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Einladungswettbewerb | 12/2013

"Forum am Deutzer Dom" - Neues Pfarrzentrum an St. Heribert

Engere Wahl

msah : m. schneider a. hillebrandt architektur

Architektur

IFS - Beratende Ingenieure für Bauwesen Prof. Feyerabend Schüller Partnerschaft

Tragwerksplanung

WINTER Beratende Ingenieure für Gebäudetechnik

TGA-Fachplanung

Kim Leiermann Brandschutzkonzepte

Brandschutzplanung

Erläuterungstext

Konzept in Stichworten

Offenes Atelier der Gemeinde
Klarheit und Transparenz
Einfachheit und Zurückhaltung
Einladung und Offenheit
Statement des nachhaltigen Bauens


Ort
Der neue Baukörper nimmt zur Strassen- und Gartenseite die Baufluchten der im Westen angrenzenden Bebauung auf und hält einen Abstand von fünf Metern zum Kirchbaukörper.
Die minimierte Grundfläche führt die Bauflucht der Deutzer Strasse sinnfällig fort. Im Gartenbereich unterstützt sie die uneingeschränkte Wirkung des Domes und stellt eine klare Außenraumgeometrie her, die zur Nachbarbebauung „Restflächen“ vermeidet.
Die Einbettung der Kubatur formuliert selbstverständlich einen eindeutigen Kirchvorplatz.
Der zweigeschossige, markante Rücksprung vermittelt zur Kirchenbauflucht und eröffnet eine einladende Eingangsgeste.
Das Erdgeschossniveau des Neubaus ist das gleiche wie das des Kirchenraumes, sodass ein barrierefreier Zugang und Übergang zwischen beiden gewährleistet ist.
Der Neubau ist dreigeschossig entwickelt, um einen selbstbewussten Abschluss des Blockrandes zu formulieren. In seinen Geschosshöhen und Fassaden werden die markanten Gesimshöhen des Kirchenbaus abgebildet.


Erscheinung
Das neue Forum am Deutzer Dom präsentiert sich in einer eigenständigen und klaren Architektursprache. Es ist als Pendant zum massiven, steinernen Dom gedacht und bildet somit den Wandel der Institution Kirche im Laufe der Zeiten ab. Seine Leichtigkeit und Transparenz vermitteln den Eindruck eines offenen Gemeindeateliers. Es läd ein teilzunehmen an seinem Geschehen und seinen Aktivitäten. Die Gemeinde wird lesbar für den Passanten, hier präsentieren sich niedrigschwellig das Forum mit Frontoffice, die Bücherei und der Jugendclub zum öffentlichen Raum. Das transparente Haus verwebt sich mit dem rückwärtigen Garten, ermöglicht Ein- und Durchblicke in die Natur des stillen Kirchgartens.
Mit seiner Zurückhaltung und Bescheidenheit stellt der Neubau den Menschen in seinen Wirkungsmittelpunkt.


Raum und Funktion
Im Erdgeschoss befinden sich die wichtigsten öffentlichen Flächen: Foyer, Forum mit zuschaltbarem Frontoffice und der teilbare Saal mit großer Terrasse zum Garten.
Die Küche wirkt wie ein eingestelltes Möbel und ist mit ihren Faltläden öffenbar zu Foyer und Saal gleichermaßen; sie wird von außen beliefert.
Das dreigeschossige Foyer vermittelt durch seinen hohen, großzügigen Luftraum zu den oberen Etagen und sorgt so für vielseitige Blickbeziehungen.
In den Obergeschossen setzt sich die Transparenz im Inneren fort: Die Flächen sind weitestgehend durch gläserne Wände von einander getrennt. Diese Systemwände ermöglichen eine zukunftsfähige Flexibilität in der Nutzung, da sie mit geringem Aufwand an neue Raumanforderungen anzupassen sind. Transluzente Stoffvorhänge oder verstellbare Lamellen im Glaszwischenraum ermöglichen die eventuell gewünschte Intimität der Räumlichkeiten und die notwendige Lichtstreuung für Bildschirmarbeit.
Hier lassen sich zwei Gruppenräume zu einem größeren zusammenfassen und dieser hat zusammen mit dem Jugendclub einen Zugang zu einem innenliegenden Patio.
Der Patio trägt das mittägliche Sonnenlicht über sechs Monate durch die Räume bis auf den Gehweg an der Deutzer Freiheit und inszeniert eine einladende Geste.
Hinter einer massiven Stampflehmwand befinden sich Nebenräume und das langgestreckte Treppenhaus, dessen einläufige Treppenkaskade durch Oberlichter - neben seiner Funktion als Fluchttreppenhaus - zum Raumerlebnis wird.


Materialwahl, Tragwerk, Konstruktion
Material und Konstruktion wurden unter Aspekten der Umweltschonung und Gesundheitsförderung ausgewählt und konzipiert.
Das leichte Primärtragwerk aus Stahl wird mit sichtbaren Holz-Brettstapel-Decken aus vorgefertigten Elementen komplettiert. Ihre Unterseite ist in Brettdicke zur Verbesserung der Raumakustik profiliert. Die Aussteifung des Tragwerkes erfolgt über die Aufzugskerne.
Die schlanken Stahlstützen sind betongefüllt.
Ein massiver Körper aus Stampflehm beherbergt Treppenhaus und Nebenräume, innenliegend befinden sich brandgeschützt weitere Stahlstützen des Hauptragwerkes. Die Wand dient als
Speichermasse zur natürlichen Temperierung des Hauses.
Die Lehmstampfwand und die sichtbaren Holzoberflächen vermitteln durch ihre handwerkliche Haptik zu den großen, eher technisch anmutenden Glasflächen und führen sie zu einer angenehmen Raumwahrnehmung mit authentischen Oberflächen. Der Bodenbelag ist ein geschliffener, fugenloser, braun-schwarzer Gussasphaltestrich, äußerst langlebig, strapazierfähig und leicht zu reinigen, dessen Elastizität den Trittschall und die Raumakustik verbessert.
Zusammen mit der Bodenbauteiltemperierung mittels Kupferrohren (Fußbodenheizung und –Kühlung) handelt es sich um einen recyclierfähigen Bodenaufbau aus Naturmaterialien, dessen Begehbarkeit innerhalb von Stunden eine kurze Bauzeit garantiert.
Das Dach ist als Gründach geplant zur Verbesserung des Mikroklimas im Stadtraum, zur Kühlung der PV-Elemente (verbesserter Wirkungsgrad) und Verringerung der Heizleistung.
Es handelt sich um einen System-Aufbau bestehend aus einer Trägerplatte aus Bio-Kunststoff
mit einem integrierten Kanalsystem und Verfüllmulden, die eine durchdringungsfreie Montage und Lastverteilung der Photovoltaik-Elemente auf optimal zur Himmelsrichtung ausgerichteten Grundrahmen ermöglichen. Das Dach ist aus dem Patio heraus begehbar und eine extensive Bepflanzung als Blumenwiese ist möglich.
Bei der Außenverglasung handelt es sich um großformatige 3-fach Verglasung als Schiebetüren und Festverglasung in 2 Schienenebenen mit einer Gesamtglasdicke von 54 mm.
Sie ermöglicht Abmessungen bis 4 m Höhe, ihre Glasecken sind können frei ausgeführt werden ohne Eckpfosten. Die Ansichtsbreite der Rahmen beträgt 20 mm. Detailangaben zu den Daten: Wärmeschutz : Ug-Wert 0,5 W/qmK, Uw-Wert 0,83 W/qmK.
Schallschutz : Rw-Wert 38 dB, Schallschutzklasse 3.
Einbruchschutz : WK2 möglich.
Als Absturzsicherung bei geöffneten Fenstern dient ein Metall-Holm mit Edelstahl-Seilnetz.
Ein sommerlicher Wärmeschutz ist lediglich auf der Südseite erforderlich, da die übrigen Fassaden durch den Kirchenbau verschattet werden oder nach Norden ausgerichtet sind.
Vor der Südfassade befinden sich feststehende Metall-Lamellen, die den Sonnenschutz "low-tec" und wartungsfrei gewährleisten.
Die leichten, geschlossenen Innenwände sind in Holzständerbauweise mit Lehmbauplatten und Hanffaser-Dämmung geplant, die raumklimatisch wirksam werden. Darin befinden sich massive Holztüren, geölt, ohne Beschichtung oder Lackierung. Alle Türdrücker, Griffe und Handläufe sind in in Bronzematerial zur Verminderung von Keimübertragungen gedacht.
Die transparenten Trennwände und Raumtüren sind in recyclierfähiger Glassystembauweise ausgeführt. In den Räumen sorgen rundumlaufend Stoffvorhänge für die Blick- und Lichtsteuerung, sowie für die Verbesserung der Raumakustik.


Technik
Die Energie für die oben beschriebene Temperierung der Fußbodenheizung/-Kühlung wird mittels Erdwärmepumpe bereitgestellt. Es ist davon auszugehen, dass 80% der Energie aus dem Grundwasser durch Erdbohrungen generiert werden kann. Mindestens10% werden mittels der PV-Anlage auf dem Dach erzeugt und an ertragsarmen Tagen wird maximal 10% durch das örtliche Stromversorgungsunternehmen bereit gestellt werden müssen.
Energie eingespart wird durch den weitest gehenden Verzicht auf Warmwasser an den Handwaschbecken und flächendeckende LED-Beleuchtung.
Die Lüftung ist als kontrollierte Raumluftführung mit wechselseitiger Zu- und Abluft
über PCM-Kanäle zur Vorwärmung/-Kühlung der Zuluft geplant.
Die PCM-Latentwärmespreicher ermöglichen die Zuluftvorwärmung über die im PCM (Phase-Change-Material) gespeicherte Wärme und sie entziehen widerum der Abluft die Wärme, bevor sie nach außen gelangt. Der Wechsel der Luftrichtung ermöglicht hierbei die Regenerierung des Latentwärmespeichers.
Zur Regenwassernutzung für Garten- und Gründachbewässerung ist eine Zisterne geplant.

Die konstruktive und technische Gesamtkonzeption hat als Ziele eine Minimierung von Treibhausgasen (CO2), einen möglichst geringen Primärenergiebedarf in Herstellungsphase und Betrieb, demontable Konstruktionen und recyclierfähige Materialität, einen Betrieb über erneuerbare Energien und einen geringen Verbrauch an Wasser und Boden.
Eine Zertifizierung der Nachhaltigkeit nach dem Leitfaden des Nachhaltigen Bauens der Bundesregierung oder der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen, DGNB wäre anzustreben, um den Bau als Zeichen zukunftsweisenden Bauens zu dokumentieren.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit thematisiert das Bauprogramm und den Strukturwandel der Kirchengemeinde durch ein offenes, vom öffentlichen Raum her einsichtiges, transparentes „Atelier“-Gebäude in der Verlängerung des Nachbargebäudes der Wohnbaugenossenschaft. Diese Haltung wird vom Preisgericht kontrovers diskutiert.

Die Angemessenheit der architektonischen Haltung für ein Gemeindezentrum wird in Zweifel gezogen. Auch als stadträumliches Zeichen wird das Gebäude als problematisch beurteilt. Als Glaskubus ist das Gebäude im Straßengefüge nicht zwingend. Aus denkmalpflegerische Sicht werden zwar die Höhenentwicklung und der geringe Abstand zur Kirche bemängelt. Der Ansatz, den Neubau in einen klaren Kontrast zum neoromanischen Kirchenbau zu setzen, wird dagegen begrüßt.

Auch aus funktionaler Sicht werden Vor- und Nachteile der großen Transparenz der Einsichtigkeit und des „Ausgestelltseins“, kontrovers diskutiert.

Die innere Organisation des Gebäudes überzeugt dagegen durch richtige funktionale Zuordnungen, räumliche Qualitäten und eine vielseitige Nutzbarkeit für die unterschiedlichen Nutzergruppen. Auch die Konzeption des offenen Foyers mit einem Café-bereich, das sich zum Platz hin öffnen lässt, wird positiv gewürdigt.

In wirtschaftlicher Hinsicht liegt das Gebäude im oberen Bereich. Aufgrund des hohen Glasanteils in der Fassade sind zudem hohe Betriebskosten (Reinigung) zu erwarten. Auch in energetischer Hinsicht wird die Rundum-Verglasung kritisch beurteilt.