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Nichtoffener Wettbewerb | 10/2013

Neubau Stadtbibliothek

2. Preis

Peter W. Schmidt Architekten

Architektur

Erläuterungstext

Mit dem Entwurf der Stadtbibliothek wird an prominenter Stelle der historischen Altstadt Rottenburg ein städtebauliches Zeichen gesetzt. Dabei wird das Ziel verfolgt, einen weiteren Baustein in die neu strukturierte Umgebung einzupassen, welcher sich respektvoll und dennoch selbstbewusst am Eingang zum mittelalterlichen Stadtkern behaupten kann und seiner zentralen Rolle gerecht wird.
Unter Berücksichtigung der denkmalgeschützten Nachbarbebauung sowie der unregelmäßigen Parzelle wird das Volumen in mehrere Körper gegliedert. Ein zweigeschossiges Volumen lehnt sich an das Nachbargebäude Obere Gasse 1 an und nutzt das Grundstück maximal aus. Dieses bildet die Voraussetzung für die zwei klar geformten Baukörper, welche sich nun geordnet darin einfügen können. Durch Ihre jeweilige Dimensionierung und Ausformung werden sowohl städtebauliche Bezüge hergestellt, als auch organisatorische Zusammenhänge dargestellt.
Die expressiv wirkende Dachform adaptiert auf subtile Weise historische Elemente – im Grunde ein Walmdach mit dreieckigen Gauben – und bewegt sich damit im Spannungsfeld zwischen mittelalterlicher Altstadt und zeitgemäßer Architektur.
Dem Wunsch des Auslobers die bestehende Durchwegung zum „Jesuitenhöfle“ weiterhin zu gewährleisten wird mit einer großzügig gestalteten Treppen- und Terrassenanlage, welche zum Verweilen einlädt, entsprochen.

Über einen Vorplatz, welcher auch den Außenbereich des Cafés aufnimmt, wird die Bibliothek an zentraler Stelle erschlossen. Das Erdgeschoss nimmt das Café mit dem Bereich für Zeitschriften und den Mehrzweckraum mit den jeweiligen Nebenräumen auf. Der Marktplatz mit seinem offenen Charakter dient als Kommunikations-, Informations- und Verteilerzone. Von hier aus werden sowohl die Verwaltungs- und Schulungsräume als auch die Medienbereiche erschlossen.
Die drei Medienbereiche werden geschossweise gestapelt, welches eine klare Zuordnung und somit eine einfache Orientierung im Gebäude ermöglicht. Zudem gewährleistet dies die gewünschte akustische Abgrenzung zu den anderen Bibliotheksbereichen. Neben den gewünschten kommunikationsfördernden Flächen mit Lounge-Charakter und den ruhigen Arbeitszonen wird jeder Medienbereich mit einem besonderen Raumangebot versehen – die Kinder erhalten eine Leselandschaft, die Jugendlichen eine Terrasse und die Erwachsenen eine Lesegalerie.

Nach außen sind die Architektur und der gestalterische Ausdruck von einem zeitlosen, markanten Charakter geprägt. Die präzisen Öffnungen in der Natursteinfassade ermöglichen eine gezielte Belichtung dahinterliegender Bereiche sowie den entsprechenden Ausblick in die Altstadt.
Während das Satteldach mit einer klassischen Biberschwanzdeckung versehen wird, erhalten die Medienbereiche ein Dach aus Profilglas mit einer lichtstreuenden Wärmedämmung. Dies gewährleistet eine gute Raumtiefenausleuchtung sowie einen sehr guten Sonnen- und Blendschutz. Mittels Oberlichter wird das Licht tief ins Gebäude geführt und sorgt so für eine optimale Belichtung.

Die Wirtschaftlichkeit des Entwurfs wird durch die konventionelle Stahlbetonskelettkonstruktion mit einer zweischaligen Fassadenhülle gewährleistet. Durch die Reduzierung der gestalterischen Elemente und den bewussten Einsatz hochwertiger Materialien wird eine nachhaltig qualitätvolle Architektur erzeugt.
Mit den kompakten Gebäudekubaturen wird ein sehr gutes Verhältnis von Gebäudehülle zu Energiebezugsfläche erreicht und somit der Transmissionsverlust reduziert. Die gebäudetechnische und energetische Ausstattung des Neubaus wird zu gegebener Zeit in einem engen Dialog mit den Bauherren bestimmt. Das Gebäude ist so angelegt, dass ein effizienter wirtschaftlicher Standard gewährleistet ist.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die städtebauliche Disposition des Entwurfs stellt einen räumlichen Bezug zwischen den
großen Stadtbausteinen Rottenburgs her. Bischöfliches Palais, bischöfliches Ordinariat und der kronenartige Hochpunkt des Entwurfs bilden ein Ensemble, das die Wertigkeit der
Stadtbibliothek betont und damit eine selbstbewusste und gleichzeitig selbstverständliche
Wirkung erzielt. Die positive stadträumlichen Wirkung wird durch die Reihung der Baukörper noch betont. Das turmartige Gebäudeteil steht tiefer im Stadtgrundriss und entfaltet eine einladende Geste für die Stadtbibliothek und die Stadtmitte um den Dom. Aus der Baukörperfügung mit leicht zurück gesetztem Satteldachkörper und leicht vorgeschobenen Turm entwickelt sich eine selbstverständliche Eingangssituation.

Im Inneren erschließt sich ein logischer und einfacher Grundriss, der im Erdgeschoss den
öffentlichen Funktionen angemessene Räume zuordnet. Die Obergeschosse sind von dem
Gestaltungswillen zweier Gebäude geprägt. Positiv entwickelt sich die architektonische
Eigenständigkeit der Bereiche mit einer einladenden Dachterrasse als Distanzhalter. Dieses wird allerdings durch eine Verlagerung der Flächen zu Gunsten des Schulungsbereichs und zu Lasten des Erwachsenenbereichs erkauft.

Der architektonische Ausdruck wird von einer nahezu klerikalen Strenge geprägt. Ästhetisch gesetzte Fassaden spiegeln die Bedeutung des öffentlichen Bauwerks wieder, lassen allerdings eine einladende Geste vermissen. Die städtebauliche Wirkung des Turms wird durch ein Dachwerk mit spitzformatigen Giebeln und komplexen Geometrien aus Gussglas vorgetragen. Das Preisgericht anerkennt die Notwendigkeit des Besonderen, hat aber im Detail große Zweifel an der Kompabilität zu den umgebenden Baudenkmalen, der baukonstruktiven Machbarkeit, der thermischen Probleme und den Kosten in Investition und Unterhalt.

Davon abgesehen liegt der Entwurf im Mittelfeld der wirtschaftlichen Kenndaten und
erscheint in seiner klaren Grundrissentwicklung gut realisierbar.
Die Nachhaltigkeit des Konzeptes wird ( abgesehen von Dach des Turms ) durch eine
dauerhafte Konstruktion und Materialität positiv beeinflusst. Der hohe Anteil an opaken
Flächen lässt niedrige Energiekosten erwarten, wobei ein ausreichendes Tageslicht
gesichert werden muss.

Insgesamt beeindruckt die Arbeit durch ihren eigenständigen Ansatz, der wichtige
städtebauliche Bezüge aufzeigt und mit gestalterischer Sicherheit vorgetragen wird. Die
Umsetzung des Raumprogramm erfolgt allerdings nachrangig zu den städtebaulichen
Entscheidungen und würde eine schwierige Neuinterpretation erfordern.