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Nichtoffener Wettbewerb | 03/2013

Rathausneubau und Umfeld

1. Preis

blocher partners GmbH

Architektur

Glück Landschaftsarchitektur

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

LEITGEDANKE
Jede Gemeinde braucht ein Herz. Ein kommunikatives Zentrum, das das Gemeindeleben zelebriert, in dem Menschen zusammenkommen und kommunizieren. Durch die gravierende Veränderungsphase in den letzten 60 Jahren hat die Ortsmitte von Bissendorf ihre städtebauliche Aussagekraft und Funktion eingebüßt. Die Gemeinde mit ihren rund 15.000 Einwohnern hat ein Raumprogramm beschlossen, um das Zentrum zu revitalisieren und so an Attraktivität und Funktion zu gewinnen.

Dieser Entwurf vereint Nachhaltigkeit, Wirtschaftlichkeit, Funktion und Ästhetik zu einer harmonischen Einheit. Die geplanten Gebäude ergeben zusammen mit den Bestandsgebäuden teils historischer Substanz ein ästhetisches Gesamtbild. Gleichzeitig entstehen neue Freiräume und Plätze, die zum Verweilen einladen. So erhält Bissendorf ein attraktives Zentrum von nachhaltiger, identitätsstiftender Bedeutung.

STÄDTEBAULICHES KONZEPT
Durch den Entwurf werden die Ziele des Rahmenplans verfolgt und weiterentwickelt. Innerhalb des Sanierungsgebiets „Ortskern“ entsteht ein Ensemble von Gebäuden, das sich in Maßstab und Körnung seiner Umgebung anpasst und somit die Ortsmitte gestalterisch wie funktional in alle Richtungen öffnet. Die offene Bebauung gewährleistet eine ideale Durchwegung und Zugänglichkeit aller Bereiche. Durch die Platzierung und Verschränkung der Gebäude werden Freiräume geschaffen und zugleich Sichtbezüge zur Umgebung hergestellt.

Nordwestlich der historischen Kirche St. Dionysius liegt das das neue Rathaus. Es besteht aus zwei versetzten Baukörpern, von denen einer die Verwaltung beheimatet, der andere den repräsentativen Ratssaal. Gleichzeitig formulieren die Gebäude den zentralen Kirchplatz sowie einen Rathausgarten. Dadurch entsteht ein anziehender Dorfmittelpunkt mit Charakter: Das Rathaus kommt einer offenen Geste gleich, die willkommen heißt und Einwohner wie Passanten einbezieht. Zudem bildet es gestalterisch eine Ergänzung zur Kirche, ohne mit ihr konkurrieren zu wollen. Im Osten schließt das Haus Bissendorf an das Rathaus an; beide Gebäude sind baulich miteinander verbunden. Nördlich davon entsteht eine Gemeinschaftspraxis, im Osten folgt eine Siedlung mit vier Bauten für altersgerechtes Wohnen, die an die Straße Im Freeden grenzt.

FREIRÄUME
Durch die neue Bebauungsstruktur entstehen Freiräume unterschiedlicher Beschaffenheit – von öffentlich über halböffentlich bis privat. Öffentlich sind der Kirchplatz und der Rathausgarten sowie der Vorplatz des Haus Bissendorf.

Der Kirchplatz wird im Norden durch das Rathaus und das Haus Bissendorf eingerahmt. Der gepflasterte, urbane Platz mit Brunnen, Begrünung und Bänken kann für Feste und Versammlungen genutzt werden: Ein repräsentatives Vorfeld des Rathauses und Gegenstück zum Rathausgarten. Der Rathausgarten wird von den Rathausgebäuden, der Spichernstraße und der Wissinger Straße definiert. Die Terrassierung durch Stützmauern rhythmisiert den Garten und ist gleichzeitig Antwort auf die topographische Situation. Durch die großzügige Begrünung lädt die offen zugängliche Anlage zum Verweilen und Lustwandeln ein. Dadurch profitiert auch die Spichernstraße, die im Osten von Platz und Garten flankiert wird – sie steigt so zur attraktiven Flaniermeile auf. Östlich des Rathauses folgt ein halböffentlicher Freiraum, abgegrenzt durch das Haus Bissendorf und die gegenüberliegende neue Arztpraxis sowie der bestehenden, denkmalgeschützten Mauer.

Die Altersresidenzen sind von Parkanlagen umgeben. Dieses Areal wird von der Mauer des Kirchplatzes im Südwesten gefasst sowie dem alten Baumbestand im Süden und der Aue des Holter Baches im Norden. Die Gebäude gliedern sich in den vorhanden städtebaulichen Maßstab und passen sich der typischen Siedlungsform an. In der Mitte der Gruppierung entsteht ein kommunikativer, begrünter Platz.

ERSCHLIESSUNG, ZUGÄNGE UND PARKEN
Das Rathaus wird über die Wissinger Straße und Spichernstraße erschlossen. Die Eingänge öffnen sich gleichberechtigt nach Norden hin zum Rathausgarten und nach Süden zum Kirchplatz. Das Arzthaus und das Haus Bissendorf sind ebenfalls über die Wissinger Straße nördlich des Rathauses zu erreichen – hier befinden sich auch Parkmöglichkeiten. Der Zugang zum Wohnensemble findet über die Straße Im Freeden statt. Der Entwurf eröffnet die Möglichkeit einer optionalen Tiefgarage mit direkter Verbindung zum Rathaus, die sich unter dem Rathausgarten befindet. Sie kann auch zu einem späteren Zeitpunkt in einem zweiten Bauabschnitt gebaut werden.

DAS NEUE RATHAUS
STÄDTEBAULICHE INTEGRATION
Das neue Rathaus tritt in Form und Materialität selbstbewusst auf und trägt so eine identitätsstiftende Funktion. Das Volumen gliedert sich in zwei archetypische Baukörper unterschiedlichen Charakters: der längliche Verwaltungsbau mit nordsüdlicher Ausdehnung und der repräsentative Ratssaal westlich davon. Beide Gebäude sind in Anlehnung an die vorherrschende Bauform mit Giebeldächern ausgebildet. Der gemeinschaftliche Haupteingang für Verwaltungs- und Ratsbereich befindet sich im gläsernen Foyer, das beide Baukörper verbindet und sowohl vom Rathausgarten als auch vom Kirchplatz zugänglich ist. Das Foyer erlaubt eine separate Nutzung der Funktionsbereiche, aber auch eine Zusammenlegung, etwa bei größeren Veranstaltungen. Im zweigeschossigen Verwaltungsbau reicht das Foyer bis zu einer großzügigen Erschließungstreppe und einem barrierefreien Aufzug, die an das Haus Bissendorf anknüpfen. Das denkmalgeschützte Gebäude von 1617 übernimmt weiterhin repräsentative Aufgaben – als Veranstaltungs- und Versammlungsort und als Ausstellungsfläche. Ein direkter Zugang von der Wissinger Straße sowie ausreichend Parkmöglichkeiten sind gewährleistet.

RATSSAAL
Der Ratssaal bildet ein städtebauliches Gelenk zwischen Kirchplatz und Rathausgarten. Seine Lage im Stadtraum trägt der Funktion als demokratisches, öffentliches Gebäude Rechnung.
Ebenso die prägnante Giebelform, die zusammen mit der Silhouette der St. Dyionisius Kirche die Ortsmitte stilistisch definiert. Im Innern verfügt der Ratssaal über einen offenen Dachstuhl in Zimmermannsbauweise, der die tragende Rolle für die Gemeinde widerspiegelt. Und noch einen ganz anderen Vorteil hat: Durch die Anordnung des zentralen Oberlichts und der seitlichen unteren Öffnungen ist keine mechanische Lüftung notwendig (Kamineffekt).

VERWALTUNGSGEBÄUDE
Das längliche Verwaltungsgebäude gibt städtebaulich dem Raum Halt und formuliert durch seinen Versatz einen Dorfeingang. Die Kubatur des Baus lässt vielseitige Blickbezüge zur Kirche zu. Mit einem Materialduett aus warmem Holz und Mauerwerk bildet das Gebäude ein Gegenstück zum Ratsaal, dessen Fassade geschlemmte Ziegel charaktervolles Aussehen verleihen; zugleich nehmen die Fensterrahmen die Holzelemente wieder auf. Der Grundriss ist einfach und klar: Im Norden und Süden befinden sich die Verwaltungsbereiche, die durch ein Treppenhaus und einen zentralen Warteraum mit Lichtfuge und Loggia in zwei Areale gegliedert werden. Die Struktur ermöglicht eine Zonierung nach Fachdiensten und damit eine intuitive Orientierung und eine ideale Kommunikationssituation.

KONSTURKTION UND WIRTSCHAFTLICHKEIT UND NACHHALTIGKEIT
Das Untergeschoss des Verwaltungsbereichs ist massiv gebaut. Darüber sind die Wände aus vorgefertigten Holzelementen errichtet; ihre Vorfertigung trägt nicht nur zu einer erheblichen Reduktion der Bauzeit bei, sondern stellt auch ein ökonomisches wie ökologisches Statement dar. Zur Nachhaltigkeit und Minimierung der Betriebskosten trägt ebenso die Reduzieren der Fensterflächen auf das notwendige Maß bei – so kann der Energieeintrag wesentlich optimiert werden. Zudem werden Büros und Funktionsbereiche über Fensterflügel natürlich belüftet. Durch Öffnungsklappen in den Wandschränken ist auch die Querlüftung möglich. Die Verwendung von besonders robusten und reperaturfähigen Baustoffen aus der Region versteht sich als wesentlicher Baustein des ökologischen Konzeptes und als Beitrag zur langfristigen Nutzungsqualität.

ENERGIEKONZEPT
Für eine Optimierung der Energieeffizienz sind folgende passive und aktive Maßnahmen konzeptionell integriert: Tageslichtversorgung über die Fassade, sowie Oberlichter.

Wärmeversorgung:
Die Beheizung erfolgt im Saal über eine Fußbodenheizung und im Verwaltungsbereich über Deckenpaneele, welche bei niedriger Oberflächentemperatur eine gleichmäßige Wärmeverteilung im gesamten Raum herstellen.
Die Wärmeversorgung erfolgt über Biomasse (Hackschnitzel bzw. Pellets). Der gesamte Stadtkern, einschließlich der neuen barrierefreien Wohnanlage werden von der Anlage versorgt. Über ein Contracting-Modell wird der Betrieb der Anlage ausgelagert. Die bestehende Wärmeversorgung der Kita wird für Redundanzzwecke in das System eingebunden.

Natürliches Lüftungskonzept:
Büros und Funktionsbereiche werden über Fensterflügel natürlich belüftet. Durch Öffnungsklappen in den Wandschränken ist auch die Querlüftung möglich.
Der Lüftungsbedarf im Saal wird über das Volumen minimiert. Zusätzlich wird der Saal natürlich aus einem Erdkanal mit Frischluft versorgt wobei diese durch den Wärmeaustausch mit dem Erdreich im Winter vorgewärmt und im Sommer gekühlt wird. Als Antrieb nutz man den Kamineffekt der aus der Höhe des Saals resultiert.
Der sommerliche Komfort wird im Wesentlichen über einen guten, außenliegenden Sonnenschutz sowie über eine Kühlung der Deckenpaneele/Fußbodenheizung, versorgt über Wasserkreislauf in der Bodenplatte der Tiefgarage.

Regenwassernutzungsanlage:
Aufgrund der geneigten großen Dachflächen wird eine Regenwassernutzungsanlage eingebaut, welche an die WC Anlagen sowie die Rathausgartenbewässerung angewschlossen werden.

Durch die architektonische Konzeption soll der Bedarf der größten Energieverbraucher wie Kunstlicht und Klimatechnik, sowie der Wärmebedarf minimiert werden.
Der verbleibende Energiebedarf wird mittels einer Solaranlage (Photovoltaik) bzw. über einen Erdwärmetauscher sowie einer Biomassefeuerung gedeckt, so dass in der Bilanz ein Plusenergiegebäude entsteht (Haus als Kraftwerk).

Beurteilung durch das Preisgericht

Städtebaulich wird der Kirchplatz durch die vorgeschlagene Lösung der Situation angemessen arrondiert.
Das Neubauensemble setzt sich aus zwei Baukörpern zusammen: ein langgestreckter Baukörper mit einem flachen Satteldach für die geforderten Büroräume und die anderen geforderten Nutzungen und ein etwas kleinerer Baukörper mit einem steileren Satteldach für den Ratssaal.

Blickbeziehungen werden berücksichtigt.

Der Ratssaal schiebt sich auf den Kirchplatz und bildet dort einen eigenen kleinen geschützten Vorbereich vor dem Haus Bissendorf, was dem Kirchplatz insgesamt zugutekommt. Durch die städtebauliche Anordnung der Gebäude entsteht zur Wissinger Straße und zur Spichernstraße eine vorplatzartige Situation, die sich als Terrasse leicht gegenüber dem Straßenniveau abhebt. Unter dieser mit einer Grünanlage versehenen Fläche wird, den Niveausprung im Gelände ausnutzend, im Untergeschoss eine Tiefgarage vorgeschlagen.

Das Haus Bissendorf erhält im Norden einen angemessenen Vorplatz.

Der Lage des Gebäudes entsprechend erhält es zwei Eingänge: einen zum Kirchplatz und einen zweiten, gleichberechtigt, zum Vorplatz im Norden.

Der Eingang in der Gebäudefuge zwischen Ratssaal und Bürogebäude ist zweckmäßig angeordnet.

Der Ratssaal verspricht eine hohe innenräumliche Qualität. Das Bürogebäude als Zweispänner konzipiert, bekommt durch Aufenthaltsflächen und Belichtung von außen angenehme und angemessene Raumqualitäten.

Die Gestaltung der Fassade des Bürogebäudes wird positiv bewertet, wobei die Giebelansichten des Ratssaales kontrovers diskutiert werden. Es wird befürchtet, dass das Bild einer Kapelle entstehen könnte.

Das Raumprogramm wird erfüllt und der Gebäudekomplex mit Ratssaal und Bürotrakt verspricht eine gute Wirtschaftlichkeit und Effizienz.

Die vorgeschlagene Tiefgarage wird im Hinblick auf den daraus entstehenden hohen BRI kontrovers diskutiert.

Das Gebäude ist barrierefrei erschlossen. Das Haus Bissendorf wird über einen Gang bzw. eine Brücke, die über Treppe und Fahrstuhl erreicht wird, angebunden.

Der vorgeschlagene Gebäudekomplex verspricht als Passivhaus umgesetzt werden zu können.