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Nichtoffener Wettbewerb | 03/2013

Umbau und Erweiterung Technisches Rathaus

Ansicht

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Anerkennung

Preisgeld: 6.000 EUR

Baumschlager Eberle Architekten

Architektur

Erläuterungstext

Ein neuer Baustein für Tübingen

Entgegen der Ausschreibung sieht der Wettbewerbsbeitrag vor, den Bestand des Technischen Rathauses durch ein nachhaltiges, städtebaulich und funktional optimiertes Gebäude zu ersetzen. Dabei geht es nicht darum, dass das bestehende Gebäude aus architekturhistorischer Sicht nicht zu schätzen wäre. Nach der Abstimmung auf die heute erforderlichen Gebrauchswerte (Barrierefreiheit) und Komfortwünsche bliebe jedoch von der alten Bausubstanz nicht viel mehr als die typische Fassade der 50er Jahre erhalten. Weitgehende Kompromisse im Städtebau, Wirtschaftlichkeit und Ökologie müssten dafür eingegangen werden - oder anders formuliert: Man würde hier die Anbetung der Asche zelebrieren und nicht das Feuer der Tradition weiterreichen.

Städtebau
Das neue Gebäude steht als Solitär auf dem grünen Grundstück entlang der Ammer. Die Gebäudehöhe orientiert sich an umliegenden Bauten der Universität. Die gewählte architektonische Form des Kubus‘ verleiht dem Gebäude ein Gesicht nach allen vier Seiten hin. Es löst auf diese Weise die komplexe städtebauliche Situation, denn das Gebäude zeigt seine bauliche Präsenz sowohl zum neuen Vorplatz hin wie auch als zurückgesetzte städtische Fassade an der Wilhelmstraße. So steht der Kubus wie selbstverständlich als ergänzender Stein im Stadtgefüge - zurückgesetzt und leicht gedreht zwischen den denkmalgeschützten Bauten.

Außenraum und Erschließung
Die Erschließung des Gebäudes geschieht durch einen urbanen Platz, der sich zur Brunnenstraße hin orientiert. Das Gebäude ist auf 327.30 ÜNN angehoben, welches das Gebäude aus der Vertiefung holt, der konstruktive Hochwasserschutz ist damit gewährleistet, der großzügige und barrierefreien Zugang wird erleichtert. Der öffentliche Platz bietet außerdem einen Halte- und Wendemöglichkeit. Der kompakte Vorplatzbereich ermöglicht außerdem eine landschaftliche Begrünung auf der Nord-, Ost- und Westseite. In diesen Bereichen finden sich mäandrierende Wege, während an der Westseite eine Terrasse als Insel in der Landschaft eingefügt wird. Parkierungsmöglichkeiten sind im Osten (Behindertenstellplätze) vorgesehen, wo auch die Anlieferung erfolgt. die Fahrradstellplätze sind westlich nahe dem Platz angeordnet. Je nach Verfügbarkeit des Flurstücks 490 könnte eine Außenraumgestaltung im Bereich zwischen dem Rathaus und der Wilhelmstraße dessen Präsenz und Zugang von der Altstadt her verbessern.

Funktion
Aus der Baugeschichte lernend, steht primär die Nutzungsneutralität des neuen Hauses im Vordergrund, wenn es um seinen Gebrauchswert geht. Der quadratische Grundriss und die Fassaden basieren auf einem Planraster von 1,35m, die nach außen orientierten Büroflächen sind flexibel in Einzelbüros, Gruppenbüros und Bürolandschaft teilbar. Die temporär genutzten Flächen und die Erschließung befinden sich im Gebäudekern. In diesem Zentrum steht ein überdachtes Atrium, das vom Foyer weg bis in den Dachbereich die Etagen mit natürlichem Licht versorgt. Im Erdgeschoß verbindet ein zentrales Foyer die Platzseite im Süden innenräumlich mit der Landschaft im Norden. Das Service Center Bau, der Konferenzbereich, und Mitarbeiterbereiche sind an das zentrale Foyer angeschlossen, dieses ist teilbar, um die Möglichkeit zu geben den Veranstaltungsbereich zu separieren und unabhängig zu bespielen.

Ökonomie und Ökologie
Das Gebäude hat als kompakter Körper ein günstiges Verhältnis von Fassadenfläche zu Kubatur. Dies erlaubt nicht nur eine kosteneffiziente Konstruktion, sondern verringert auch den Wärmeverlust über die Außenhülle. Das Gebäude ist in seiner Form, seinen Wandaufbauen, Fenstern energetisch optimiert. Detaillierte energetische Berechnungen ergaben, dass es keiner Heizung bedarf. Durch eine Steuerung werden nämlich die Energieströme gelenkt und ein thermischer Ausgleich geschaffen. Insgesamt gesehen stellen Ökonomie und Ökologie keinen Widerspruch dar – im Gegenteil, sie ergänzen einander in der Logik des Gesamtkonzeptes.

Konstruktion und Materialien
Gebäudekern und Geschossplatten werden aus Stahlbeton gefertigt. Außenwände werden aus einem tragenden Mauerwerk und Poroton-Steinen kombiniert. Die 76cm dicke homogene Wand hat eine hohe thermische Speicherkapazität und benötigt keine zusätzliche Isolierung. Die hochdämmenden Holzfenster mit einer 3-fach Verglasung werden durch eine individuelle Steuerung zur natürlich Lüftung eingesetzt.

Architektur
Das geplante Objekt soll nicht prätentiös, sondern elegant und einfach in Erscheinung treten. Die ruhige Lochfassade mag vielleicht auf den ersten Blick unscheinbar wirken, die besonderen Qualität der Architektur liegen im detailgenauen Umgang mit dem Bauvolumen: Denn das neue Technische Rathaus ist nach außen hin mehr als nur ein Kubus: Städtebaulich ein Baustein, ist es architektonisch betrachtet eine Bauskulptur. Die leichte Drehung in den Etagen, die Tiefe der Fensterlaibungen und die hohe Materialqualität durch den Kalkputz verleihen dem Volumen eine ganz subtile Plastizität, die aus den elementaren Möglichkeiten der Architektur gewonnen wird. Die Rhythmik im Öffnen und Schließen der Oberfläche, die Haptik des Materials, der gezielte Eingriff in das System des Orthogonalen – all das macht eine Architektur aus, die über das zeitgeistig-typische hinaus einen nachhaltigeren ästhetischen Anspruch erhebt. Architektur übernimmt Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit. Aber auch unmittelbar für die Nutzer des Hauses. Dabei gilt es im Rahmen der wirtschaftlichen Möglichkeiten ein Höchstmaß an Komfort und räumlichem Erlebnis zu generieren. Die natürliche Belichtung, eine ausgeklügelte Beschattung und die thermische Behaglichkeit bieten den Nutzern eine angenehme Arbeitsatmosphäre. Die Wahrnehmung des vertikalen Raumes im kompakten Baukörper macht wiederum das Haus zu etwas Besonderem – logisch aus dem Konzept abgeleitet und selbstverständlich in der Wirkung.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Verfasser gehen die Aufgabe mit einem grundsätzlich anderen Ansatz an als alle anderen Teilnehmer: obwohl die Auslobung deutlich den Erhalt des Altbaus beschrieben hat, entscheiden sie sich, das Gebäude komplett abzubrechen und einen neuen, sechsgeschossigen Kubus zu erstellen. Formal ist dies zulässig – und es ist eine durchaus interessante Herangehensweise, die neue Perspektiven auf die Aufgabe eröffnet.

Städtebaulich wird der Neubau von der Brunnenstraße zurückgesetzt und platziert sich relativ mittig im Grundstück. Dies eröffnet zwei Möglichkeiten: zum einen entsteht vor dem Gebäude eine großzügige und einladende Platzfläche, die das Niveau zur Brunnenstraße angleicht. Zum anderen stellt sich das Gebäude in die offene Blickachse von der Wilhelmstraße und nimmt zu diesem prominenten Stadtraum – und damit auch zu dem zukünftigen Universitätscampus - Bezug auf. Dies wird noch verstärkt durch eine neue Wegebeziehung aus der Wilhelmstraße über die Ammer, die auch den Alten Botanischen Garten anbindet.

Dennoch bleibt städtebaulich einiges offen: wie der Altbau wird auch der Neubau unter dem Niveau der umgebenden Straßen errichtet und versinkt etwas. Seine Körnigkeit und monolithische Ausprägung sprengen deutlich den Rahmen der umgebenden Bebauung und wirken sogar gegenüber größeren Gebäuden wie dem Heizkraftwerk massiv, durch die zweite Reihe wird dieser Aspekt nicht spannungsfreier.

In seiner baukörperlichen Ausprägung nutzt er dagegen viele der Möglichkeiten, die sich bei einem Neubau ergeben: Die Fassade ist klar und zurückhaltend strukturiert, durch die leichte Verwindung zwischen den Ebenen wird auch das große Volumen raffiniert gegliedert. Auch in den Grundrissen und im Energiekonzept setzt sich diese hohe Qualität überwiegend fort – einzelne eher wenig gelungene Aspekte wie das schmale und hohe Atrium schmälern den positiven Gesamteindruck nur geringfügig.

Das Raumprogramm lässt sich in dem vorgeschlagenen Kubus gut unterbringen, eine hohe Flexibilität ist – wie bei einem Neubau zu erwarten – ebenfalls gegeben. Der Entwurf ermöglicht vermutlich eine vergleichsweise wirtschaftliche Erstellung und einen kostengünstigen Unterhalt.

Aus Freiraumsicht stellt sich die Frage, ob die dargestellten Freiräume echte Aufenthaltsqualitäten bieten oder nicht teilweise zu groß und unstrukturiert sind. Der Ammer- Begleitweg und die damit verbundene Anbindung an den Alten Botanischen Garten sind als Ansatz positiv. Grundsätzlich ist die Erschließungssituation großzügig und dem Kubus angemessen.

Abschließend stellt die Arbeit einen interessanten, mutigen und architektonisch sauber ausgearbeiteten Beitrag dar. Sie formuliert auch die Frage, ob der Altbau mit seinen Einschränkungen, Beschränkungen und Nachteilen dennoch genug Vorteile bietet, dass sein Erhalt gerechtfertigt ist. Die Antwort, die sie hierauf gibt, ist jedoch städtebaulich und von der Einbindung in die Umgebung nicht vollständig überzeugend.
Lageplan M500

Lageplan M500

Regelgeschoß M200

Regelgeschoß M200

Schnitt M200

Schnitt M200