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Nichtoffener Wettbewerb | 01/2013

Modernisierung U-Bahnhof Sendlinger Tor

Engere Wahl

Max Dudler GmbH

Architektur

.PSLAB

Lichtplanung

Erläuterungstext

Die Architektur von U-Bahn-Stationen wird im vorbeieilen wahrgenommen. Dies gilt umso mehr für die wichtigen Knotenpunkte, wie das Sendlinger Tor mit einem Durchlauf von 145.000 Personen am Tag. Um Orientierung zu geben, sollte die Gestaltung solcher transitorischen Räume möglichst klar und übersichtlich sein. Um dem U-Bahnhof eine widererkennbare Identität zu verleihen muss aber auch das Thema der Architektur sehr eindeutig sein. Die Gestaltung kann aber, da der Aufenthalt der Fahrgäste nur sehr kurz ist, durchaus auch etwas Spielerisches haben.

Die thematische Idee für die Gestaltung der Station Sendlinger Tor beruht auf der typologischen Analogie des U-Bahnhofs als Höhle. Im Entwurf ist der U-Bahnhof gewissermaßen als Höhlengleichnis inszeniert. Wobei uns an Platons Höhlengleichnis nicht so sehr der philosophische Bildungsweg der Erkenntnistheorie interessiert hat. Uns faszinierten vielmehr die Darstellungen des Gleichnisses in der Literatur. Der Weg des Erkennenden aus der Höhle erscheint hier als faszinierender Weg in das Licht. Aus einer Unterwelt, die durch die Schatten eines künstlichen Feuerscheines beleuchtet ist führt dieser Weg über die Spalten und Risse des Gesteins in das offene weiche Licht des Himmels. In ganz abstrakter Form soll dies das Thema der Architektur sein.

Alle drei Ebenen der Station werden mit demselben, anthrazitfarbenen Kunststein verkleidet. Das Material soll eine strukturierte (haptische) Oberfläche erhalten. Der Kunststein vereinheitlicht die Formen der drei Ebenen. Er kann alle erforderlichen plastischen Formen annehmen und hat dazu erhebliche Vorteile in Bezug auf die technischen Anforderungen (Brandschutz etc.).

Jede einzelne Ebene der Station dagegen hat eine eigene Lichtstimmung, die das eingeführte Thema vermittelt. Der Weg des Fahrgastes von der Oberfläche der Erde in die Tiefe der Höhle ist in der Architektur durch die abstrakten Formen - Fläche, Linie und Punkt - übersetzt. Auf dem Sperrengeschoss versinnbildlicht eine flächige Lichtdecke das weiche natürliche Licht des Himmels. In der darunterliegenden Ebene gelangt das Licht nur noch über Spalten oder Risse, in der untersten Ebene punktförmig, gewissermaßen durch die feinen Kanäle und Adern des Gesteins. Im gleichen Zuge ändert sich auch von Ebene zu Ebene der Charakter und die Qualität des Lichts.

Die Unterkonstruktion der Lichtdecke des Sperrengeschosses besteht wie die Decke selbst aus Acrylglas. Der Lichteinfall wird dadurch gebrochen und vielgestaltig. Das Licht hat einen hohen Anteil von (künstlichem) Tageslicht. Das Licht aus den „Spalten“ der Decke der darunterliegenden Ebene wird durch einzelne Tageslicht-Spots belebt. Im untersten Geschoss bildet die Verkleidung ein fast vollständiges Gewölbe aus. In alleatorischer Anordnung dringt Licht in einzelnen Strahlen in den Raum. Aus technischen Gründen besteht die Verkleidung des Gewölbes aus einer malermäßig behandelten Gipskartonverkleidung.

LICHT / KONZEPT

Das Lichtkonzept greift den architektonischen Ansatz der Höhlenthematik auf und unterstreicht dessen Wirkungsweise.

Die Entwicklung von oben nach unten, immer weiter in die Tiefe, spiegelt sich auch in der Lichtkonzeption wieder. Das Licht ordnet sich der Architektur unter und wird gestalterisch in diese integriert. Es findet somit eine Verflechtung von Architektur und Licht statt, welche sich in gegenseitiger Wechselwirkung betonen.

Die allgemeine Lichtwirkung verändert sich von flächig-diffus an der Oberfläche, zu immer mehr punktuell-brillantem Licht, je weiter man in die Tiefe kommt

Sperrengeschoss:
Hier, über der Erde, ist eine fein strukturierte Lichtdecke der obere Abschluss. Als Sinnbild für den Himmel, mit einer grosszügigen flächig-heller Belichtung. Durch die Dimmung unterschiedlicher Flächen und Zonen, sowie einer fein abzustimmenden Farbsteuerung im Weiss-Bereich, kann auf unterschiedliche Lichtsituationen im Verlauf eines Tages eingegangen werden. Desweiteren wird somit der wolkige Charakter des natürlichen Himmels aufgegriffen und unterstützt.

Lichtanteil diffus: 100% Lichtanteil brillant: 0%

Ebene U3/U6
Hier, unter der Erde, dringt das Licht nur noch über Risse in der Oberfläche ein. Aus tiefen, in die Decke integrierte Gräben, wird die Ebene durch diffuses Licht geflutet. Um Spannung zu schaffen, gibt es auch hier eine differenzierte Steuerung für Helligkeit und Farbe. Unterstützt wir dies noch durch zusätzliche Spots, welche das Eindringen einzelner Sonnenstrahlen symbolisieren.

Lichtanteil diffus: 70% Lichtanteil brillant: 30%

Ebene U1/U2
Hier, in der Tiefe, erreicht das Licht die Ebene nur noch über feine Kanäle und Adern. Punktuell tritt Licht aus, stellenweise diffus, matt, grösstenteils aber gerichtet, strahlend. Dadurch entsteht ein Spannungsfeld, bedingt durch die grösseren Leuchtdichtenunterschiede; ein unregelmässiger Wechsel differenzierter Helligkeiten. Das Licht dient zur Führung und Orientierung. Der offensichtliche Bezug zu Sonnenstrahlen erzeugt eine unerwartet angenehme Atmosphäre.

Lichtanteil diffus: 30% Lichtanteil brillant: 70%

Durch den Wandel von diffusen zu immer mehr brillanten Lichtverhältnissen, mit zunehmender Tiefe, wird der Eindruck der Wertigkeit des Ortes gesteigert. Die Spannung entsteht durch den Widerspruch, dass Tiefe und Untergrund in der Wahrnehmung negativ behaftet sind, aber die Lichtwirkung durch ihre hohe Brillanz genau das Gegenteil impliziert.

LICHT / SYSTEMATIK

Die Beleuchtung der drei Ebenen ist Bestandteil der Architektur und somit ein integrierter Bestandteil dieser. Somit kann auf Sonderkonstruktionen im Sinne von Leuchten verzichtet werden.

Es werden gängige, am Markt verfügbare Systeme und Lichteinheiten eingesetzt, was zum einen eine gleichbleibenden Qualitätsstandard gewährleistet, als auch eine Transparenz bei den eingesetzten Produkten.

Zum Einsatz kommen moderne Leuchtstofftechnik für die diffuse Beleuchtung und HIT-Technik für die Strahler / Spotlights.

Beide Systeme haben sich bewährt und entsprechen in Bezug auf Lichtausbeute und Energieeffizienz internationalen Standards. Beide Systeme haben einen hohen Farbwiedergabeindex, was einen natürlichen Lichtcharakter generiert.

Durch den Einsatz von konventionellen Leuchtmitteln und elektronischen Komponenten können Wartungsarbeiten gezielt durchgeführt werden. Der Wartungsaufwand wir dadurch auch langfristig plan- und kalkulierbar. Da die verwendeten Leuchtmittel in Bezug auf Lichtfarbe, Farbwiedergabe und Leistung standardisiert sind, kann auch zukünftig eine konstante Lichtqualität und -intensität gewährleistet werden.

Auf den Einsatz von LED-Systemen wird bewusst verzichtet, da hier noch keine wirklichen Standards geschaffen wurden und es –trotz möglicherweise länger Lebensdauer- nicht gewährleistet werden kann, dass im Wartungsfall auch zukünftig Komponenten mit gleicher Qualität wie das Ausgangsprodukt erhältlich sind.

Selbstverständlich ist ein Umrüsten auf LED-Leuchtmittel jederzeit denkbar, was eine grösst mögliche Flexibilität der gewählten Systematik darstellt.

LICHT / WIRTSCHAFTLICHKEIT

Bei einer Betriebszeit von täglich 18-20h, ergeben sich bei den gewählten systemen folgende Wartungszyklen:

Leuchtstofftechnik T5 Lebensdauer 45.000h Wartungszyklus ~6 Jahre

HIT-Technik Lebensdauer 20.000h Wartungszyklus ~3 Jahre

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Verfasser entwickeln aus der Idee des U-Bahnhofs „unter der Erde“ eine Raumstaffelung von der Oberfläche bis zum untersten Bahnsteigebene mittels homogenisierter, robuster Materialien für Boden Wand und Decke und differenzierter Ausgestaltung der künstlichen Beleuchtung. Hierbei werden das Kunstlicht und seine Wahrnehmung im Raum sequentiell reduziert vom Sperrengeschoss bis zum untersten Bahnsteig. Kontrovers diskutiert das Preisgericht die angebotene räumliche Atmosphäre der drei Ebenen. Hier insbesondere die Nüchternheit des Sperrengeschosses und den „Ausstellungsraum-Charakter“ der Ebene U3/6. Die Ebene U1/2 hingegen gefällt durch ihren poetischen Raumeindruck, die dargestellte Ausleuchtung der Raumskizzen erscheint dagegen als zu dunkel. Dieser Aspekt trägt auch dazu bei, dass dieser öffentliche Raum in der Diskussion als "nicht angstfrei“ gesehen wird, wobei hierzu die verwendete „Schwarz-Weiß-Darstellung“ wesentlich beiträgt.
Die technische Machbarkeit der Lichtdecke im Sperrengeschoss und der Lichtstreifen im U3/U6-Geschoss ist mit dem ausgewählten Material Acrylglas nicht gegeben (Brandschutz). Eine alternative Lösung mit einer Über-Kopf-Verglasung wird wegen der Verschmutzung und der Lichtwirkung sowie im Hinblick auf Kosten/Unterhalt kritisch gesehen. Das dargestellte Signaletiksystem entspricht nicht den aktuellen Vorgaben. Ob das einzusetzende dunkelgraue Signaletiksystem eine einwandfreie Orientierung ermöglicht, wird bezweifelt.
Die Revisionierbarkeit der Wände und Decken ist insbesondere im U1/U2-Geschoss durch die Ausführung in Gipskarton nicht möglich. Ebenso wird im Hinblick auf die Feuchtigkeit im Bauwerk das Material Gipskarton in Frage gestellt. Die Revisionierbarkeit der Leuchten im Gleisbereich ist sehr aufwendig.
Insgesamt gesehen versuchen die Verfasser, die komplexe Aufgabenstellung mit einem intellektuell aufgeladenen Konzept zu beantworten. Inwieweit dieses Konzept zu einer eindeutigen Identität des besonderen Ortes werden könnte, bleibt in der dargestellten Form jedoch eine offene Frage.
Ebenso stellt sich natürlich auch die Frage, inwieweit das konsequente Raumkonzept eine Überlagerung mit den notwendigen Ausstattungselementen verträgt.