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Nichtoffener Wettbewerb | 11/2013

Kaserne an der Landwehrstraße

2. Preis

ASTOC ARCHITECTS AND PLANNERS GmbH

Architektur, Stadtplanung / Städtebau

Die Planergruppe

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Leitidee des Entwurfs ist die Schaffung eines zentralen Bürgerparks in dem Bereich des ehemaligen Kasernenareals, der den größten Bestand an wertvollen Bäumen und Freiraumelementen aufweist. Dicht vernetzt mit den vorhandenen Siedlungsräumen wird der Park zum Identifikations- und Aufenthaltsort von Atter und Eversburg entwickelt. Durch die gute Vernetzung wird der Bürgerpark gleichzeitig zum Trittstein in der Kette der Grünräume des Stadtteils.

Erschließung und öffentlicher Raum
Das Erschließungssystem ist hierarchisch abgestuft. Die Haupterschließung wird einerseits von dem neuen Kreisverkehr kommend zwischen den bestehenden Bäumen quasi „durchgefädelt“ ohne den wertvollen Baumbestand stärker zu gefährden. Andererseits wird sie im Norden zwischen den beiden bestehenden Gebäude-Zeilen durchgeleitet um dann erst kurz vor dem Bahnübergang wieder auf die alte Trasse geführt zu werden. Hierdurch kann die heutige Landwehrstraße in Gänze verkehrsberuhigt werden. So entsteht sowohl im Norden als auch im Süden eine baulich gefasste Entreesituation, die aber gleichzeitig die großzügige Bürgerpark- Adresse erlebbar macht. Mit der freien aber auf die Baumstandorte rücksichtnehmenden Straßenführung wird die axiale und strenge militärische Ordnung der heutigen räumlichen Situation aufgehoben. Lediglich die eindrucksvolle Ost- West- Achse bleibt als befestigte Fuß- und Radweg- Allee erhalten.

Von der Haupterschließung wird ein „Parkway“ als Ringerschließung um die grüne Mitte geführt. Von hier zweigen die Wohnanliegerstraßen ab, die verkehrsberuhigt als Mischprofil ausgebildet sind und platzartige Aufweitungen an den Kreuzungen, sowie gliedernde Versätze in der Straßenführung erhalten. Auch der Straßenbelag signalisiert den Wohncharakter der Straßenräume: Glatte, bespielbare Asphaltflächen werden wie Teppiche in den rauhen, bremsenden Kleinpflasterbelag eingelegt. Diese Maßnahmen tragen zur Reduzierung der Geschwindigkeit bei, zugunsten von querenden Fußgängern und Radfahrern. Die „grüne“ Gestaltung der Wohnerschließung soll zusätzlich die Aneignung des öffentlichen Raums fördern. Die Straße in der Siedlung dient nur z.T. dem Auto, in gleichem Maße wird sie genutzt von Fußgängern, Skatern und Radfahrern. Begleitende Hecken und Baumsetzungen konturieren den Straßenraum. Öffentliche Stellplätze sind in den Straßenraum integriert. Die Grundstücke sind so organisiert, dass jede Hausadresse unmittelbar an einer verkehrsberuhigten Anliegerstraße liegt.

Bürgerpark und Grünvernetzung
Der Bürger-Park Atter ist ortsbildprägend und ein Raum für Sport, Spiel, Feste und Spaziergänge. Der neue „Loop“, ergänzt durch das weitere Wegenetz, verbindet die verschiedenen Funktionen im Park und bietet gleichzeitig eine gefahrlose Rad- und Fußwegeverbindung für nicht motorisierte Menschen. Der Bürger-Park inszeniert den großartigen Baumbestand in seiner unterschiedlichen Baumdichte, so dass diverse Raumqualitäten erlebt werden können. Die offenen Parkflächen im Westen bieten sich als Spielwiese, aber auch als Fest- Wiese z. B. für Zirkus oder Stadtteilfest an.

Spiel- und Aufenthaltsorte und Fitness-Stationen auf dem Loop und auch die Wasserfläche am Boardinghaus bieten attraktive Angebote für alle Anrainer auch aus der Umgebung. Der Bürgerpark liegt in der Mitte des neuen Wohngebiets und ist auf vielfältige Weise mit den umgebenden Wohngebieten über Fuß- und Radwege vernetzt. Eine Kette von kleinen Grünräumen, die mit wohnungsnahen Spielangeboten ausgestattet sind, verbindet den Park mit den süd-westlich angrenzenden Wohngebieten und letztendlich mit dem Leyer Holz. Durch den süd-östlichen Parkbereich wird das Heger Holz mit Rubenbruchsee angebunden. Schräg gegenüber der ehemaligen Einfahrt könnten mit einer neuen Durchwegung auch die östlichen Grünzüge mit dem Park verknüpft werden.

Nach Norden wird eine Unterführung der Bahnlinie in Verlängerung der Straße „Am Sportplatz“ vorgeschlagen, was aufgrund des höher liegenden Bahndamms ohne größere Abgrabungen möglich ist. Die alltäglichen Wege z.B. zur Regenbogenschule oder zum Einkaufen „in NRW“ sind damit abwechslungsreich und unabhängig vom Straßennetz möglich. Der Bürgerpark ist als extensiver Wiesenpark vorgesehen, der ein- bis zweimal im Jahr gemäht wird. Wie das Beispiel Bürgerpark in Bremen zeigt, kann die Unterhaltung des Parks von der bürgerlichen Gemeinschaft Atters organisiert werden. So kann in Abstimmung mit den BürgerInnen unterschiedliche Pflegekonzepte entwickelt werden. Das Unterhaltungskonzept soll zum einen die Identität der BürgerInnen mit dem Park stärken, zum anderen für den Freiraum eine langfristige Qualität sichern, die Akzeptanz des Parks steigern und schließlich den Pflegeaufwand bzw. die Unterhaltungskosten minimieren.

Die Solitäre im Park
Entsprechend der oben genannten Nutzungsüberlegungen sind Solitärgebäude in den Park integriert, die von gemeinschaftlichem Interesse sind und für die eine Lage im Park von besonderem Interesse ist. Das ehemalige Casino mit Wohnriegel wird als Jugendherberge mit Fahrradstützpunkt vorgeschlagen, da von hier optimale Wegeverbindungen in alle Himmelsrichtungen bestehen und ein Anschluss an das überregionale Fahrradwegenetz sich anbietet. Der Hof bietet sich als Biergarten an. Im ehem. Casino werden Cafeteria bzw. eine Radfahrstation untergebracht. Das Wohngebäude wird mit Herbergszimmern ausgestattet. Der Kindergarten ist zentral gelegen und auch aus umliegenden Wohngebieten gut erreichbar. Der innenliegende Hof dient als geschützte Freifläche ohne Zaun. Der äußere, Hecken- gefasste Raum kann als Experimentiergarten genutzt werden. Das Freizeitangebot im Bürgerpark kann von den Kindergartengruppen gefahrlos, ohne Straßen zu kreuzen, genutzt werden. Das Ensemble an der ehemaligen Kasernenpforte wird als Ort der Erinnerung und der Begegnung in den Park integriert. Der neue Pavillon setzt das Zukunftssignal an dieser „Brücke“ zwischen alt und neu.

Abschnittsweise Realisierung
In der ersten Entwicklungsstufe werden die Baufelder im südlichen Plangebiet entwickelt, die auch ohne Kreisverkehr von der Landwehrstraße erschlossen werden können. Der Bürgerpark mit seinem „Loop“-Rundweg sollte möglichst früh als eigenständiges, identitätsstiftendes Element und in einem Zug entwickelt werden, um frühzeitig die Aufenthaltsqualität des Areals auch für die umliegenden Bewohner von Atter erlebbar zu machen.

Energieeinsparung und Nachhaltigkeit
Es sollte für den „Energiepart“ von Anfang an ein Projektmanagement mit einer intensiven und qualifizierten Beratung der Neubürger sowie siedlungsbezogenen Umwelt-Wettbewerben angeboten werden. Die baulichen Voraussetzungen für eine effiziente Infrastruktur sind auch auf Grund der zentralen Lage der Ring-Erschließung gegeben. So wäre beispielsweise die Errichtung eines Blockheizkraftwerkes auf dem Gelände des Polizeistandorts für die gesamte Siedlung möglich.

Bei der Dachform der Neubauten sind die Aspekte Regenrückhaltung und Solarkollektoren zu berücksichtigen. Wir halten daher eine konsequente Flachdachregel mit Begrünung für sinnvoll. Die Dachbegrünung unterstützt die Regenrückhaltung und die Entwicklungen im Solarkollektorbereich lassen den Einsatz horizontaler Paneele als Dachbekleidung zu. Die Dachflächenwässer sollten in erster Linie in unterirdischen Zisternen zur Brauchwassernutzung gesammelt werden. Dies ist auf Grund der Größe der Grundstücke unproblematisch. Überschüssiges Niederschlagswasser
wird ebenfalls auf den Privatgrundstücken über unterirdische Rigolen dem
Grundwasser zugeführt. Die Strassenwässer werden über unterirdische Staukanäle verzögert in den Kanal abgeleitet. Vorgesehen sind weitere Angebote zur Stärkung des ökologischen Profils der neuen Siedlung: als Alternative zum umweltbelastenden PKW wird quartierbezogenes carsharing, eine e-tankstelle, e-mobil-verleih-Station z.B. im Bereich des Einzelhandels vorgeschlagen. Bushaltestellen quasi vor der Haustür bieten weitere Möglichkeiten auf das eigene Auto zu verzichten. Diese Angebote sind im engen Dialog mit der Bürgerschaft und den Akteuren vor Ort zu diskutieren und zu verorten.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Entwurf basiert auf einer großen grünen Mitte, welche die Verfasser als Bürgerpark Atter deklarieren. Diese großzügige Öffnung zu den umliegenden Quartieren und zur beruhigten Landwehrstraße befreit das ehemalige Kasernengelände aus der ursprünglichen und funktionellen Isolation. Auf fast selbstverständliche Art wird hier ein Freiraum als Projektionsfläche für die jetzige Nachbarschaft und zukünftig neue Bürgerschaft vorgeschlagen. Diesem zugrunde liegt allerdings ein aktives Betreiberkonzept, das sich aus Interessierten, vor Ort ansässigen Bürgern zusammensetzen soll. Das örtliche Funktionieren dieser Konstellation wird aber in Frage gestellt.

Die städtebauliche Anbindung des Plangebietes mit den westlichen angrenzenden Wohnquartieren wird durch gut artikulierte Freiräume erreicht. Einer positiven Wertung der Solitäre im Park steht eine funktional fragwürdige Nutzung, sprich Jugendherberge, entgegen. Die städtebaulichen Übergänge im Süden und Westen in Form von Einfamilienhäusern stellen einen harmonischen Übergang mit der Umgebung dar. Ebenso stellt sich die ökonomische Entwicklung einer solchen Lösung schwierig dar.

Die hohe Geschossigkeit der an die „Pocket Parks“ angrenzenden Bebauung wird kritisch gesehen. Auch die Erschließung der Gewerbeflächen im Norden kann nicht überzeugen.

Der Entwurf verfolgt ein mutiges, konsequentes und dem Ort angemessenes Konzept. Ein Antrag für den Ausschluss wird gestellt.