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Nichtoffener Wettbewerb | 12/2012

Römerbrücke und Umfeld

4. Preis

Preisgeld: 9.000 EUR

club L94

Landschaftsarchitektur

mvm+starke

Architektur

Jens Gehrcken - visualisierung+architekturfotografie

Visualisierung

Erläuterungstext

Situation
Heute profiliert sich die Stadt Trier vor allem durch ihre lange Geschichte und die vielen Relikte aus der Römerzeit. Der Name der Stadt ist mit den großen Bauten der Porta Nigra, den Kaiserthermen und der ältesten Brücke Deutschlands eng verbunden. Zudem ist Trier in der Region wichtiges Mittelzentrum und durch seine Nähe zu Luxemburg, Belgien und den Niederlanden auch über die Grenzen hinaus ein begehrtes Ausflugsziel.
Die durch Trier fließende Mosel prägt den Landschaftsraum und die Kultur des Weinbaus. Heute wird die Region von Touristen besucht, die hier wandern und die Vielfalt der Kultur bewundern.
Die Moselufer im Bereich der alten Römerbrücke werden dem Anspruch des Ortes gegenwärtig nicht gerecht. Sie sind heute kaum erlebbar und haben doch so großes Potential für die Trierer und ihre Gäste, ein qualitätsvoller Freiraum am Übergang von Stadt und Flusslandschaft zu sein.

Konzept
Das vorliegende Konzept bildet sich aus zwei thematischen Schwerpunkten. Der eine liegt in der landschaftarchitektonischen- und städtebaulichen Vision für die beiden Stadtkanten Triers, die der Mosel im Zentrum der beiden Siedlungskörper ein neues Gesicht verleihen. Der andere Fokus des Entwurfes zeichnet ein neues Bild für die alte Römerbrücke und steht somit bildlich für die Weiterentwicklung der Stadt. Die Ablesbarkeit der Entwicklungsphasen steht Pate für das Bild vom Weiterbauen einer überlieferten Struktur und soll eine angemessene Antwort für den Umgang mit dem Kulturdenkmal sein. Das UNESCO-Welterbe wird für die Zukunft erhalten bleiben und für die Menschen erlebbar gemacht werden.

Römerbrücke
Die Römerbrücke ist ein über Jahrhunderte gewachsener Ort, an dem die historische Entwicklung ablesbar ist und auch in Zukunft ablesbar bleiben soll. An der heutigen Gestalt der Brücke lassen sich seine Entwicklungs- und Bauphasen deutlich erfahren. Entgegen ihrer heutigen Breite von 13,20 m hatte die antike Römerbrücke eine Fahrbahnbreite von 10,15 m. Durch die 1931 erfolgte Verbreiterung der Verkehrsanlage ist der Gesamteindruck des historischen Bauwerks völlig verloren gegangen. Das Erlebnis der Begehung eines historischen Bauwerkes wird sowohl durch die Dimension als auch die Materialwahl vollkommen negiert. Ziel muss es daher sein, im Sinne des UNESCO-Welterbe Römerbrücke die historische Entwicklung sichtbarer und bewusst wahrnehmbar zu machen. Eine angemessene Gestaltung muss daher in ihrer Dimension, Materialwahl und Haptik den Charakter des antiken Ursprungs wiederspiegeln und erlebbar machen, ohne die neuzeitliche Schichtung in ihren Möglichkeiten zu verleugnen.
Der Rückbau der Brücke auf die historische Fahrbahnbreite ist hierbei ein wesentlicher Schritt. Der hierdurch notwendige Neuaufbau der Absturzsicherung wird als Chance begriffen die historische Schichtung der antiken Brückenfundamente und Einwölbungen aus dem 18.Jahrhundert durch eine neuzeitliche Steinschichtung mit langformatigen Steinen sichtbar und nachvollziehbar zu ergänzen. Die Ablesbarkeit sowie der einheitliche Charakter der „neuen“ Schichtung werden durch die Fortführung des Steines auf der Fahrbahnfläche verstärkt. Die Haptik des Materials unterstreicht hierbei erlebbar den historischen Kontext des Bauwerks, wogegen das Format den Bezug zur Gegenwart deutlich macht. Erst die Reduzierung der Brücke auf die antike Fahrbahnbreite kann ein angemessenes Erleben der Brücke ermöglichen. Die gezeigte Materialität muss in gebundener Bauweise mit entsprechenden Ertüchtigungen, Dehnungsfugen etc. ausgebaut werden, um auch den Belastungen der Busverkehre zu entsprechen.
Beleuchtung und Entwässerung werden dezent eingefügt zu selbstverständlichen, integralen Bestandteilen des neuen Aufbaus. Unnötige Anbauten wie Steigleitern, zusätzliche Handläufe etc. sowie Stadtmobiliar werden zur Bereinigung des Gesamteindrucks vermieden.
Statische Grundlage für die Fahrbahn bleibt weiterhin die vorhandene Spannbetonkonstruktion. Die Auskragungen werden zurückgebaut und ggf. in Teilen für die Verankerung der Mauerwerksbrüstung herangezogen.

Östliches Moselufer und Brückenkopf
Das Thema Portal zur Stadt wird nicht über die Nachahmung der alten Brückentore, sondern durch die platzartige Gestaltung der Flächen vor dem Stadtzugang übersetzt. Dabei ist der Belagswechsel von der Brücke in den Platzbelag wichtig, um die Schwelle der ehemaligen Brückenhäuser deutlich zu akzentuieren.
Eine ganz neue Erlebniswelt wird durch die Moselstufen erreicht. Die große Freitreppe entwickelt sich entlang der antiken Brücke vom Stadtniveau auf die Moselebene herab. Dadurch entsteht eine völlig neue Perspektive auf die Brücke und die antiken Pfeiler stehen im direkten Blickfeld der Besucher. Dies wird ein einmaliges Erlebnis sein, und mit der Sonne im Süden werden die Stufen zur Mosel für viele das absolute Highlight in den Sommermonaten sein.
Ebenso wichtig ist die städtebauliche Neuordnung der östlichen Entréesituation. Hier könnte ein besonderer Baustein wie z. B. ein Hotel den Zugang in die Stadt markieren und den Platz an der Römerbrücke mit Leben und moderner Identität ergänzen. Der Übergang zu den Barbarathermen wird entsprechend den anderen Verknüpfungsbereichen entlang des Uferparks über eine Aufwertung und Fortführung der Wege mit der Mosel vernetzt. Auf Höhe der Thermen werden am Moselufer kleine Holzstege und Liegen installiert, um auch hier nochmal das Wasser und die Flusslandschaft zu erleben. Das östliche Ufer nördlich der Brücke hat ein besonderes Potential, als Erholungsraum für die Trierer entwickelt zu werden. Zum einen bricht hier die Stadtkante auf und die Freiflächen der angrenzenden Krankenhausstrukturen verbinden sich mit dem grünen Saum der Mosel. Zum anderen liegt der Reiz im Erleben der historischen Relikte, die in die Gestaltung einer zeitgemäßen Parkanlage integriert werden. Für die Bürger kann das kleine Moselbad ein besonderer Höhepunkt werden. Es kann thematisch Bezug zur römischen Bäderwelt nehmen oder an den alten Hafen angelehnt sein. Der übergeordnete Moselradweg durchzieht den Ufergarten und wird über Rampenwege in den Böschungen mit den angrenzenden Wegen verknüpft.
Die Umfelder der mittelalterlichen Moselkrane sollen als Balkone ausgebaut werden und können für die Touristen wichtige Vermittlungsorte und Treffpunkte für Kunst und Kultur sein. Kleine gastronomische Betriebe oder Kioske könnten die Plätze zusätzlich beleben und auch den Badegästen zur Verfügung stehen. Wenn ein mobiles Hochwasserschutzsystem finanziell umsetzbar wäre, könnte die Schleifung des Damms die Erlebbarkeit der Zone natürlich deutlich verbessern.

Westliches Moselufer und Brückenkopf
Der westliche Brückenkopf wird sowohl als Stadtbalkon mit Bezug zur Mosel, als auch mit Bezug zum Westbahnhof ausgebildet. Zusätzlich erhalten die Denkmale an der Aachener- und Luxemburger Straße ein ihrem historischen Wert entsprechend angemessenes Umfeld. Die Uferzonen nördlich und südlich des westlichen Brückenkopfes erhalten eine befestigte Uferböschung. Neben dem Schutz vor den Wasserkräften am Prallufer soll hier eine klar ablesbare Stadtkante mit Uferpromenade entstehen, denn langfristig hat das Gewerbe- und Industrieareal das Potential in einem Konversionsprozess zu einem wertvollen Wohnquartier mit Bezug zum Wasser heran zu wachsen. Der westliche Landschaftsraum soll sich mit der Mosel vernetzen, so dass hier für die Trierer ein neuer urbaner Freiraum entsteht, der zum Treffen und Spazierengehen einlädt. Mit Blick auf das römische Trier im Osten kann das Promenieren entlang der Mosel an Sommerabenden eine einzigartige Qualität erhalten.

Entwicklungsperspektive 2015
Die Umgestaltung und Aufwertung der Brücke und ihr unmittelbares Umfeld kann in den nächsten 3-5 Jahren nur schrittweise erfolgen. Ein erster Bauabschnitt könnte der Brückenplatz mit den Moselstufen am östlichen Brückenkopf sowie die angrenzenden Uferbereiche und der Moselradweg sein. Auf diese Weise könnte schon bald eine völlig neue Perspektive auf die Brücke und die antiken Pfeiler im direkten Blickfeld der Besucher ermöglicht werden. Darüberhinaus wäre eine künstlerische Intervention auf der Brücke selber denkbar, die temporär bis zum tatsächlichen Umbau plakativ auf zukünftige Maßnahmen hinweist. Auf den jetzigen Gehwegen könnte z.B. mit Farbe eine Strichlinie mit Schere aufgebracht werden, die im übertragenen Sinne auf die Reduzierung des Brückenquerschnittes durch „Wegschneiden“ der Auskragungen aufmerksam macht. Der zukünftige Entwurf für die Gestaltung der Brücke könnte anhand von am Geländer angebrachten Plakaten/Transparenten aufgezeigt werden, die nachts hinterleuchtet sein könnten, um die Wahrnehmbarkeit einer zukünftigen Veränderung auch bei Dunkelheit zu präsentieren.

Beurteilung durch das Preisgericht

Als Leitidee ist die Sequenz von unterschiedlich ausgeprägten Kanten auf beiden Seiten des Ufers erkennbar. Die Aneinanderreihung von unterschiedlichen Erlebnis-Balkonen ist auf der Westseite überzeugend, am Ostufer jedoch im Detail nicht umsetzbar (Denkmalpflege).

Die Idee, die Brücke als „Steg“ auf zwei steinerne, rechteckige „Intarsien“ aufzulegen, überzeugt nicht, insbesondere, weil die historischen Brückenköpfe und –pfeiler unnötig überformt bzw. negiert werden. Der Versuch, an die historische Hafenkonfiguration anzuknüpfen, gelingt beim Schwimmbad, ist jedoch in der Weiterführung nicht konsequent umgesetzt. Die Idee, den Kran auf einem Balkon als Solitär zu inszenieren, widerspricht seiner ursprünglichen Funktion und beraubt ihn seiner nachvollziehbaren Bedeutung.

Auf dem Ostufer wird auf das Angebot, auf eine Fahrspur zu verzichten, nicht eingegangen, obwohl damit eine wesentliche Stärkung der Grundidee erreichbar gewesen wäre. Auf dem Westufer wird die Höhensituation zur Querung der Bahntrasse für ÖPNV und IV ignoriert. Lediglich die Fußgänger- und Fahrradpasserelle setzt die Grundidee einer kleinteiligen Ost-West-Vernetzung um.

Insgesamt wird der Ansatz, alle bestehenden Anbindungsmöglichkeiten für Verknüpfungen und Blickbezüge zwischen Stadt und Mosel aufzugreifen, positiv angesehen. Die Neustrukturierung des Westufers zeigt wichtige Impulse für die städtebauliche Entwicklung von Trier-West auf.

Als positiv wird die systematische Ost-West-Verknüpfung unterschiedlicher Situationen gewertet. Insbesondere das Moselbad und die damit verbundenen Erlebbarkeit des Moselufers sowie die Fernsicht auf die Römerbrücke wird als attraktiver Baustein empfunden, da hier der Hafen auf überzeugende Art und Weise neu interpretiert wird (gelungene Reminiszenz). Allerdings mangelt es an manchen Stellen an Detailtiefe, was zu Konflikten in der Höhenüberwindung zwischen Ufer und Bestand führt.

Die Vorschläge für die Zwischenlösung („Schere“) und den Endausbau überzeugen. Die Anlehnung an die römische Materialität wirkt weder anbiedernd noch historisierend. Der Vorschlag, den Bodenbelag und die Brüstung komplett aus Ziegel herzustellen, wird kontrovers diskutiert. Die Abwesenheit von Mobiliar und Leuchtkörper ergänzt diesen überzeugenden Ansatz.

Der Entwurf wird nur in der Endstufe überzeugend erlebbar. Außerdem lässt er sich an den wesentlichen Stellen nur durch massive Eingriffe in die Eigentumsverhältnisse realisieren.