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Nichtoffener Wettbewerb | 09/2013

Neugestaltung Augustaplatz

Perspektive

Perspektive

Anerkennung

Preisgeld: 5.000 EUR

Lützow 7 Müller Wehberg Landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

Spengler Wiescholek Architektur//Stadtplanung PartGmbB

Architektur

Ingenieurbüro Abraham

Verkehrsplanung

WTM Engineers

Tragwerksplanung

Erläuterungstext

Neugestaltung Augustaplatz

Das unverwechselbare „Flair“ Baden-Badens ist charakteristisches Merkmal einer jeden Beschreibung, wenn der Reisende von seinem Besuch in der Stadt berichtet. Worin besteht dieses „Unverwechselbare“ Baden-Badens bei der hier gestellten Aufgabe, bei der Betrachtung, Bewertung und Umgestaltung des Augustaplatzes? Zu finden ist das ganz Besondere der Stadt um den heutigen Augustaplatz sowohl im dichten Stadtquartier der Altstadt als auch im Umgriff der Grün- und Kuranlagen an der Oos und entlang der Lichtentaler Allee. Der Reiz kultivierter Park- und Gartenanlagen gepaart mit dem Charme der solitären Gebäude im Park und der Nonchalance der Spaziergänger und Flaneure finden in den gepflegten Plätzen und Gassen der kleinteiligen Altstadt ein kultiviertes Gegenstück. Die Stadt ist gleichzeitig Kurstadt und Stadt der Bürger. Der öffentliche Raum ist hier nicht allein ein Ort der beiläufigen Entspannung sondern auch die Plattform der städtischen Funktionen, der vitalen Geschäftigkeit.
Der Bereich des heutigen Augustaplatzes mit seiner wechselvollen historischen Entwicklung zeigt beispielhaft das Nebeneinander der gestellten Ansprüche an diesen öffentlichen Raum auf. Ursprünglich überwiegend gewerblich genutzt, am Rande liegend, wurden die Ufer der Oos zunehmend durch die Verschönerung der Landschaft und die Ansiedelung von Villen und Kur-/ Hotelanlagen prägender Teil der Kurstadt.
Der Augustaplatz war ursprünglich ein räumlich gefasster urbaner Stadtplatz im Maßstab der Altstadt. Dieser wurde in den fünfziger Jahren mit der Zunahme der verkehrlichen Ansprüche erheblich ausgeweitet. Es entstand ein Missverhältnis im Nebeneinander von Funktion / Nutzung und stadtkultureller Identität. Dies verlieh der Lichtentaler Straße das Erscheinungsbild eines überdimensionierten Parkplatzes vor den Toren der Stadt. Ein historisches Foto zur evangelischen Stadtkirche hin zeigt diese Situation des Gegenübers der breiten Straßenflucht zu dem dichten Baumbestand der Parkanlage. Nicht dass dieser Postkartenansicht keinerlei Charme oder Großzügigkeit innewohne, doch ist die damalige Ausgestaltung eher dem ungetrübten Zeitgeist der aufkommenden Motorisierung geschuldet, als dem Flair der Kurstadt.
Als Reaktion des Pendels in die Gegenrichtung wurde die Neugestaltung der siebziger Jahre mit kleinteiligen Grünflächen und Wasseranlagen entlang der vielbefahrenen Straße vorgenommen. Der Augustaplatz war nun weder eindeutig als Grün-/Parkanlage noch als Platzanlage /Straße zu verstehen und bildete eine Art Barriere zur Lichtentaler Allee. Dennoch ließen die große Fontäne, grün eingebundene Sitznischen, Außengastronomie an der Straße und die Sichtbeziehung in den Park das Flair der Stadt erahnen, die Potentiale des Ortes lagen jedoch brach.
Attraktive, den öffentlichen Raum belebende Nutzungen wie zum Beispiel der Markt sind an den Rand gedrängt, zeitgenössische multifunktionale Platznutzungen sind trotz der relevanten Größe der Anlage nicht möglich. Die Brunnenanlagen sind in die Jahre gekommen und bedürften einer umfangreichen Renovierung. Die Analyse des Bestandes und die Änderung der Rahmenbedingungen legen es nahe, den Platz neu zu konzipieren. Ein aufwendiger Umbau der Tiefgarage unter dem Platz, um zum Beispiel die Zufahrt zu verlegen, scheint jedoch nicht zwingend, da die Investition für eine solche Maßnahme sinnvoller für qualitative Verbesserungen auf dem Platz eingesetzt werden können.


Die hier vorgestellte Neugestaltung des Platzes nutzt die Chance, der Kurstadt ein neues urbanes Zentrum zu geben, sowohl für den vitalen Bedarf des Bürgers wie als einprägsamen Ort für den Kurgast und als Bühne für den Flaneur. Darüberhinaus stärkt das Konzept die visuelle Vernetzung und lenkt die Wegebeziehungen zwischen den ansteigenden Gassen der Altstadt auf der Ostseite des Platzes und der Lichtentaler Allee durch eine präzise Setzung der neuen Elemente.
Angegliedert an die von Alleebäumen überstandene und zur Promenade umgestaltete Lichtentaler Straße öffnet sich der Stadtraum in einen klar gefassten und durch eine neue Markthalle ergänzten, multifunktionalen Platzraum. Es besteht ein Raumkontinuum zwischen der Stadtkante im Osten und dem Landschaftspark im Westen des Platzes, welches angesichts der solitären Setzungen der Markthalle und des Palais Gagarin in der Perspektive des Betrachters erhalten bleibt. Nach Norden hin bildet eine Reminiszenz an den historischen Augustaplatz den Abschluss. Das Palais Gagarin im Übergang zur Parkanlage an der Oos wird durch eine neue „Gartenintarsie“ gefasst, die diesem eine atmosphärische Sonderstellung verleiht und den Freiraum gliedert.
Die Markthalle besteht aus einer leichten, zeitlos eleganten Dachkonstruktion als Baldachin für die unabhängig eingestellten Funktionsboxen, in die alle Vorgaben der Auslobung integriert sind. Sie können flexibel, auch auf zukünftig sich verändernde Nutzungsanforderungen reagieren. Es wird vorgeschlagen, auch den Treppenaufgang aus der Tiefgarage, ergänzt durch einen neuen Aufzug unter dem Markthallendach zu platzieren, und die Kasse dort zu integrieren, um so den Gästen eine bessere Orientierung zu ermöglichen. In Richtung Lichtentaler Straße und hin zur südlich angrenzenden Fläche bietet sich ein sommerliches Eiscafé an. Der Bau der Markthalle mit dem luftigen Dach wirkt licht und transparent und belebt zugleich durch die vielfältigen neuen Angebote jahreszeitlich unabhängig den Platz.
Eine weite, aktiv bespielbare Brunnenschale mit frischem klarem Wasser und großer Fontäne mit Wasserspiel bildet das Zentrum des Freiraumes im Sommer. Im angrenzenden Platzbereich lädt freies Mobiliar zum Verweilen ein. Die Fläche kann für Wochenmärkte und Veranstaltungen flexibel genutzt werden. Im Winter kann das Rondell des Augustabrunnens zur Eislaufbahn umgerüstet werden. Die südlich gelegene evangelische Stadtkirche erhält, einer Piazzetta ähnlich, einen durch Stufen akzentuierten erweiterten Vorplatz.
Der Fahrzeugverkehr wird mit zwei Richtungsfahrspuren über den Platz und die Promenade im Sinne eines moderaten Shared Space Konzeptes geführt. Eine einheitliche Gestaltung des Platzbelages und der Fahrbahndecken, wird vorgeschlagen. Die Bushaltespuren und Haltestellen sind symmetrisch zum Platz angeordnet. Die funktionalen Stellplatzanforderungen der Kongresshalle und des Medienzentrums sind vor den Gebäuden im Belag markiert. Die bestehende Zu- und Abfahrt der Tiefgarage liegt lapidar in der Fläche und wird lediglich durch ein neues transparentes Geländer umfasst. Die Lenkung des Verkehrs erfolgt auch hier über Markierungen im Belagsmaterial.
Die Neugestaltung des Augustaplatzes mit vielfältigen und großzügigen Freiraumangeboten, großer Fontäne, Promenade, neuer Markthalle, Marktplatz und Gartenanlage bietet nun die Chance, Baden- Badener Flair mit der Urbanität einer lebendigen Stadt zu verbinden.

Beurteilung durch das Preisgericht

Durch eine konsequente Rahmung, eindeutige Gliederung und einheitliche Materialsprache schaffen die Verfasser einen ausdrucksstarken Stadtraum. Das Nebeneinander von der durch Grün geprägten Fläche vor dem Gagarinpalais und dem steinernen Platz vor dem Kongresshaus wird als spannungsvoll betrachtet.

Die Verfasser rahmen den Raum nach Norden durch einen chausseeartigen Straßenraum mit vier Spuren, die durch eine Mittelinsel getrennt werden. Dies schafft auf der einen Seite eine interessante Symbiose von Straßen- und Grünraum. Auf der anderen Seite wirkt die Verkehrsfläche überdimensioniert. In der Folge rückt der Platz weit von der historischen Blockrandbebauung ab. Die Vorzone vor dem Gagarin wird als zu knapp beurteilt, zumal durch die Bäume die Sicht auf das platzprägende Gebäude verstellt wird. Es wird außerdem die Gefahr gesehen, dass die massive Baumkante die Blickbeziehung aus der Altstadt auf die Kirche stört.

Positiv wird der Erhalt der Bestandsbäume um das Palais Gagarin bewertet. Die Rahmung des Palais durch eine Toparien-Hecke wirkt gewollt und hat keine Herleitung aus der Geschichte des Ortes. Im Zentrum des Platzes soll eine offene Markthalle mit eingestelltem zweigeschossigen Baukörper entstehen. Die transparente Struktur lässt den Blick in die anschließende Parkanlage zu. Allerdings wird die wichtige Wegeverbindung zur Allee hin nicht konsequent genug nachgezeichnet. Gestalterisch und funktional kann die Markthalle nicht überzeugen. Es wird ein Bezug des Gebäudes zum Ort vermisst.

Zwischen Markthalle und evangelischer Stadtkirche entsteht ein großzügiger Stadtraum, der in seiner Einfachheit überzeugen kann. Die Funktionselemente werden unauffällig in den Platz integriert, leider werden keinerlei Sitzmöbel angeboten.

Das großzügig dimensionierte Wasserbecken setzt ein Merkzeichen im Zentrum des Platzes. Allerdings wird die Andienung des Kongresszentrums durch die Beckeneinfassung und die Beete vor dem Medienhaus eingeschränkt.

Positiv wird die selbstverständliche Einbindung der evangelischen Stadtkirche in das Gesamtensemble bewertet. Durch einen erhabenen Vorplatz erhält die Kirche ein würdiges Entree, ohne dass die Barrierefreiheit darunter leidet.

Die Entscheidung den Platz im Wesentlichen über die angrenzenden Fassaden zu beleuchten erscheint konsequent und unterstreicht die Klarheit des Entwurfes. Die Mastleuchten der Straßenbeleuchtung treten optisch vor der beleuchteten Schaufensterfront zurück. Dem Brunnen bzw. der Markthalle bleibt damit genügend Raum zur Illuminierung.

Insgesamt zeichnet die Arbeit eine konsequente Entwurfshaltung aus, die aber teilweise die notwendige Sensibilität im Umgang mit dem Charakter des Ortes und den funktionalen Notwendigkeiten vermissen lässt.