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Nichtoffener Wettbewerb | 11/2013

Erweiterung des Wallraf-Richartz-Museums & Fondation Corboud

3. Preis

Preisgeld: 20.000 EUR

gernot schulz : architektur GmbH

Architektur

Erläuterungstext

Leitidee

Das Besondere aus dem Selbstverständlichen
Das Eindeutige aus dem WidersprĂĽchlichen

Ein Museumserweiterungsbau, der in seinen in den Stadtraum wirkenden Obergeschossen ein Büro- und Wohnhaus ist. Ein vom Auslober gewünschter musealer Habitus des Gebäudes und doch die Notwendigkeit von Wohnungs- und Bürohauserschließungen und –belichtungen. Ein Haus „ohne Eingang“ und doch eine wichtige Adresse im neu entstehenden Platz zwischen dem Ungers-Bau und dem neuen Jüdischen Museum.

Die beiden vorgenannten Museumsbaukörper werden in Zukunft – gemeinsam mit dem historischen Rathaus – die Hauptgebäude des umgebenden Stadtraums sein. Die besondere Qualität bezieht der Ort jedoch auch aus dem Zusammenspiel hochqualitativer Stadtbausteine, die jenseits Ihrer – zum Teil in der Geschichte auch gewechselten Funktionen – zu einem hochsensiblen und stabilem Zusammenspiel aus Alt und Neu beitragen. Hier sind neben den „Stadtpalais“ Haus Neuerburg und Haus Farina auch die gelungenen Wiederaufbauarchitekturen des Gürzenichs und der Ergänzungs- und Wiederaufbauten des historischen Rathauses zu nennen. Alle aufgezählten Architekturen beziehen Ihre architektonische Qualität aus einer übergeordneten nicht nutzungsabbildenden, also nicht „narrativen“ Architekturhaltung und einer schlichten Eleganz bei der Wahl des Materials und der Ausbildung des Details. Diesen Leitideen folgt der vorgeschlagene Neubau.


Städtebauliche Setzung

Neben der Aufnahme der Trauf- und Firsthöhen der direkten Nachbarn im Steinweg und in der Martinstraße strebt der vorgeschlagene Neubau die Fortsetzung einer bereits angelegten Raumfolge entlang der West-Ost-Achse Obermarspforten, Marsplatz und Seidenmacherinnengäßchen an.

Die giebelständige Hausreihung mit der Höhenakzentuierung von städtischen Blockecken oder Hauszeilenenden ist ein weiteres Bild der Kölner Altstadt, welches viele wichtige Kölner Platzräume prägt und in vielzähligen Stadtansichten überliefert ist.

Aus diesen traditionellen städtebaulichen Themen ist die Setzung und Höhenentwicklung des Neubaus entwickelt.

Das Besondere entsteht aus dem Selbstverständlichen:
Die Trauf- und Firsthöhen der direkten Nachbarn im Steinweg und in der Martinsgasse werden aufgenommen, ebenso wie das Thema der obergeschossigen Auskragung in der Martinsgasse und die Typologie der Dachform. Die Trennung zwischen Wohn- und Büronutzung markieren Höhenversprünge und Änderungen im Fassadenduktus, sodass die zunächst als städtebauliche Blockschließung angelegte Grundrissfigur sich im Aufriss zu einem selbstbewussten Gestus entlang der oben beschriebenen städtischen Raumfolge entwickelt.
Ein wichtiger „Katalysator“ des Gebäudes ist die Negativecke zum neuen Stadtplatz zwischen Wallraf-Richartz-Museum/Fondation Corboud (WRM) und dem neuen Jüdischen Museum. Diese Negativecke zitiert die verwandte Figur des Haus Neuerburg am Gülichplatz. Beide Negativecken „rahmen“ gemeinsam den ungers´schen Hauptbau und verleihen ihm so die Präsenz im Stadtraum auf die sein Entwurf angelegt ist. Bei der Annäherung an den Ort von Osten – aus der Altstadt kommend – ermöglicht die Raumfolge Marsplatz und Negativecke des Neubaus bereits von Weitem die Orientierung und den Bezug zum Museumsplatz.

Gleichzeitig markiert die Negativecke die Adresse des neuen Gebäudes. Von hier aus werden alle Bereiche des Gebäudes erschlossen. Der vorgeschlagene Hof definiert die „Privatheit“ des Gebäudes gegenüber den Museen und städtischen Verwaltungsgebäuden der Nachbarschaft und verhindert somit auch ein falsches „Lesen“ des Gebäudes verbunden mit einem etwaigen Zugang zur Museumsnutzung im Untergeschoß.


Die Architektur

Die Massen- und Höhenentwicklung des Gebäudes ist auf eine selbstverständliche Einfügung in den Ort und auf ein Erleben der musealen Nutzung hin ausgelegt. Ggf. ist die wirtschaftliche Flächenoptimierung nicht auf´s Letzte ausgereizt, jedoch zeichnet sich das Gebäude durch architektonische Nachhaltigkeit und die Qualität und Wirkung seiner Räume aus.
Der Zugang zum neuen Ausstellungsbereich erfolgt direkt aus dem Foyer des Bestandsbaus. Im ungers´schen Sinne fügt sich dieser Zugang in das Rastersystem ein und wirkt somit auch in diesem Entwurfsbereich selbstverständlich. In den vorhandenen Funktionskubus im Foyer des Bestandsbaus wird auch ein neuer Aufzug zur barrierefreien Erschließung des neuen Ausstellungsbereichs integriert und die Zugänglichkeit zum Mezzaningeschoss überarbeitet. Schon in der Bewegung des Hinabschreitens weitet sich der Raum, so dass keine „Tunnelwirkung“ der Verbindung entsteht. Blickverbindungen in den Stadtraum und in den UG-Ausstellungsraum des Bestandsbaus werden ermöglicht.
Ein Raum, der bereits als Einführungsraum in die Wechselausstellung bespielt werden kann empfängt den Nutzer im Untergeschoss. Von hier wird auch der neue Garderoben/WC-Bereich des Museums erschlossen. Während Umbauzeiten der Wechselausstellung kann der Einblick in den Ausstellungsbereich durch eine sonst versteckte Schiebetür geschlossen werden.

Der Wechselausstellungsbereich ist in gut nutzbarer Geometrie, eingeschossig und mit großzügiger Raumhöhe von 6,50m ausgelegt. Die Raumhöhe ermöglicht einen visuellen Dialog mit dem Stadtraum, der je nach Ausstellungsbedürfnissen über in die Fensterrahmen integrierte Screens zugelassen, diffus gestaltet oder verhindert werden kann. Ggf. können selbst Umbauzeiten der Ausstellung als für die Öffentlichkeit transparente Arbeiten inszeniert werden.

Von der Straße Marsplatz aus ermöglicht die Raumsequenz aus Foyer und Mehrzweckraum im OG einen weiteren visuellen Dialog zwischen Stadtraum und dem Innenhof des Neubaus. Hier schlagen wir die Nutzung durch die Museumspädagogik des WRM vor, so dass der Flächenverlust durch die neue Treppe im Foyer des Bestandsbaus kompensiert und gleichzeitig eine museale Nutzung des Hauses sichtbar wird. Der Raum im Obergeschoss ist multifunktional ausgelegt und kann sowohl durch die Museumspädagogik als auch für Veranstaltungen der Hausmieter genutzt werden. Die Inszenierung des Treppenaufgangs im Entrée spiegelt wieder, dass hier alle Bereiche des Neubaus bis hin zu den Wohneinheiten im Süden erschlossen werden. Das gesamte Haus erhält somit eine eindeutige Adresse. Bei gleichzeitiger Nutzung des EGs und des OGs durch die Museumspädagogik erfährt dieser Bereich temporär eine zusätzliche Belebung. Die Aktionen im erdgeschossigen Raum der Museumspädagogik wirken durch die Glasfronten auf den Marsplatz und ermöglichen auch hier erneut einen visuellen Dialog der musealen Hausnutzung mit dem Stadtraum.
Über den Innenhof und die hier beginnenden Treppenhäuser werden alle weiteren Nutzungen erschlossen. Das aus dem UG durchgeführte Treppenhaus im Steinweg ist als 2. Rettungsweg aus dem Innenhof und aufgrund des durchgeführten Lastenaufzugs zur Nutzung bei Umzügen der Büro-/Wohnungsmieter gedacht, um so auch Störungen und Abhängigkeiten mit dem Museumsbetrieb zu minimieren und kontrollierbar zu gestalten.
Im nördlichen Gebäudeteil befinden sich repräsentative Büroeinheiten, nach Süden hin ermöglichen kleine Stadthäuser innerstädtisches Wohnen mit eigenen kleinen Terrassengärten. Die Restaurantterrasse des Bestands fügt sich selbstverständlich ein und erfährt sogar eine Höherqualifizierung und ggf. sogar stärkere Frequentierung.
Den Bürofassaden ist eine Schicht vertikaler Lisenen vorgelagert, welche eine museumstypische abstrakte Wahrnehmung des Gebäudes ermöglicht und die Wirkung des Gebäudes unabhängig von der „Bespielung“ der Fenster durch seine Nutzer macht.


Barrierefreiheit

Alle Bereiche des Neubaus sind barrierefrei geplant. Die Gestaltung der Museumsbereiche verfolgt das Ziel eines erweiterten Begriffs der Barrierefreiheit unter Beachtung der Prinzipien kontrastbetonter Flächenübergänge und dem Einsatz taktiler Informations- und Leitsysteme.


Das Material

Das gewählte Material für den Neubau – hell ockerfarbener Wasserstrichklinker – vermittelt zwischen den Farben und Materialien der wichtigen Nachbargebäude. Rathaus, Gürzenich, Haus Farina und Museen der Umgebung sind aus hell ockerfarbenem Naturstein, das Haus Neuerburg und die untergeordneten Wiederaufbauarchitekturen (Erweiterungsbau Rathaus und rückseitiger Funktionsbau Gürzenich) bestehen aus rotem Klinker. Zwischen Farbe und Material vermittelt das Gewählte ohne nicht auch einen eigenen Gestus und somit Wiedererkennbarkeit aus dieser neuen Material-/Farbkombination zu entwickeln. Die Mauerwerksfuge in Steinfarbe ist frisch in frisch gearbeitet und mit klassischem Fugenglattstrich ausgeführt. Die vertikalen Lisenen und Stürze der Fassaden sind als Klinker-/Betonfertigteile projektiert. Auf diese Weise verbinden sich traditionelle und moderne Bautechniken zu einem Ganzen und definieren so auch im Detail eine eigene neue und doch vertraute Architektursprache.
Das vorpatinierte metallene Material der Dachhaut wird auch das Material der Fensterrahmen und der BrĂĽstungspaneele der BĂĽrofassaden sein.


Umgang mit dem Bestand

Es wurde auf allen Ebenen auf einen sensiblen Umgang mit dem Bestand geachtet:
Aufnahme von Dachform, Trauf- und Firsthöhen der Nachbarn.
Ableitung von Materialien des Neubaus aus dem Bestand.
Entwickeln eines statischen Konzepts zur maximalen Schonung der Bodenarchäologie und der Nutzung der KI-Schächte zur Lastableitung, sowie Lastaussparung des U-Bahnbereichs.
Das statische Konzept ermöglicht die Trennung von Lastableitung des Gebäudes und Lastableitung der Bodenplatte, so dass auch noch nicht erforschte bauarchäologische Schichten in Minimum aus statischen Pressungen erfahren.
Einfügen der Umbaumaßnahmen innerhalb des Bestands in das Ungers´sche Rastersystem und minimale Veränderung der Foyersituation.


Ă–konomie und Ă–kologie

Alle Grundrissbereiche sind unter dem Aspekt der guten nachhaltigen Nutzbarkeit entworfen. Eine intelligente und den gegebenen Umständen der Bodenbefunde angemessene Konstruktion optimiert darüber hinaus die Nutzung des Grundstücks. Die im Boden befindlichen KI-Schächte werden dabei statisch und ggf. sogar energetisch (vgl. Baubeschreibung) genutzt. Die sowieso für das Überspannen der Ausstellungsfläche erforderliche Rippendeckensystem ermöglicht gleichzeitig die Auskragung der Gebäudes in der Martinstraße. Die zentralen Lasten des weiteren Gebäudeaufbaus werden über drei Stützen im Ausstellungsbereich direkt abgleitet, so dass die Konstruktion ohne besondere Lastspitzen auskommt.
Die dem Ort und der Repräsentanz des Gebäudes angemessenen Geschosshöhen der Bürobereiche, sowie deren Variabilität als Zellen-/Großraum oder Kombitypus ermöglichen eine erfolgreiche Vermarktung. Die Qualität der Wohnflächen als „Haus in der Stadt“ ermöglicht auch Familien innerstädtisches Wohnen.

Die Gebäudehülle ist auf eine nachhaltige Bewirtschaftung des Gebäudes ausgelegt. Die Klinkerflächen sind nahezu pflegefrei, die – bis auf den Innenhof – geneigten Dachflächen ermöglichen eine sichere Dachentwässerung.

Alle Bautechniken und Materialien sind erprobt, auf Experimentelles wird verzichtet.

Für das Einhalten der ENEV wird eine Gebäudehülle mit minimierten Transmissionswärmeverlusten angestrebt. Unter diesem Aspekt sind auch die Brüstungen der Bürobereiche gedämmt ausgeführt. Darüber hinaus werden alle Büro- und Wohnräume kontrolliert belüftet. Dies wird mit wartungsarmen dezentralen Geräten gewährleistet. Hier steht lediglich ein regelmäßiger Filterwechsel jedoch nicht das Reinigen der Leitungen wie bei zentralen Anlagen an. Zu Reinigungszwecken der Fenster und zur Erhöhung der individuellen Behaglichkeit werden dennoch Öffnungselemente in den Glasfassaden vorgesehen.

Bei den eingesetzten Materialien wird wo immer möglich auf mineralischen Ursprung und Recycelfähigkeit geachtet. Das Verwenden regionaler Baustoffe sowie deren gesundheitliche Unbedenklichkeit sind selbstverständlich.

Die Möglichkeit des Nutzens erneuerbarer Energien für den Betrieb des Gebäudes soll durch ein System aus Wärmepumpe oder BHKW und der Nutzung der vorhandenen KI-Schächte als Eisspeicher geprüft werden, da sowohl das Nutzen von Solar-Elementen auf den Dächern aus stadtbildlichen-/Denkmalschutzargumenten als auch geothermische Nutzungen aufgrund der 100%-igen Grundstücksbebauung und der vorhandenen Bodenstörungen (KI-Schächte/Bodenarchäologie) als nicht darstellbar oder uneffizient erscheinen.