEN
Die Mehrfamilienhäuser des nördlichen Teilbereiches werden als Geschosswohnungsbau mit 3-4 Geschossen konzipiert und bieten individuell und gemeinschaftlich erschlossene Wohnungen an. Diese werden über einen erhöhten Vorgarten erreicht, erhalten Gartenbezug im Erdgeschoss und weisen mit Wintergärten und Loggien von Geschoss zu Geschoss Variationen in den Grundrissen auf.
Die Hausstrukturen des Teilbereiches Mitte weisen im westlichen Bereich des Angers 2-3 geschossige Zeilenhäuser und 3-geschossige Stadthäuser in klarer Nord-Süd-Orientierung auf. Die inneren Quartiersstrassen erschließen die Hauszeilen und sammeln den ruhenden Verkehr am nördlichen Quartiersende in einer Solartankstelle. Die Erschließung der Hauszeilen erfolgt fußläufig.
Die Haustypologien im östlichen Bereich des Angers definieren aus Reihen-, Ketten-, Doppel- und Stadthäusern eine Quartiersstruktur, die sich in Hofstrukturen ordnet und sich an den Geschosswohnungsbauten übergeordnet ausrichtet. Der ruhende Verkehr wird an den umfassenden Quartierstrassen bzw. quartiersinternen Wohnhofwegen platziert.
Die südlichen Quartiersbereiche sind in allen Quartieren durch 2-geschossige Einzel- und Doppelhäusern geprägt. Der ruhende Verkehr wird an den Häusern direkt bzw. auf deren Grundstücken geordnet.
Alle Wohnungen und Häuser verfügen über Balkone bzw. Terrassen sowie über separate Wohnungseingänge. Die würfelartigen Einzelhäuser am Rande der Quartiere sind so angelegt, dass ihre Wohnungsgrundrisse die Atmosphäre einer Hausgemeinschaft mit dem Erleben des Wohnens in einer Gemeinschaft verbinden.

An der der Ringstraße sind Besucherparkplätze angelegt, während die Wohnungen unterhalb jedes Hauses eigene Stellplätze erhalten. Müll- und Fahrradräume werden ebenfalls baulich integriert.
Die Realisierung von 4 Bauabschnitten folgt der Hauptstruktur der gesamten Wohnsiedlung nach Quartiersbereichen. Dabei wird im 1. Realisierungsabschnitt der Auftakt für die Infrastrukturmaßnahmen des Verkehrs, der Energieversorgung und der Regenrückhaltung gelegt. Weiterhin werden die öffentlichen Einrichtungen (Kita und Siedlungsspielplatz) geschaffen. Die Realisierung der Abschnitte 2.-4. kann nacheinander oder parallel erfolgen.

FREIRAUMKONZEPT

Durch den Erhalt der prägenden Gehölzstrukturen und Neuanpflanzungen erhält das Wohngebiet von Beginn an eine klare Grünstruktur: eine Randeingrünung die das Quartier als städtebauliche Einheit nach außen ablesbar macht und Baumreihen, die als Leitlinien ein inneres grünes Gerüst bilden. Hecken, Staudenpflanzungen und Solitärbäume strukturieren die Höfe und privaten Freiräume.

Das Maß an versiegelten Flächen im öffentlichen Raum ist auf ein Minimum reduziert. Fußwege und Straßen werden von Retentionsbereichen und Baumreihen begleitet und beeinflussen das Kleinklima positiv. Entlang der Erschließungsstraße für die Kleingartenanlage münden die Gräben in naturnahe Vorfluten zur Regenwasserrückhaltung. Diese Bereiche sind nicht öffentlich zugänglich und als Biotopstrukturen einer extensiven Pflege und naturnahen Entwicklung vorbehalten. Hier können Ausgleichsmaßnahmen im Rahmen der Erschließung des Gebiets umgesetzt werden.

Die Freiräume im Quartier sollen von allen Bewohnern und Bewohnerinnen aktiv genutzt werden. Zentral ist die Kindertagesstätte mit ihrem Freibereich angeordnet. Sie profitiert von dem angrenzenden Freiraum. Der angelagerte öffentliche Bereich ist Mitte und Treffpunkt im Quartier.


ERSCHLIESSUNG (Verkehr und Regenrückhaltung)

Auftakt und Ausgangspunkt für die mobile Erschließung der Wohnsiedlung bildet die im vorgegebenen Korridor angeordnete, neue Einmündung an der Binderslebener Landstraße. Die innere verkehrliche Erschließungsstruktur folgt der städtebaulichen Grundstruktur. Sie umschließt alle Wohnquartiere an deren äußeren Umriss. Die Strasse entlang des Angers bildet dabei das innere Rückgrat und bindet die Quartiersstrassen an. Im Süden und Westen wird die Straße „Brühler Herrenberg“ als „äußerer“ Weg genutzt und vervollständigt das verkehrliche Wegenetz. Der Geschosswohnungsbau im Norden wird über die äußere, parallel zur Binderslebener Landstraße verlaufende Quartiersstrasse direkt vom Siedlungszugang „Marienhöhe“ erschlossen. Alle Wohnquartiere sammeln den ruhenden Verkehr jeweils an den umfassenden Quartierstrassen bzw. quartiersinternen Wohnhofwegen.

Hauptelement des Regenentwässerungskonzeptes ist eine von West nach Ost entlang der Erschließungsstraße der Kleingartenanlage verlaufende naturnahe Graben- und Vorflutanlage, das in fortlaufenden Rückstaustufen Niederschlagswasser sammelt und zurückhält. Da diese Bereiche nicht öffentlich zugänglich sind, säumen Sie einerseits den Wirtschaftsweg der Kleingartenanlage und schaffen gleichzeitig den Übergang zu den Quartiersrändern im mittleren Bereich der Siedlung.


ENERGETISCHES KONZEPT
Der Entwurfsverfasser schlägt ein Konzept vor, dass über die Einsatzmöglichkeiten im Wohnungsbau hinaus, auch die übergeordnete zukünftige Problematik der städtischen Energieversorgung der in Umsetzung befindlichen „Energiewende" aufgreift.
Was ist damit gemeint?
Nachweislich ist festzustellen, dass durch vermehrtes Einsetzen von Photovoltaik und der ganzjährigen Stromproduktion aus Wind erste Großkraftwerke nicht mehr rentabel betrieben werden können und daher partiell außer Betrieb gesetzt werden müssen.
Vorhandene Fernwärmesysteme, die, wie in Erfurt, durch Abwärmenutzung aus Kraft-Wärme-Kopplung betrieben werden, verlieren durch den Einsatz von regenerativen Energien kontinuierlich für die sommerliche Stromproduktion ihre Wärmequellen.
Mittelfristig wird sich auch die Stadt Erfurt mit Alternativen auseinandersetzen müssen, wie zum Beispiel die genutzte sommerliche Abwärme aus dem Gas- und Dampfturbinenkraftwerk (GuD) ersetzt werden kann oder der Stromüberschuss vom regenerativen Energiegewinn logisch genutzt werden könnte. Ein möglicher Lösungsansatz, und Kern des vorgeschlagenen Energiekonzeptes ist die Verwendung eines großvolumigen multifunktionalen Wärmespeichers. Dessen Auswahl (Erdbecken-, Erdsonden oder Aquifer-Wärmespeichern) ist auf Basis genauer geologischer, hydrogeologischer und wirtschaftlicher Untersuchungen zu treffen.
Neben der saisonalen Speicherung der solaren Wärme, welche von jedem einzelnen Gebäude aus dezentral in das Nahwärmenetz eingespeist wird, kann so auch Abwärme aus dem GuD gespeichert werden. Das vorgeschlagene Konzept eröffnet somit, über die Pilotsiedlung hinaus, die Möglichkeit zu einer „Solarisierung" des städtischen Fernwärmenetzes.
Innerhalb der Gebäude kann auf Pufferspeicher und komplexe Hydrauliken und Regelungen verzichtet werden, da die gewonnene Solarwärme direkt in den Nahwärme-Rücklaufkreis eingespeist wird. Die günstigen Investitionskosten für die solarthermischen Anlagen sollen im Gegenzug der Reduzierung der Transmissionswärmeverluste durch Einsatz passivhaustauglicher Außenbauteile in Kombination mit Zu- und Abluftanlagen mit hocheffizienter Wärmerückgewinnung zur Vermeidung der Lüftungswärmeverluste dienen.
Neben dem bereits erwähnten saisonalen Multifunktions-Wärmespeicher, wird ein großvolumiger Heißwasserspeicher zur direkten Solarenergienutzung und als hydraulische Schnittstelle zu den Energiequellen in das System integriert. Über eine Wärmepumpe kann die Entladung des Multifunktions-Wärmespeichers in der Weise erfolgen, dass auch geringere Temperaturen im Speicher noch als Wärmequelle nutzbar sind. Dies ist ein wesentlicher Beitrag zur wirtschaftlichen Optimierung des Gesamtsystems, weil der Langzeitspeicher noch effektiver genutzt werden kann.
Auf Grund der hohen benötigten Leistung und der schwankenden Abnahme empfiehlt es sich die Wärmepumpenanlage modular aufzubauen. Zum Einsatz kommen hier stromangetriebene Wärmepumpen, sowie wärmeangetriebene Adsorptions-Wärmepumpen. Somit kann man je nach Lastfall, überschüssigen regenerativen Strom oder die primärenergetisch optimale Fernwärme der Stadtwerke Erfurt nutzen.
Der zum Betrieb des Gebäudes weitgehend unbeeinflussbare Bedarf an Elektroenergie wird zu hohen Anteilen photovoltaisch gedeckt. Dazu werden die verschattungsfreien Flächen aller neu errichteten Dächer mit PVT- Modulen genutzt. PVT-Module sind kombinierten Photovoltaik-Solarthermie-Modulen. Die Symbiose der beiden Systeme ergibt durch die Wasserkühlung der Solarthermie eine gesteigerte Stromgewinnung der PV um ca. 30%. Zugleich wird die Kollektorfläche doppelt genutzt.
Ziel dieses Energiekonzeptes für die Pilotsiedlung Marienhöhe Erfurt ist ein solarer Deckungsanteil des Gesamtwärmebedarfes für Gebäudeheizung und Warmwasserbereitung der Siedlung von >50%. Mit erfolgreicher Umsetzung des Konzeptes wäre dies nicht nur ein entscheidender Beitrag zur CO2-Reduzierung, vielmehr wäre es ein Leuchtturmprojekt, welches aufzeigen würde, dass solche Konzepte inzwischen auch in einen wirtschaftlich interessanten Bereich umzusetzen sind.
LÄRMSCHUTZ

Die Wohnbebauung entlang der Binderslebener Landstraße wird als Geschosswohnungsbau mit 3-4 Geschossen der nördlichen Baugrenze folgend konzipiert. Damit übernimmt die Bebauung selbst die wichtigste passive Maßnahme zur Reduktion der Schallimmissionen für die Wohnsiedlung. Die Grundrisszonierung der Geschosswohnungsbauten unterstützt durch überwiegend gemeinschaftlich erschlossene Wohnungen den passiven Schallschutz der Bebauung. Die Wohn- und Schlafräume orientieren sich weitestgehend nach den straßenabgewandten Seiten der Binderslebener Landstraße.

Beurteilung durch das Preisgericht

Am Schwarzplan erkennt man, dass sich der Entwurf in seiner Grundfigur und Körnigkeit gut in die Erfurter Westentwicklung einfügt. Die Anbindung an die Binderslebener Landstraße ist jedoch so nicht möglich. Leider bildet die Garagenrückseite parallel zur Binderslebener Landstraße eine schlechte Außendarstellung der Pilotsiedlung.

Die zentrale Entwurfsidee zur Ausbildung eines charakteristischen, wieder erkennbaren neuen Stadtteils ist die Bildung eines differenzierten Systems öffentlicher und nachbarschaftlicher Räume. Vom Stadtteileingang gelangt man auf einen großen öffentlichen Dreiecksraum, von den Verfassern Anger genannt. Von hier aus werden alle Siedlungsteile gut erschlossen. Dieser in Terrassen gegliederte Stadt- und Landschaftsraum verklammert die verschiedenen Teile und bildet die Stadtteilmitte. Östlich davon entwickeln sich vier Quartiere mit jeweils zwei um Höfe gruppierten Nachbarschaften. Diese vier Segmente werden jeweils im Norden durch Geschosswohnungsbau, im Süden durch Kettenhäuser abgeschlossen. Westlich der Stadtteilmitte sollen Wohnwege entstehen. Im Süden werden kleine Baugruppen mit Einzel- und Doppelhäusern vorgeschlagen. Auf diese Weise entsteht ein breites Wohnungsangebot für unterschiedliche Bedürfnisse und Ansprüche mit jeweils speziellen räumlichen Charakteristiken.

Die auf Baugruppenbildung hin orientierte Gesamtkonzeption wird zweifellos zur Bildung von Nachbarschaften und zur Identifizierung mit dem neuen Stadtteil beitragen. Sie setzt allerdings einen erhöhten Aufwand bei Planung, Projektentwicklung und Realisierung voraus. Der Vorschlag, in den Nachbarschaften nur oberirdisch zu parken ist erstrebenswert, jedoch noch nicht gelöst. Die Carports in den Hofgruppen trennen jeweils einige Wohneinheiten vom nachbarschaftlichen Raum ab. Im westlichen Siedlungsteil entstehen sehr lange Wege von den Wohnungen zu den Parkplätzen.

Die Architektur ist neutral und noch wenig aussagekräftig, der Klimaturm funktionslos, aufwändig und stellt eine überzogene Geste zur Stadteingangsbildung dar. Die Lage der KiTa ist sowohl wegen ihrer Erreichbarkeit wie auch als belebendes Element des Angers sehr gut überlegt. Sie ragt allerdings etwas über die Baugrenze hinaus, was jedoch innerhalb der Konzeption leicht zu korrigieren wäre. Die Freiflächenkonzeption ist sehr durchdacht, ausdifferenziert und trägt zur Quartierbildung bei.

Das Entwässerungssystem ist noch nicht ausgereift. Die Lage der Retentionsmulden ist aus topografischen Gründen so nicht möglich. Die dafür vorgesehenen Flächen reichen nicht aus.

Die städtebauliche Struktur ist trotz einiger weniger kompakter Gebäudetypen und ost-west-orientierter Baukörper insgesamt energetisch kompakt und mit guten Nutzungsmöglichkeiten für passive Solarenergie. Mangelnde Gebäudeabstände und ungünstige Höhenstaffelungen sind an einigen Stellen kritisch anzumerken. Das vorgelegte Energiekonzept ist allerdings weder schlüssig noch realisierbar, beispielsweise ist kein Fernwärmeanschluss möglich. Die Dachflächen sind für Solarnutzung gut geeignet. Insgesamt ein guter Ansatz allerdings mit Schwächen im Detail und mit einigem Korrekturbedarf im technischen Konzept.
Insgesamt stellt die Arbeit einen interessanten Diskussionsbeitrag im Rahmen des Wettbewerbs dar.
Klimagerechte Pilotsiedlung Marienhöhe _ Plan 01

Klimagerechte Pilotsiedlung Marienhöhe _ Plan 01

Klimagerechte Pilotsiedlung Marienhöhe _ Plan 02

Klimagerechte Pilotsiedlung Marienhöhe _ Plan 02

Klimagerechte Pilotsiedlung Marienhöhe _ Plan 03

Klimagerechte Pilotsiedlung Marienhöhe _ Plan 03

Klimagerechte Pilotsiedlung Marienhöhe _ Ausschnitt Wohnhof

Klimagerechte Pilotsiedlung Marienhöhe _ Ausschnitt Wohnhof