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Nichtoffener Wettbewerb | 07/2013

Bahnhofsareal

3. Preis

Preisgeld: 5.000 EUR

quaas stadtplaner

Stadtplanung / Städtebau

Tectum Hille · Kobelt Architekten

Architektur

verkehrplus Prognose, Planung und Strategieberatung GmbH

Verkehrsplanung

Erläuterungstext

MITARBEIT
Lucas Opitz, Katya Seydel, Judith Sündermann, Anja Thor


BAHNHOFSAREAL BAD SALZUNGEN
Die grundlegende Umgestaltung des Bahnhofsareals basiert auf einer konsequenten Neuordnung der Funktionen und Wege in Verbindung mit einer deutlichen Reduzierung der Baumassen. Der Entwurf zielt auf eine Klärung des Raumgefüges und Entspannung der Funktionsverflechtungen. Der Bahnhof wird wieder zum funktionalen und gestalterischen Mittelpunkt dieses Areals als zentralem Willkommensort für Reisende mit Bahn, Bus und Fahrrad.
Obwohl die Kubatur des Bahnhofs auf ihr ursprüngliches Maß reduziert wird, finden in dem umfassend sanierten Gebäude ein gemeinsamer Wartesaal mit Servicestation für Bahn- und Busreisende in Kombi-nation mit Tourismusinformation, Gastronomie sowie einer Radfahrer-Herberge (Hotel Garni) angemessenen Raum. Der steinerne Bahnhofsplatz steht als offener Bewegungsraum für alle Wege zwischen Ankunft und Abfahrt rund um den Bahnhof für Fußgänger und Radfahrer zur Verfügung. Die Bahnhofsterrasse ergänzt das Flächenangebot und vermittelt zwischen Innen- und Außenraum. Der Höhenunterschied zwischen Terrasse und Platz sorgt für die notwendige räumliche und funktionale Differenzierung der Freiraumnutzungen.
Westlich schließt sich an den Bahnhofsplatz eine multifunktionale Verkehrsfläche an, die alle notwendigen Ergänzungsfunktionen zur Verknüpfung mit dem motorisierten Individualverkehr aufnimmt und gleichzeitig als Rangierfläche (Andienung Kaufland) genutzt werden kann. Die insgesamt 17 Stellplätze stehen für Kurz-zeitparken (kiss and ride), Elektromobile (Ladestation) und „Teilautos“ (Carsharing) zur Verfügung. Zusätzlich befinden sich hier die Taxistellplätze. Zwischen dieser Verkehrsfläche und den ehemaligen Bahnsteigen 1 und 2, unter deren Überdachung zukünftig Fahrräder geschützt abgestellt werden können, bleibt noch Raum für eine Grünfläche und eine Reihe schattenspendender Bäume.

Östlich des Bahnhofsplatzes wird anstelle der Gebäude sowie der Asphaltflächen des Busbahnhofes ein grüner Freiraum angelegt. Umgeben von zeitweise stark frequentierten Verkehrsflächen entsteht hier eine ruhige Rasenfläche mit wenigen Bäumen – eine Ort der Entspannung und Orientierung. Ein „grüner Tep-pich“ heißt alle Reisenden willkommen. Breite Wege säumen den Rasen und binden ganz selbstverständlich den Wasserturm sowie ein Wasserbecken in die Gestaltung ein. Vielfältige Blickbeziehungen ermöglichen die Wahrnehmung der besonderen stadträumlichen Situation an der Schnittstelle zwischen Stadt und Land-schaft – zwischen Bahnhof, Kuranlagen und Einkaufszentrum.

Die Wege zwischen Bahnhof, Kuranlagen und Innenstadt werden neu geordnet. Vom Bahnhof und Bus-bahnhof führen zwei Wege entlang der Bahnhofstraße in Richtung Goethepark-Center und weiter auf dem verbreiterten Fußweg entlang der Arkaden zur Innenstadt. Auf diesen Weg werden auch die Fußgänger, vom Gradierwerk oder Puschkin-Park kommend, über die bestehende Freianlage in der Achse der Trinkhalle zur Innenstadt geführt. Die unvorteilhafte „Wegekreuzung“ im Eingangsbereich des Goethepark-Centers wird durch Neuordnung des Parkplatzes entspannt. Dem Weg der Kurgäste und Besucher der Stadt in Richtung Markt wird angemessen Raum geschaffen.

Der neue Busbahnhof erstreckt sich ganz selbstverständlich als Teil der vorhandenen Verkehrsanlage süd-lich entlang des Bahnhofsplatzes. Durch die „Sägezahnaufstellung“ werden der Flächenbedarf und der Abstand zwischen den Haltestellen reduziert. Gleichzeitig erlaubt diese Aufstellungsart ein unabhängiges Ein- und Ausfahren an allen sechs Haltestellen! Die einseitige Anordnung sorgt für kurze, sichere und barrierefreie Wege zwischen den Haltestellen sowie zwischen Bussteig und Bahnsteig. Die Bahnhofshalle bietet Schutz für längeres Warten – die Überdachungen auf dem Platz für kurzen Aufenthalt. Die Bus-Bereitstellplätze (max. 14) werden in kürzester Entfernung zum Bahnhofsplatz in der sog. „Stellplatzbucht“ eingeordnet. Hier werden auch die Personalräume neu geschaffen (Pavillon). Die Kurzzeitparkplätze am Bahnhof können für Bus- und Bahnreisende genutzt werden (kiss and ride). Für Bahnkunden stehen darüber hinaus noch über 100 Stellplätze (park and ride) nördlich der Gleisanlagen zur Verfügung. Die kompakte Anordnung des östlichen Teils dieser „Komfort-Stellplätze“ (Breite: 3,0 m) in Parktaschen dient dabei auch dem Freihalten von Blickachsen von Bahnhofsplatz und Bahnsteigen in Richtung Puschkin-Park. Der westliche Teil kann in Abhängigkeit von der Nutzungsintensität sukzessiv den Charakter einer Grünfläche annehmen.

Der Bahnhof wird zum „Hybrid“ umgebaut. Alle für den Betrieb der Bahnstation und des Busbahnhofes notwendigen Räume und Infrastruktureinrichtungen werden hier gebündelt untergebracht. Form (Architek-tur) und Funktion werden wieder in Einklang gebracht. Der Bahnhof wird zentraler Ort von Ankunft und Abfahrt mit Bahn und Bus. Zusätzlich übernimmt der Bahnhof noch Funktionen als Ausgangsort, Zwi-schenstation oder Ziel für Radwanderer im Werratal.

Das Erdgeschoss ist dreigeteilt. In der Mitte befindet sich der Wartesaal mit Fahrscheinverkauf, Reise- und Stadtinformation sowie den Zugängen zu Herberge, Gastronomie und den öffentlichen Toiletten. Östlich davon, mit Terrasse in Richtung Bahnhofswiese, wird ein Bistro-Café eingeordnet, dessen Toiletten und Ne-benräume sich wiederum im Keller befinden. Westlich des Wartesaals befindet sich die Lobby der Rad-fahrer-Herberge in Verbindung mit dem Kontor eines Fahrradverleihs, der zugleich Ersatzteile und Zubehör zum Verkauf anbietet. Die Möglichkeit Fahrräder selbst zu reparieren bzw. reparieren zu lassen besteht in dem am ehemaligen Bahnsteig 2 stehenden „Werkstattwagen“. Die vorgelagerte Terrasse übernimmt hier die Funktion eines „Sattelplatzes“ für die Radwanderer. Die Zimmer der Radfahrer-Herberge befinden sich im Obergeschoss, zusammen mit dem Gemeinschaftsraum und vorgelagerter Dachterrasse. Im ausgebauten Dachgeschoss können noch zwei Gemeinschaftsunterkünfte (Bettenlager) für kleine Radreisegruppen eingeordnet werden. Insgesamt stehen damit 66 Betten unterschiedlicher Kategorien im Gebäude zur Verfügung. Zusätzliche Kapazitäten – noch dazu der besonderen Art – können mit einem Schlafwagen am ehemaligen Bahnsteig 2 geschaffen werden. Dadurch könnte das Angebot speziell mit „Ein- und Zweibettzimmern“ ergänzt werden (ca. 26 Betten).

Der ehemalige Wasserturm wird als Objekt und Ausstellungsort – beispielsweise zum Thema Wasser – zu-gänglich gemacht. Eine „Betreuung“ könnte über das Bistro-Café bzw. die Radfahrer-Herberge erfolgen, wo ein Schlüssel für selbstständiges Öffnen und Schließen hinterlegt wird. Nachts wird der ehemalige Wasserturm zum „Leuchtturm“. Indirektes, wechselnd farbiges Licht (LED-Technik) aus der verglasten Turmhaube taucht dann das Bahnhofsareal in besonderes Licht.

Der Entwurf ermöglicht eine von der Verlagerung des Busbahnhofes weitgehend unabhängige Neuordnung des Bahnhofsareals. Insbesondere der Teilrückbau und die umfassende Sanierung des Bahnhofsgebäudes in Verbindung mit der Gestaltung der Bahnhofsterrasse sowie der Verkehrsfläche können kurzfristig realisiert werden. Die vorhandene Überdachung der ehemaligen Bahnsteige 1 und 2 nutzend, können die Fahrradabstellmöglichkeiten sofort hergestellt sowie der „Werkstattwagen“ und der Schlafwagen bereit gestellt werden. Der Bahnhofsplatz sowie die östlich angerenzende Bahnhofswiese können ebenfalls, ggf. zunächst ohne die neuen Bussteige in „Sägezahnaufstellung“, weitgehend neu gestaltet werden. Lediglich ein Teil der Rasenfläche sowie der Weg in Richtung Innenstadt sind vorübergehend noch vom alten Busbahnhof belegt.

Beurteilung durch das Preisgericht

Bahnhofsareal Bad Salzungen entspannt

Der formulierte Leitgedanke der Entspannung des Entwurfes zielt sowohl auf eine „Klärung des Raumgefüges“ als auch auf eine „Entspannung der bestehenden Funktionsverflechtungen“. In diesem Sinne gliedert der Entwurf das Areal in drei Funktionsbereiche:
1. Ein der Stadt zugewandter, grüner, von Bebauung weitgehend befreiter Auftaktplatz öffnet die Sichtachse zwischen Bahnhof und Innenstadt und stellt durch seine grüne Gestaltung und seine Wegführung nachvollziehbar den Bezug zur Kurlandschaft jenseits der Gleise her. Die Verlegung des Busbahnhofs straßenbegleitend zur Bahnhofstraße unterstützt die intendierte Öffnung zu Stadt und Kur nachhaltig.
2. Ein mittiger, deutlich am freigestellten Bahnhofsgebäude orientierter „Bahnhofsplatz“ inszeniert den Übergang zum rückwärtigen Bahnsteig. Die unmittelbare Verknüpfung von Bus über Bahnhofsgebäude zum Bahnsteig erscheint sehr gelungen.
3. Ein westlicher, stark von Verkehrsfunktionen geprägter Platz stellt in seiner funktionalen Ausformung nachvollziehbar die Verknüpfung zum anschließenden Kauflandareal dar. Insbesondere die Anbindung an den Bahnsteig, die Wegeführung zur Kur und die Platzierung und funktionale Ausführung des Busbahnhofs mit der Sägezahnaufstellung sind gut gelungen. Der Beginn des Busbahnhofs wäre weiter östlich besser gewesen. Ebenso die Taxistellplätze, die im Bereich der Schleppkurve problematisch sind. Der Standort für die Fahrräder mit kurzen Wegen zur Bahn
ist sehr gut. Die kleinen „Parkplatzparzellen an der Werrastraße sind ungünstig, da Parkplatzsuchverkehr begünstigt wird.

Gesamtqualität:
In der gestalterischen Ausformung weist die Umsetzung des Leitbildes einige Schwächen auf. Die funktional nachvollziehbare Dreigliederung wirkt in ihrer plakativen Umsetzung wenig harmonisch und zu formal. Die drei Platzflächen erscheinen zu selbstbezogen, der Materialwechsel wirkt etwas willkürlich und stört den wünschenswerten räumlichen Zusammenhang. Bestehende oder wünschenswerte Wege- und Blickbeziehungen werden durch die Dreiteilung durch einige Gestaltungs- und Möblierungs-elemente eher gestört. Die Bussteigüberdachungen erscheinen etwas überdimensioniert und könnten eine unerwünschte Barrierewirkung zwischen Bahnhofstraße und Platz schaffen. Die Nutzbarkeit und Qualität der Wiese im grünen Auftaktplatz wird an ihrer Stelle in Frage gestellt.

Nutzung Bestand:
Sehr positiv erscheint der Umgang mit dem Bahnhofsgebäude, das auf seinen Kernbestand zurückgebaut wird. Anstelle der beiden nachträglich angebauten Seitengebäude entstehen Terrassenbereiche, die sich u.a. durch eine rückwärtige Rampenanlage gut mit dem Bahnhofsplatz verknüpfen und das Gebäude zu
ihm öffnen. Ob die dargestellte Nutzung als „Radfahrerherberge“ wirtschaftlich darstellbar ist, muss geprüft werden. Die architektonische Umsetzung der Idee ist gleichwohl überzeugend. Die vorgeschlagene Umnutzung der Bahnsteige und anliegenden Gleise ist sehr kreativ und inspirierend, scheitert aber voraussichtlich an den Setzungen und Erfordernissen der Bahn.