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Nichtoffener Wettbewerb | 11/2013

Erweiterungsneubau des Kreissitzes für den Landkreis Nordwestmecklenburg

Perspektive Rostocker Straße

Perspektive Rostocker Straße

Anerkennung

Preisgeld: 3.500 EUR

ANGELIS & PARTNER Architekten mbB

Architektur

Erläuterungstext

Erweiterung des Kreissitzes in Wismar

Städtebauliches Grundkonzept

Die Erweiterung des bestehenden Ensembles an der Rostocker Straße zu einem modernen Behördenzentrum bietet die Chance, am Rande der Altstadt von Wismar über eine Nachverdichtung ein Stück Stadtreparatur zu betreiben und in diesem Zuge neue räumliche Qualitäten zu entwickeln. Das Grundstück, das sich nach Süden zum Mühlenbach öffnet und im Norden auf den Lindengarten blickt, befindet sich an der Schnittstelle zwischen dichter historischer Altstadt und den weniger räumlich gefassten städtischen Erweiterungsflächen.
Im Zuge des Herausarbeitens und der Neuprägung von städtischer Identität, ist es ein zentrales Anliegen des Entwurfes, die historische Substanz möglichst vollständig zu integrieren und die Erweiterung zu nutzen, um die heute noch unvollständige städtebauliche Situation zu einem stimmigen Gesamtensemble im Stadtgefüge von Wismar zu vervollständigen und damit einen Impuls für die weitere Entwicklung des Umfeldes zu setzen.
Die im Bezug zum Grundstück erhebliche Masse der Erweiterung legt sich entlang des Mühlenbachs im südlichen Teil des Grundstücks als verbindendes Element um die denkmalgeschützten Bestandsgebäude. Das Ensemble aus Hauptgebäude und Kutscherhaus bleibt erhalten und prägt weiterhin das Gesicht des Komplexes zur Rostocker Straße-
Der Neubau bildet von der Straße aus gesehen einen zurückhaltenden Bogen an der Südseite um die Altbauteile herum und fasst die verschiedenen Bauteile – Haupthaus und Kutscherhaus - zusammen. Die Figur wird auf der Westseite durch eine doppelte Baumreihe, die bis zur Straße reicht, komplettiert, so dass das Hauptgebäude mit seiner aus der Straßenflucht herausgedrehten Ausrichtung neu inszeniert wird.
Der Neubau bindet zurückhaltend und behutsam ergänzend an die verschiedenen Bauteile des Bestandes an und schreibt die bestehende Struktur fort. Dennoch entwickelt der Entwurf bewusst eine eigene Sprache und präsentiert sich als durchgehende Figur eigenständig und setzt sich gleichzeitig selbstbewusst und respektvoll vom Bestand ab.
In dem Zusammenspiel der Altbaukörper mit der Erweiterungsspange entwickeln sich vielfältige Hofsituationen und räumliche Qualitäten. Im Norden entsteht ein neuer natürlicher Haupteingang im Neubautrakt zwischen Hauptgebäude und Kutscherhaus. Hier werden die bestehenden Baukörper und deren städtebauliche Stellung über die neue funktionale Belegung in Szene gesetzt und verleihen dem Zwischenraum eine neue Bedeutung.
Nach Süden wird die Spange des Neubaus durch einen sich zum Mühlenbach öffnenden Garten mit der dort stehenden Hängebuche unterbrochen. Dieser „Amtsgarten“ greift in seinen Raumkanten die bestehenden Fluchten der Seitenflügel auf. Zwischen dem östlichen Seitenflügel und der Neubauspange entsteht davon abgehend ein auch durch einen kleinen Niveauversprung räumlich gefasster und architektonisch geprägter Innenhof, der den Mitarbeitern des Zentrums als Ort der Ruhe zur Verfügung steht.
Der südöstliche Gebäudeteil, in dem auch die Büros der Landrätin untergebracht sind, schafft über seine von der restlichen Spange abweichende Höhe einen Abschluss der Figur, die von der Straße aus als eigener Akzent wahrnehmbar ist, ohne dabei dem Altbau Konkurrenz zu machen. Im Zusammenspiel mit der doppelten Baumreihe, die bis zur Rostocker Straße aufschließt, entsteht auch hier eine starke räumliche Situation mit einem eigenen Hof und separaten Eingängen zu diesem Gebäudeteil.
Die Figur mit ihren vielfältigen und individuell gestalteten Höfen schafft ein intensives Wechselspiel von alt und neu und betont den Bezug zum Grün entlang des Mühlenbachs.
Der Neubau ist als wirtschaftlicher Zweibund gestaltet. Der neue Eingangsbereich an der Schnittstelle zwischen Kutscherhaus und Hauptgebäude ist über eine Rampe barrierefrei erschlossen und bietet Raum für eine kompakte und dennoch angenehme und großzügige Foyerzone, an der direkt das Bürgerbüro und die Poststelle untergebracht sind. Von hier aus sind die publikumsintensiven Bereiche auf kurzem Weg erreichbar. Trotz der flächeneffizienten Gestaltung der Grundrisse öffnen sich die Flure in die verschiedenen Höfe und ins
Grün. Der Neubau reagiert auf die unterschiedlichen Höhen des Bestandes und bindet jeweils niveaugleich und barrierefrei an.
Das Büro der Landrätin ist im westlichen Gebäudetrakt untergebracht, der ebenfalls mit dem Bestandsbau verbunden ist. Neben der internen Anbindung an das restliche Ensemble, entsteht hier ein eigener Eingang mit übersichtlicher Erschließung. Der Endpunkt der Figur ist dreigeschossig gestaltet, so dass hier auf der ansonsten zweigeschossigen Figur ein Abschluss bzw. Kopf mit repräsentativen Räumen im 2. OG entsteht, die die angrenzende Dachfläche auf Wunsch auch als Dachterrasse nutzen können.
Die Anschlüsse der Neubauspange an die Bestandsbauten sind alle als klassische Fugen zurückhaltend und denkmalgerecht ausformuliert, so dass die Kubatur der Denkmäler ablesbar bleibt.
Der Neubau setzt sich klar vom Bestand ab spricht eine eigene architektonische Sprache. Sein Gestaltungsprinzip geht direkt auf seine Lage am Mühlenbach und die Öffnung zum Grün ein. Der Neubau ist als liegendes nach Süden transparentes Band geplant. Die leichte Fassade mit einem flexiblen Wechsel von geschlossenen Paneelfeldern mit Holzverkleidung und raumhohen Fensterelementen wird von einem tiefen Rahmen eingefasst, der als auskragendes Element in den Verlängerungen der Geschossdecken einer natürlichen Verschattung der Fassade dient und den Körper räumlich definiert. Neben dem passiven Sonnenschutz der Auskragungen, sind außen bündig Streckmetallelemente als feststehender Sonnenschutz angebracht und werden von senkrechten Markisen variabel ergänzt. Es entsteht ein ca. 80 cm tiefer Fassadenzwischenraum von der Außenkante des Baukörpers zur inneren Fassade, der wie ein Klimapuffer wirkt, weil er eine optimale Verschattung der Fassade gewährleistet, während der Zwischenraum großzügig natürlich belüftet ist.
Die Fassade kombiniert statische passive Prinzipien mit einer gesteuerten flexiblen Verschattung. So kann die Fassade auf die unterschiedlichen Anforderungen der Jahreszeiten reagieren. Im Winter lässt der hohe Fensteranteil die tiefstehende Sonne maximal in das Gebäude herein scheinen, was zusammen mit den sturzfreien großformatigen Fenstern für eine gute natürliche Belichtung und einen hohen Energiegewinn sorgt. Im Sommer sorgen die tiefen Dachauskragungen in der Mittagszeit für eine gute Grundverschattung, ohne dass die Belichtung stark beeinträchtigt wird. In den Morgen- und Abendstunden kann der Wärmeeintrag durch die tiefstehende Sonne dann über die gesteuerte Verschattung minimiert werden.

Beurteilung durch das Preisgericht

Das städtebauliche Konzept geht vom Erhalt des Kutscherhauses aus und greift die vorhandene Straßenflucht auf. Positiv gewertet wird die weitere Dominanz des denkmalgeschützten Haupthauses. Das vorgeschlagene Nutzungskonzept mit der Zweiteilung des Neubaus ist hinsichtlich der Funktionalität sowie der inneren Verwaltungsabläufe nicht optimal. Der Haupteingangsbereich zwischen Kutscherhaus und Haupthaus ist optimal platziert, aber insgesamt 3 Haupteingänge und zwei Nebeneingänge erschweren eine optimale Gesamtnutzung und zerstören damit die Freifläche vor dem Hauptgebäude. Nach den vorgelegten Berechnungen wird das Raumsoll geringfügig unterschritten, dieses lässt sich nach Meinung der Jury jedoch heilen. Der Erweiterungsneubau ist überwiegend zweigeschossig und nimmt sich in seiner Baumassenausformung wohltuend hinter das Denkmalensemble zurück. Das dritte Teilgeschoss im Westflügel wird negativ gesehen.
Gleichermaßen problematisch erscheint die vorgeschlagene Lösung zur Anbindung an das Kutscherhaus. Diese Lösung ist noch zu optimieren. Problematisch erscheinen auch die massiven Überdeckungen der Rückfront des denkmalgeschützten Haupthauses durch die zwei Neubaukörper.
Der Erhalt der Hängebuche erscheint im Rahmen der vorgeschlagenen Lösung sehr fragwürdig.
Insgesamt wird die parkähnliche Situation durch die neue Überbauung zerstört. Der Entwurf liegt wirtschaftlich im Durchschnitt, wobei die Kosten für die Sanierung des Kutscherhauses zu gering erscheinen. Aussagen zur energetischen Bauweise sind getroffen, können aber vom Preisgericht auf Grund der Allgemeinheit dieser Aussagen nicht differenziert gewertet werden.
Perspektive Mühlenbach

Perspektive Mühlenbach

Lageplan

Lageplan

Grundriss EG

Grundriss EG

Schnitte und Ansicht

Schnitte und Ansicht