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Offener Wettbewerb | 04/2013

Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Neubau Wilhelmstraße 50

Sonnenverlauf auf Südfassade. Verzicht auf mechanische Verschattungssysteme. Verschattung im Sommer. Wärmegewinn im Winter.

Sonnenverlauf auf Südfassade. Verzicht auf mechanische Verschattungssysteme. Verschattung im Sommer. Wärmegewinn im Winter.

Engere Wahl

magma architecture

Architektur

Buro Happold

Fassadenplanung

Erläuterungstext

Entwurfsidee / Leitgedanke
Das Entwurfskonzept für die neue Ministeriumserweiterung basiert auf einer Fortschreibung des bestehenden Städtebaus und auf einer genauen Analyse der Sonnenbewegung und resultierenden Verschattung durch die örtliche Bebauung. Durch die Fassadengestaltung kann komplett auf eine mechanische Verschattung verzichtet werden. Dies hat nicht nur eine Reduzierung der Energie- und Reparaturkosten zur Folge, sondern dient als Gestaltungselement der Bürofassade. Die Fassaden des Neubaus geben ein genaues Verschattungsabbild der Sonnenstände durch die umliegenden Bebauungen wieder.

Die Fenster wurden großflächiger ausgebildet wo durch die Sonneneinstrahlung in den Wintermonaten eine positive Energiebilanz zu erwarten ist. Besonders in den oberen Geschoßen wird daher die Fensterfläche vergrößert. Die unteren Geschosse sind weitestgehend verschattet und weisen daher kleinere Fensterflächen auf. Als Verschattung der Fensterflächen in den heißen Sommermonaten dient ein Metallgeflecht, das sich über den Fenstern aus der Fassadenebene wölbt. Es ist fest eingebaut und entsprechend der Sonnenbewegung auf der Fassadenoberfläche modelliert. So entsteht ein Bundesgebäude, das die Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeit sichtbar thematisiert.

Architektonisches Gestaltungskonzept
Zur Straße schließt der Neubau an die Fassadenflucht des westlichen Nachbargebäudes an und schließt so den Blockinnenhof zur Straße ab. Um die Kontinuität und Proportion des Ministeriumsaltbaus zu erhalten wird ein Abstand zwischen Neubau und Altbau eingefügt. Die Abstandsflächen überschneiden sich nicht. Ein filigranes Dach dient als Wetterschutz für den Übergang auf Erdgeschoßebene. So wird der Eingriff in die denkmalgeschützte Altbaufassade minimiert und eine Feuerwehrzufahrt unter dem Dach ermöglicht. Das Edelstahlgeflecht stellt einen Bezug zur Farbigkeit des in grauem Naturstein errichteten Altbaus her.

Auf der Hofseite springt die Fassadenflucht zurück und erzeugt einen schlanken Gebäudekörper. Die Reduzierung der Gebäudebreite wurde bewusst gewählt, um die natürliche Belichtung und Belüftung im Gebäudeinnern zu maximieren. Auf Erdgeschoßebene schieben sich die Gruppenräume der Kindertagesstätte und die Eingangstreppe zum Hof. Damit wird der Freiraum strukturiert und über Ober-lichter eine verbesserte natürliche Belichtung der Kindertagesstätte gewährleistet.
Der Ausstellungsraum orientiert sich entlang der Straße und ist gut einsehbar von der Fußgängerebene. Die Länge der Wandflächen wurde maximiert, um möglichst viel Fläche für Exponate und künstliches Ausstellungslicht zu schaffen. Das Metallgeflecht ist teilweise über Fensterflächen gezogen, um die Fenster wahlweise im Innenraum abdecken zu können. Verschiebliche innenliegende Fensterläden schließen die Außenwand und machen sie für Hängungen von Exponaten oder Projektionen nutzbar. In den oberen Geschossen sind die Verglasungen zusätzlich mit UV Filtern ausgestattet. Für mediale Ausstellungen kann der Ausstellungsraum mit Hilfe von einem innenliegenden Blendschutz abgedunkelt werden.

Die Fassadenöffnungen in den oberen Etagen sind den jeweiligen Nutzungen der Räume zugeordnet. Teeküchen und Kopierraum wurden als informelle Treffpunkte der Mitarbeiter an der Südfassade positioniert. Sie liegen direkt hinter den Nassräumen. Die Toilettenräume inklusive der Behindertentoiletten sind in einem eigenständigen Gestaltungsobjekt zusammengefasst. Farblich wird dieses Objekt vom Flurbereich abgesetzt um den geradlinigen Bürotrakt zu strukturieren.

Die seitlichen Verbindungsgänge zur Fassade erzeugen einen natürlichen Lichteinfall im innenliegenden Flur. Der Aufzug, der durchgängig über alle Geschosse geführt wird, ist in seiner Zuwegung und Kabinenbemessung für Rollstuhlfahrer ausgelegt. Die Beschriftung wird für eine einfache Lesbarkeit als Brailleschrift ausgeführt.

Funktionalität & Konstruktion
Das Raumprogramm und die Nutzungsanforderungen wurden vollständig erfüllt.
Die Büros sind entsprechend der Ausschreibung als Einzelbüros ausgebildet. Eine Öffnung von Einzelbüros der einzelnen Teams zu kleinen Großraumbüros durch Absetzen der Wände von der Fassade ist denkbar.

Das Konstruktionssystem des Neubaus basiert auf einer Betonskelettbauweise. Die Spannweiten zwischen den durchgängigen Stützen beträgt ca.7m. Auf den Stützen liegen Stahlbetondecken mit ebenengleichen Trägern. Die Decken werden mittels Bauteilaktivierung als Kühl- und Heizsystem verwendet. Auf die Betonschalung wird ein Quarz-Absorberkörper von 5cm Stärke vor Ort aufgegossen. Dieser Absorber ist ein wäremeleitender Akustikabsorber, der die Energie der thermoaktiven Betondecke optimal überträgt. Die Unterseite der Decke wird als homogene porosierte Putzfläche ausgebildet.

In die Deckenunterseiten werden vor den Fenstern ein textiler Blendschutz sowie Beleuchtungsauslässe eingelassen. Auf den Deckenoberseiten befindet sich ein aufgeständerter Fußboden für eine flexible Kabelverteilung. Im Bereich vor den Fenstern wird ein bodengleicher Konvektor im Fußboden für Zusatzwärme eingebettet.
Die Fensterbrüstungen werden in Stahlbeton ausgeführt. Sie nehmen die Lasten der Vorhangsfassade und auskragenden Verschattungselemente auf. Im Detail wurde besonders auf eine Wärme- und Kältebrücken reduzierte Konstruktion wert gelegt. Die geschlossenen Fassadenflächen werden als Vorhangsfassade mit schwarzer diffusionsoffener Klimamembranen ausgebildet. Vor die Membran wird ein Aluminiumrahmen gehängt, der mit einem über 60% geschlossenem Edelstahlgewebe be-spannt ist. Durch die Ausknickung wird jede Fensteröffnung zweilagig verschattet. Das Metallgewebe ist hoch belastbar und sehr beständig. Es bietet einen natürlichen Graffiti- und Objektschutz.

Der Brandschutz zwischen den Geschossen wird durch eine Betonskelettbauweise mit Stahlbetondecken erreicht. Feuerüberschlag in der Fassade zwischen den Geschossen wird durch Stahlbetonbrüstungen verhindert.

Die beiden durchgängigen Fluchttreppenschächte dienen der Queraussteifung der Stahlskelettkonstruktion. Das Stützenraster wird im Abstand zur Fassade positioniert und schafft hierdurch einen geordneten Fassaden- / Deckenanschluss.

Wirtschaftlichkeit
Die Kostenobergrenze wird entsprechend der beiliegenden Kostenschätzung unterschritten. Die Unterschreitung wird durch eine Konvergenz des architektonischen Konzeptes mit Nachhaltigkeitsaspekten und Funktionalität erreicht. Kostentechnisch lässt sich das Gebäude in zwei wesentliche Teile unterteilen: der Gebäudekörper und die Gebäudehülle. Bei der Entwicklung des Gebäudekörpers stand eine einfache Baubarkeit im Vordergrund, die besonders durch eine Stahlbetonskelettkonstruktion mit leichtem Innenausbau realisiert wurde. Durch die Integration der Akustik in der Schalung konnte auf abgehängte Decken verzichtet werden. Die Gebäudeflächen konnten aufgrund einer ratio-nalen Grundrissverteilung auf ein Minimum reduziert werden.

Die Gebäudehülle hat nicht nur einen hohen architektonischen Anspruch, sondern entwickelt sich vornehmlich durch die Funktionalität der Verschattung. Durch die vollständige Verschattung und ge-naue Berechnung der Sonnenstände im Jahresverlauf kann auf eine mechanisches Verschattungs-system verzichtet werden. Dies führt nicht nur zur Reduktion der Bauteile, sondern auch zur Kosteneinsparung der Betriebskosten. Elektrische Systemsteuerungen und Reparaturkosten entfallen vollständig. Das verschattende Edelstahlgeflecht hat eine sehr gute Beständigkeit mit sehr geringen zu erwartenden Unterhaltskosten. Die dahinterliegende Vorhangsfassade mit einfachen Lochfenstern kann aufgrund der höherwertigen Metallgewebeverblendung sehr kostengünstig ausgeführt werden. Alle Fenster werden als Öffnungsflügel ausgebildet und sind daher problemlos auch in den oberen Geschossen von innen zu reinigen.

Nachhaltigkeit
Ausschlaggebend für die Gestaltung des Gebäudes war die Sichtbarmachung nachhaltiger Planung. Insbesondere die Fassade macht den Nachhaltigkeitsanspruch des Bundesministeriums deutlich und kann als Anschauungsprojekt für zukünftige Gebäude gesehen werden (s.o.).

Die Planung des vorliegenden Gebäudeentwurfes berücksichtigt die BNB Büro- und Verwaltungsgebäude - Neubau (BNB_BN) in der Version 2011_1 im Sinne einer integralen Planung und technischer/funktionaler Qualität mit dem Ziel einen Erfüllungsgrad über der Note 1,5 (über 80%) zu errei-chen. Um eine integrale Planung auch im Wettbewerb zu gewährleisten wurde für die Bearbeitung ein Planungsteam von Architekten und Ingenieuren mit entsprechender Qualifikation zusammengestellt.
Um den Fahrradkomfort zu gewährleisten werden 34 Fahrradstellplätze entsprechend dem Vorschlag in der ES-Bau im nördlichen Außenbereichs des Ministeriumsgeländes vorgesehen. Damit wird die Anforderung 1 Stellplatz je 3 Arbeitsplätze erfüllt und erhält maximale Bewertungspunkte.

Die Barrierefreiheit der öffentlichen Bereiche wird nach DIN 18040-1 hergestellt. Ein zum Altbau hin leichte und filigrane Überdachung des Verbindungsweges zwischen Altbau und Neubau stellt eine ganzjährige stufenlose Erschließung her. Die Eingangslobby zum Bürogebäude, die Kita also auch die Ausstellungsgalerie sind ebenerdig, schwellenlos und mit automatischen Türöffner erreichbar. Die Flure sind 1,5m breit. 1,8m x 1,8m Begegnungsbereiche vor dem Aufzug und in der Zuwegung der Sozialbereiche strukturieren die Bürotrakte und sind farblich abgesetzt.

Besonderer Wert wurde auf die Akustik in den Büroräumen gelegt. Die Decken sind mit Akustikabsorbern ausgestattet, die wärme- und kälteleitfähig sind (Tabsilent o.ä.).
Die Baustoffe werden nach dem Prinzip Reduzieren, Wiederverwerten, Rezyklieren eingesetzt. Nur Baustoffe, die notwendig für die integrale Planung sind, werden eingesetzt. Alle überflüssigen Baustoffe wurden im Entwurfsprozess entfernt. Wenn Baustoffe eingesetzt werden wird der zukünftige Verwertungsprozess mit eingeplant. Auf Kompositwerkstoffe wurde, wo möglich, verzichtet. Die Bauteile sind trennbar. Wenn die Baustoffe nicht wiederverwendet werden können, dann sollen sie rezykliert werden. Die Überprüfung dieser Prinzipien wird in jeder Leistungsphase vollzogen. Es werden ausschließlich ökologisch unbedenkliche Baustoffe eingesetzt.

Energiekonzept
Die Anforderung an die Unterschreitung der aktuellen ENEV 2009 wird erreicht und kann dem ent-sprechenden Formblatt entnommen werden. Durch eine erhöhte Dämmung und Luftdichtigkeit wird ein sehr guter Heizwärmebedarf erreicht. Besonders auf die Energiegewinnung durch die Sonnenein-strahlung in den Wintermonaten wurde Wert gelegt. Ein Einsatz von Geothermie wurde nicht notwendig. Ein Bodenkollektor sorgt für Zusatzwärme an besonders kalten Tagen. Es wird Wärmerückgewinnung eingesetzt und ein Anschluss an das Fernwärmeversorgungssystem ist vorgesehen.
Die Einsparung im Betrieb wird unter Wirtschaftlichkeit näher erläutert.

Beurteilung durch das Preisgericht

Städtebaulich leitet der Entwurf als Kopf- / Rumpfbildung einen klaren Abschluss der Blocktypologie, in dem er an die vorhandene Brandwand anschließt und dafür einen deutlichen Abstand zur anliehen Nachbarbebauung einhält. Der Entwurf basiert auf einer Fortschreibung der vorhandenen städtebaulichen Grundstruktur entsprechend einer Sonnenstandsanalyse, die das Preisgericht zunächst als bemerkenswert einstuft und als einen alternativen Ansatz begrüßt. Die Verfasser entwickeln daraus die Idee für eine gitternetzartige Fassadengestaltung, die mit einem 2-fach gekrümmten Metallgeflecht überzogen ist und die damit ein ganz neues Material in dieser Umgebung vorschlagen.
Andererseits wird dieser Ansatz kontrovers diskutiert und es wird kritisch beurteilt, dass bei tief stehender Sonne (Winterfall) der innen liegende Blendschutz gegen den Wärmeeintrag nicht ausreicht sowie der Tageslichtkomfort nicht gewährleistet ist. Ein gesonderter Sonnenschutz existiert nicht, es ist fraglich, ob das Metallgeflecht ausreichend ist.

Die Grundrisse sind gut strukturiert und bieten im Erdgeschoß eine klare Zuordnung zur Kita, der Ausstellung und dem Büroneubau eine eigene Anbindung an das bestehende Ministerium. Die Regelgeschosse des Büroneubaus sind als 2-bündige Struktur angeordnet und an einer Stelle abgerückt von der Fassade unterbrochen. Hier wird der Bereich um einen Nebenraumblock ergänzt. Das sorgt für eine abwechslungsreiche Gestaltung der Erschließungszone und wir positiv bewertet.

Die Verbindung des westlichen Treppenhauses zur benachbarten Schule ist nicht erwünscht und auch nicht notwendig. Die planungsrechtlichen Vorgaben des B-Planes werde mit Ausnahme der Überschreitung der GFZ um 0,7 und der Traufhöhe um 2 Meter eingehalten und auch mit der sich nach „außen“ wölbenden Gitternetzstruktur als umsetzbar eingestuft.

Die bauliche Hülle weist eine sehr hohe energetische Qualität auf, die auch auf den Plänen dargestellt ist. Der sommerliche Wärmeschutz soll über die Gestaltung der Fassaden realisiert werden. Die Funktionalität ist nicht nachgewiesen. Das Energieversorgungskonzept ist fragmentarisch, ein Kühlkonzept fehlt. Die Büroräume können optional über die Fenster belüftet werden.
Lageplan

Lageplan

Ansichten der Metallgeflechtfassade.

Ansichten der Metallgeflechtfassade.

Ansicht vom Bestandgebäude.

Ansicht vom Bestandgebäude.

Büroräume mit gelb gefärbtem Treffpunkt für Mitarbeiter.

Büroräume mit gelb gefärbtem Treffpunkt für Mitarbeiter.

Aussenbereiche stehen in Verbindung mit nachbarschaftlichen Kontext

Aussenbereiche stehen in Verbindung mit nachbarschaftlichen Kontext

Mögliche Büroaufteilung entsprechend gefordertem Raumprogramm.

Mögliche Büroaufteilung entsprechend gefordertem Raumprogramm.

Detaillierte Verschattung über Fassadenmodellierung. Wärmegewinne im Winter. Innenliegender Blendschutz. Kühlung über Bauteilaktivierung der Decken.

Detaillierte Verschattung über Fassadenmodellierung. Wärmegewinne im Winter. Innenliegender Blendschutz. Kühlung über Bauteilaktivierung der Decken.

Verbindung zum Bestandsgebäude mit Metallgeflecht verkleidetem Stahldach.

Verbindung zum Bestandsgebäude mit Metallgeflecht verkleidetem Stahldach.