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Nichtoffener Wettbewerb | 10/2013

Stadtumbaugebiet Auf den Liethen

Ankauf

Preisgeld: 3.333 EUR

Burgmer:Architektur

Architektur

Erläuterungstext

Analyse
Das Gebiet „Auf den Liehten“ ist im Grunde ein hervorragend geeigneter Ort für eine qualitätsvolle Wohnbebauung. Man wundert sich über die negative Situation, da eigentlich viele Faktoren vorhanden sind, die den Standort zum „Sahnestück“ auf dem Immobilienmarkt machen könnten, der überragende Blick ins Tal, die Lage am Südhang, die großen Grünflächen. Sowohl von verschiedenen Standpunkten im Straßenraum/Freibereich, als auch aus einigen Wohnungen hat man einen atemberaubenden Blick. Die Südorientierung des Gebiets bietet zudem optimale Bedingungen für die Besonnung von Gebäuden und Freiflächen. Aufgrund des konzentrierten Geschosswohnungsbaus bleiben darüber hinaus große, zusammenhängende Freiflächen zwischen den Gebäuden erhalten. Die Dimensionen der Freiräume und die Höhe der Bestandsgebäude erlauben eine ausreichende Belichtung des Großteils der Freibereiche.
Allerdings wirkt die vorhandene Bebauung geradezu kontraproduktiv bezüglich der Nutzung dieser Potenziale. Die bis zu 100 m breiten Blöcke versperren für den größten Teil der Wohnungen nahezu vollständig den Ausblick. Außerdem wirken viele Bereiche „unübersichtlich“, abgeschnitten und wenig einladend. Potenzielle Angsträume entstehen.
Aufgrund der großen Breite der U-förmigen Blöcke werden weite Teile der Freiflächen, die unmittelbar nördlich an die Gebäude grenzen, nahezu während des gesamten Tages- und Jahresablaufs verschattet. Diese wie auch die meisten weiteren Freibereiche werden augenscheinlich so gut wie gar nicht von den Bewohnern genutzt bzw. positiv wahrgenommen. Dies liegt in weiten Teilen an der mangelhaften Differenzierung der Freibereiche. Öffentliche, halböffentliche und private Bereiche sind kaum bis gar nicht abzugrenzen. Parkflächen grenzen direkt an wie lieblos irgendwo auf der Wiese abgestellte Kinderspielgeräte, Wäscheleinen stehen in großer Entfernung zu den Gebäuden aber dennoch für alle Hausbewohner sichtbar beinahe auf der Straße. Es wirkt wie eine absurde Einladung, die frisch gewaschene Unterwäsche zum trocknen in den öffentlichen Raum zu hängen. Gleichzeitig ist dieser Raum nur einige Meter von den privaten Loggien der an der gegenüberliegenden Straßenseite befindlichen Gebäude entfernt. Die dort lebenden Bewohner müssen also den Eindruck gewinnen, die Nachbarn parken und trocknen ihre Wäsche auf ihrer Terrasse. Diese städtebauliche Gestaltung mindert also sowohl die Qualität der Freibereiche wie der Wohnungen.

Konzept – Wohnen im Park
Der vorliegende Entwurf zeigt, dass mit sehr einfachen Mitteln die wesentlichen Probleme gelöst werden können. Da sich der Standort „Auf den Liethen“ aufgrund der Entfernung (sowohl bzgl. Distanz als auch Topografie) nicht für Wohnen mit starkem urbanen Charakter eignet, gleichzeitig aber andere starke Potenziale vorhanden sind, wird eine „Wohnen im Park“ Atmosphäre erzeugt. An strategisch klugen Positionen werden die bestehenden Gebäude rückgebaut. Die zu erhaltenden Gebäude sind damit nicht mehr Riegel oder Block sondern Punkthäuser, durch deren Zwischenräume Sonneneinstrahlung ermöglicht wird und ein Großteil der Gebäude Aus- und Durchblicke ins Tal erhält. Alle Gebäude werden konsequent nach Süden ausgerichtet. Die Freibereiche werden reorganisiert und dahingehend umgestaltet, dass eine klare Differenzierung in öffentliche, halböffentliche und private Bereiche erfolgt. Die Freibereiche werden deutlich besser zoniert, so dass Räume mit unterschiedlichen, hochwertigen Qualitäten entstehen. Die Wohnungen erhalten private Gärten bzw. geräumige private Balkone, wobei die Höhenentwicklung des Hangs bzw. die Gestaltung der Balkone dazu führt, dass Ausblicke ermöglicht, gleichzeitig aber Einblicke aus den angrenzenden öffentlichen Bereichen eingeschränkt werden. Die Teilbereiche 1 und 2 bzw. 3, 5 und 6 werden jeweils zusammengefasst und die Heidener Straße als verkehrsberuhigte Spielstraße umgewidmet. Parkplätze werden hier entfernt und hauptsächlich straßenbegleitend außerhalb der neu entstandenen Gebäudeensembles in der Husumer Straße, der Rheda-Wiedenbrücker-Straße sowie der Mescheder Straße angeboten. Die Erschließungssituation der Gebäude ermöglicht dennoch kurze Wege zwischen Fahrzeug und Hauseingang.
Im Teilbereich 3 sowie im neu entstandenen Teilbereich 7 werden punktuelle Neubauten als Fortsetzung der neu entstandenen Typologie vorgeschlagen. Das ehemalige Einkaufzentrum wird nur minimal rückgebaut. Nach Norden, also zum öffentlichen Bereich, wird im Erdgeschoss eine Gewerbe- und Dienstleistungsnutzung (Bäcker, Zeitungskiosk, Friseur), im Obergeschoss eine Nutzung mit Praxen aus dem Gesundheitssektor (z.B. Ärzte, Physiotherapeuten) vorgeschlagen. Für die nach Süden und damit zum halböffentlichen Bereich orientierten Gebäudeteile schlagen wir betreutes Seniorenwohnen vor.

Hochbau
Die thermischen Hüllen der Gebäude werden vollständig saniert. Loggien und Rücksprünge werden dem Innenraum zugeschlagen, so dass eine wärmebrückenfreie, luftdichte Hülle unkompliziert und kostengünstig herzustellen ist. Um eine behindertengerechte Erschließung zu ermöglichen, werden Aufzüge in den bestehenden Treppenhäusern bzw. in den ehemaligen Loggien ergänzt. Die dortigen Decken und Absätze sind den Wettbewerbsunterlagen von den Geschossdecken entkoppelt und damit relativ unkompliziert zu entfernen.
Da auch die konstruktiv wirksamen Wände vollständig in das neue Grundrisslayout integriert werden und nur ggf. neue Durchbrüche geschaffen werden müssen, bleiben die tragenden Bauteile der Gebäude weitgehend unberührt. Die Rohbauöffnungen in der Fassade werden nahezu vollständig erhalten. Im Zuge der Sanierung werden neue Fenster mit dunklen Rahmen eingesetzt. Wo es nötig (Balkone) oder einfach möglich ist (ehemalige Loggien) werden bodentiefe Fenster verwendet. Um ein einheitliches, hochwertiges und positiv konnotiertes Fassadenbild herzustellen, werden die Brüstungen der kleineren Lochfenster im Außenbereich mit Fassadenmaterialien in der Farbe der Fensterrahmen belegt.
Vor den jeweiligen Südfassaden werden den Gebäuden in voller Breite Balkone vorgestellt, die jeder Wohnung einen hochwertigen privaten Außenraum ermöglichen. Außerdem bieten sie im Sommer Schutz vor Überhitzung. Die Balkone können in Leichtbauweise und selbsttragend errichtet werden und sind somit thermisch sehr leicht vom beheizten Gebäudevolumen zu entkoppeln. Die mit Holz oder einem anderen warm wirkenden Material belegten und abgeschrägten Laibungen erzeugen eine hochwertige, wohnliche Anmutung, unterstützen formal die Ausrichtung nach Süden und unterstreichen als architektonisches Motiv die besondere Qualität der Gebäude, die hervorragende Aussicht.
Die vorgeschlagenen Grundrisse zeigen hauptsächlich größere 4-Zimmer-Wohnungen. Nach Möglichkeit haben alle Wohnungen Tageslichtbäder erhalten.

Entwicklungsphasen
In der ersten Phase wird der Block zischen der nördlichen Husumer Straße und der Heidener Straße teilweise rückgebaut bzw. saniert. Dort herrscht zurzeit der größte Leerstand, so dass diese Maßnahmen relativ unproblematisch zu realisieren sind. Der Block zwischen der südlichen Husumer Straße und der Heidener Straße hat darüber hinaus zurzeit günstigere Bedingungen hinsichtlich Verschattung und Ausblick.
In der zweiten Phase wird das ehemalige Einkaufszentrum minimal rückgebaut und umgebaut. Als potenzielle Nutzung schlagen wir in den nach Süden ausgerichteten Geschossen Seniorenwohnen oder betreutes Wohnen vor. Im nördlichen Erdgeschoss können sich Läden und Dienstleistungen (z.B. Bäcker, Friseur, Zeitungskiosk) etablieren, im nördlichen Obergeschoss Praxen aus dem Gesundheitssektor (z.B. Ärzte, Physiotherapie). Während dieser Umbaumaßnahmen wird außerdem der Block nördlich der Rheda-Wiedenbrücker-Straße teilweise rückgebaut bzw. saniert.
In der dritten Phase wird nach und nach der hier dargestellte Zustand hergestellt. Die Blöcke nördlich der Husumer Straße und südlich der Heidener Straße werden ebenfalls teilweise rückgebaut und saniert.
Gegebenenfalls können Neubauten auf dem Parkplatz an der Mescheder Straße sowie südlich des ehemaligen Einkaufszentrums zusätzlichen Wohnraumbedarf decken. Diese Neubauten können problemlos sowohl städte- wie hochbaulich in das Umgestaltungskonzept integriert werden.
Im Erfolgsfall kann das vorgeschlagene Konzept auch auf die als „Filter“ bzw. Erweiterungsflächen ausgewiesenen Bereiche südlich der Dürerstraße und westlich der Straße Am Kuhlsberg erweitert werden.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Idee, die städtebaulichen Großformen schrittweise aufzulösen wird grundsätzlich positiv bewertet. In Verbindung mit den vorgeschlagenen baulichen Ergänzungen entsteht langfristig eine völlig neue in ihrer Körnigkeit dem Ort angemessene Struktur. Negativ in diesem Zusammenhang ist die durchgehende Fünfgeschossigkeit und Gleichförmigkeit der Bebauung anzumerken.

Die neu strukturierenden Freiräume weisen durchaus räumliche Qualitäten auf, lassen jedoch Möglichkeiten der individuellen Aneignung vermissen. Es entsteht ein zu hoher Anteil an „halböffentlichen“ Freiräumen.
Das Konzept für den ruhenden Verkehr erscheint funktional teilweise nicht schlüssig.

Das Wohnungsangebot wird durch Umbau im Bestand qualitativ verbessert. Die Neubauoption ermöglicht eine weitere Differenzierung des Wohnungsmixes.

Die Gestaltungsqualität kann an einzelnen Gebäuden überzeugen; erscheint jedoch für das gesamte Gebiet zu gleichförmig.

Der Umbau der Gebäude erscheint aus wirtschaftlicher Sicht sehr aufwendig. Die Möglichkeiten des Neubaus (Dachgeschosses) werden nicht ausreichend genutzt.