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Nichtoffener Wettbewerb | 01/2014

Neubau ETHZ D-BSSE – Labor- und Forschungsgebäude auf dem Campus Schällemätteli

Das neue Labor- und Forschungsgebäude D-BSSE auf dem Campus Schällemätteli in Basel

Das neue Labor- und Forschungsgebäude D-BSSE auf dem Campus Schällemätteli in Basel

1. Preis / Mit der Realisierung beauftragt

Preisgeld: 72.000 CHF

Nickl & Partner

Architektur

nowak.müller Landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

Leonhardt, Andrä und Partner, Beratende Ingenieure VBI AG

Tragwerksplanung

Amstein + Walthert AG

TGA-Fachplanung

Dr. Heinekamp Labor- und Institutsplanung

TGA-Fachplanung

Michael Wichser + Partner AG

Akustikplanung

BDS Security Design AG

Brandschutzplanung

Erläuterungstext

Die städtebauliche Leitidee für das neue Labor- und Forschungsgebäude D-BSSE auf dem Campus Schällemätteli in Basel sieht einen identitätsstiftenden, unverwechselbaren Baukörper vor. Den Entwurf für den Neubau des D-BSSE kennzeichnet eine klare städtebauliche Ordnung, die die Bestandsbebauung des Campus Schallemätteli ergänzt und dennoch einen eigenständigen, zeitgemäßen Neubau mit klarer Architektursprache schafft.
Mit der bewussten Entscheidung, kein Landmark in der Form eines Hochhauses zu erzeugen, sondern subtile, nachhaltige städtebauliche Ergänzung orientiert sich der Neubau in seiner Massstäblichkeit an der benachbarten UKBB und es entsteht ein sechsgeschossiges Atriumgebäude an stadträumlich präsenter Stelle. Dadurch wird einerseits eine Verschattung des Kinderspital weitestgehend vermieden, zum anderen wird mit dem flächigen Baukörper bewusst ein ruhiger Akzent und kein weiterer Hochpunkt innerhalb der städtebaulichen Umgebung erzeugt.
Die Grundstruktur des Neubaus erzeugt nicht nur eine städtebaulich vermittelnde, ausgewogene Form, sondern auch eine betriebsorganisatorische Optimierung durch die Bündelung von Funktionen. Ziel des Entwurfes für das neue Labor- und Forschungsgebäude ist eine Baustruktur, die dauerhaft den funktionalen Anforderungen an Flexibilität standhält, den höchsten technischen Standards gerecht wird und dem neuen Gebäude ein ausgewogenes und dennoch charakteristisches Erscheinungsbild verleiht. Der Grundriss setzt einerseits ökonomisch-rationelle Vorgaben um, schafft jedoch andererseits eine angenehme, lichte Atmosphäre mit Aufenthaltsqualität. Die Gestaltung der Grundrisse geht wesentlich auf den Anspruch zurück, grösste Flexibilität und kurze Wege zu erreichen. Die klare Gebäudeform als umschlossener, kompakter Baukörper, definiert städtebauliche Raumkanten und erlaubt die bestmögliche Ausrichtung der darin organisierten Funktionen.
Man betritt das Gebäude über den Haupteingang an der Klingelbergstraße, der das Gesicht des Gebäudes bildet, oder den Eingang der Wegachse Spitalgarten St. Johann im nordöstlichen Bereich. Der Haupteingang ist offen, transparent und großzügig gestaltet. Der Eingangsbereich bietet Raum zum Austausch und zur Begegnung. Durch das Auflösen des Volumens im Erdgeschoss entstehen interessante Sichtbezüge und eine visuelle Verbindung vom belebteren Platz im Südwesten zur ruhigeren Campusachse im Nordosten. Der Eingang verbindet diese Bereiche der Begegnung und bildet eine offene und repräsentative Zone zur Straße hin. Als neue Adresse des Labor- und Forschungsgebäudes auf dem Universitätsareal dient das Eingangsgeschoss als Verteilerebene und gleichzeitig als innere Verbindung zum Spitalgarten. Um das Gebäude durchlässig zu machen und dabei gleichzeitig auf die topographischen Gegebenheiten des Geländes einzugehen, bilden die verschiedenen Plattformen der Eingangsebene fliessende Übergänge, die den interdisziplinären Austausch und die Übersichtlichkeit fördern. Damit wird eine Durchwegung des gesamten Gebäudes über die beiden gegenüberliegenden, verschieden hoch gelegenen Eingänge geschaffen. Zudem werden eine optimale Belichtung sowie interessante Sichtbezüge entlang der Verbindungen zwischen den Plattformen gewährleistet.
Die Durchwegung lässt den kompakten Baukörper durchlässig und einladend erscheinen sowie einen reizvollen Wechsel von öffentlichen und halböffentlichen Bereichen entstehen. Von der Eingangsebene aus gelangt man über Treppen mit Split-Level zu den interdisziplinären Laboren, die die Technologieplattformen sowie den IT-Service Bereich beherbergen. Damit entstehen kurze Wege für Studierende und Lehrende und eine Trennung der stark frequentierten Bereiche von den eher ruhigen Arbeitsplätzen in den Obergeschossen.
Der Grundriss ist durch die Zonierung klar strukturiert: die Anordnung der Erschließungspunkte innerhalb eines mittleren Rings bringt maximale Flexibilität. Der Ring nimmt neben seiner zentralen Erschließungsfunktion die Hauptversorgung und komplette Infrastruktur mit Räumen für dienende Funktionen und Ver- und Entsorgung auf. Die Bündelung dieser Funktionen erlaubt eine relativ freie Raumaufteilung der übrigen Bereiche. Der Ring trennt zudem die hochinstallierten Bereiche der Labore und die niedriginstallierten Zonen der Büros.
Auf diese Weise entsteht vor allem in den Laborbereichen hohe Flexibilität: mit der grundsätzlichen Anordnung der Auswertzone entlang der Außenhaut, dem Arbeitsbereich im mittleren Bereich sowie den dienenden Räumen der Labors im Inneren und damit direkt dem Hauptversorgungsring der Erschließungszone zugeordnet, können die Labore je nach Bedarf der Professuren räumlich relativ frei aufgeteilt werden. Diese Anordnung schafft eine übersichtliche Erschliessungssituation, leichte Orientierung und kurze Wege. Der Entwurf reagiert so vor allem aber höchst anpassungsfähig auf die unterschiedlichen Anforderungen der Funktionen, insbesondere die der Labore.
Die räumliche Gliederung in drei Bereiche mit einer Art „Haus in Haus“-Funktion und einer Ringverbindung, führt zu Wegen ohne Sackgassen. So kann man sich in fließenden Übergängen und fast intuitiv auf den Ebenen bewegen, während man das Gebäude als offenen, lichten Raum erlebt. Beim Durchschreiten der Flurzonen gelangt man abwechselnd zu frei angeordneten Bereichen, die zum Verweilen einladen und so zu einem unkomplizierten Austausch der verschiedenen Forschergruppen und Professuren beitragen. In der Anordnung der Räume wird der zugrundeliegende Interaktionsgedanke der Wissenschaft sichtbar. Der Neubau des D-BSSE wird in seiner geometrisch, abwechslungsreichen Kubatur und seiner hybriden Hülle zum Markenzeichen und ist so in der Lage, seiner herausgehobenen Stellung mit einem würdevollen Erscheinungsbild gerecht zu werden. Seine charakteristische Form, der funktionale Aufbau und die hohe Aufenthaltsqualität machen das neue D-BSSE zum charakteristischen Ort des Forschens und Studierens in Basel. Seine konsequente Gestaltung ermöglicht die Identifikation von Lehrende, Studierenden und Hochschulangehörigen mit dem Gebäude. Damit verbunden ist eine breite Akzeptanz, die das neue Labor- und Forschungsgebäude D-BSSE und seine Verankerung im Campusquartier positiv stärken.

Beurteilung durch das Preisgericht

Städtebau und Architektur
Auf intelligente Weise nutzen die Verfasser den Spielraum des Bebauungsplans und erzeugen eine Art «Solitär», der den Arealrand mit seinem Innern räumlich verschränkt: Der neue Baukörper wird einerseits in dessen Höhenvorgaben eingeschrieben, spielt sich in seiner Grundrissgeometrie aber frei und formuliert so einen zum Campus vermittelnden Kopf zur Strassengabelung. In dieser geometrischen Setzung erhält jede Fassade des polygonalen Baukörpers ihre Bedeutung als Front einerseits für die Führung von Weg- und Blickachsen, andererseits für die Definition von räumlichen Zuordnungen. Das «Gesicht», welches die Front zur Strassengabelung mit ihrem eingezogenen Haupteingang präsentiert, findet auf der Campusseite mit seinem bescheideneren Nebeneingang ein Pendant, das auch den benachbarten Hof räumlich abschliesst. An der Klingelbergstrasse formt die seitliche Fassadenfront zusammen mit dem Bio- und Pharmazentrum eine attraktive Ausweitung zur gegenüberliegenden Strassenflucht, die den Auftakt in eine sich auf den hinteren Hof ausweitende Gasse bildet. Ostseitig nimmt eine fünfte Fassade den Besucher aus dem Spitalgarten in Empfang.

Diese städtebauliche Verschränkungsstrategie setzt sich ins Innere der Gebäudeorganisation hinein fort, wo eine grossformatige Diagonale das Innere des Campusareals mit dessen Peripherie über eine starke räumliche Geste zusammenführt. Von der erdgeschossigen Bewegungsplattform aus öffnen sich die Blickbeziehungen in die Vertikale: einerseits über segmentierte Öffnungen in die beiden Unterschosse, die so an die räumliche Hauptstruktur angebunden und zenital mit Licht versorgt werden, andererseits über eine das zentrale Atrium prägende Stapelung nach oben. Der Zentralraum fungiert so als eigentliche Drehscheibe und macht seinen kommunikativen Charakter zum Hauptthema, indem er die vielfältigen Nutzungen nicht hinter Erschliessungskorridoren versteckt, sondern sie in additiver Anordnung «zur Schau stellt». Die Horizontalerschliessungen werden in einem gassenartigen System geführt: Über platzartige Aufenthalts- und Kommunikationsräume werden sie verschränkt und über Ausweitungen in den stumpfen Ecken des Pentagons an die umliegende Stadt angebunden.

Durch die gewählte Grundform und deren strukturelle Flexibilität können die funktional erforderlichen, unterschiedlichen Bautiefen elegant zusammengeführt werden. Die Anordnung der Raumschichten erinnert mit ihren Bauzeilen, Gassen, Strassen und Plätzen auch im Innern des Hauses an einen Stadtgrundriss. Studentenarbeitsplätze neben dem Eingang beleben das Erdgeschoss und erzeugen zusammen mit den zum Atrium orientierten Seminarräumen Öffentlichkeit. Nach unten erschliessen geschwungene Treppenanlagen die Technologieplattform und die Werkstätten, nach oben werden die Laboreinheiten und die entlang den Fassaden aufgereihten Professuren in zwei leicht variierten Organisationstypologien untergebracht, welche sich im Atrium differenziert abzeichnen. Geschossübergreifende und offene Treppen, sog. «Shortcuts», verbinden die unterschiedlichen Professurebenen und fördern die Kommunikation in der Vertikalen. Im Dachgeschoss thront – abgeschirmt vom hektischen Tagesbetrieb – die Science Lounge mit ihrem Anschluss an das Atrium und ihrem Fernblick über eine ausgedehnte Dachterrasse.

Hinsichtlich des Ausdrucks seiner Hülle verharrt der Beitrag allerdings auf einem etwas schematischen Stand und schöpft das Potenzial seiner städtebaulichen Setzung und seiner organisatorisch-räumlichen Raffinesse noch nicht umfassend aus: Über dem erdgeschossigen Einzug dürften die Glasfassaden ruhig etwas mehr an Prägnanz und Gewicht gewinnen. Auch wäre der Umgang mit der Atriumsverglasung als räumlich und atmosphärisch prägendes Element darzulegen, deren physische Gestalt in der Perspektive noch vollumfänglich fehlt.

Freiraum
Die Strassenfluchten der Klingelberg- und der Schanzenstrasse werden durch die sich öffnenden Vorplätze abgeschwächt. In den ausgeweiteten Platzbereichen bilden vorwiegend neu gepflanzte Baumgruppen einen räumlichen schönen Übergang ins Arealinnere. Der Haupteingangsplatz wird ebenfalls mit einer Baumgruppe akzentuiert.

Die Höhenunterschiede sind sehr sorgfältig bearbeitet. Eine Treppenanlage mit integrierter Rampe umfasst die Vorplatzbereiche und verbindet die Strassenebene mit Haupteingang und Erdgeschoss. Die polygonale Formensprache des Gebäudes spiegelt sich in den Grasfeldern entlang von West-, Ost- und Nordfassade wider. Mit diesen Pflanzflächen wird eine Verbindung zum Garten des Kinderspitals gesucht. Die Velos sind auf der Nord- und der Südseite gut auffindbar angeordnet.

Mit dem Entfernen der markanten Bäume und den dazugehörenden Grünflächen wird ein Trittstein im übergeordneten Grünsystem unwiderruflich aufgehoben. Mit den vorgeschlagenen Ersatzpflanzungen kann dieser auch nicht wiederhergestellt werden.

Die Blick- und Raumbezüge ins Campusareal Schällemätteli und ins Universitätsgelände und der sorgfältige Umgang mit den Niveausprüngen und den neuen Freiräumen sind aus freiräumlicher Sicht ein Beitrag zu einer Neuinterpretation des Ortes.

Betrieb und Logistik
Die Forschungsgruppen sind auf den Stockwerken gut positioniert und die Durchmischung von theoretischen und experimentellen Professuren ist gelungen. Interessant gelöst sind die Laborstruktur und die Raumbeziehungen. Die geforderte räumliche Flexibilität ist gegeben. Die Tageslichtführung in die Technologieplattform und in das 1. UG ist geschickt umgesetzt. Gut eingefügt ist die Science Lounge und der attraktive Eingangsbereich beinhaltet spannende Raumelemente.

Die Transparenz zwischen Labor- und Bürozonen muss verbessert werden, zudem sind die Labornebenräume kleiner als gefordert. Neu zu planen ist die Ausgestaltung der Reinräume und des GMP-Labors.

Der Personenfluss ist in einzelnen Bereichen nicht schlüssig, beispielsweise in der Empfangszone mit Zutrittskontrolle im Eingangsbereich. Ferner ist die Erschliessung mit nur einem Warenlift unzureichend, die Anlieferung sowie die Ver- und Entsorgung überzeugen noch nicht und das Entsorgungskonzept ist unvollständig.

Gebäudetechnik
Die Erschliessung und die Steigzonen sind vernünftig angeordnet – die Steigzonen jedoch zu klein bemessen.

Die Technikzentrale im Untergeschoss ist flächenmässig gross genug. Die Technikzentrale auf dem Dach wurde jedoch lediglich beschrieben und ist aus den Plänen nicht ersichtlich.
In Teilbereichen ist das Projekt zu wenig präzis ausgearbeitet. Die Bedürfnisse und Anforderungen der Nutzer können jedoch erfüllt werden. Anpassungen an die Erschliessung sind notwendig – von der Grundcharakteristik ist das Potenzial für ausreichende Verbesserungen gegeben.

Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit
Die Geschossflächen und Gebäudevolumen liegen knapp über dem Durchschnitt aller Projekte. Das Verhältnis von Hauptnutzfläche zu Geschossfläche liegt eher im höheren Bereich. Durch die geringe mittlere Geschosshöhe und den kompakten Grundriss resultiert eine unterdurchschnittliche Fassadenabwicklung. Die eher hohen Fassadenkosten wirken sich negativ auf die Erstellungskosten aus, die knapp über dem Durchschnitt aller geprüften Projekte liegen.

Würdigung
Insgesamt handelt es sich um ein Projekt von grosser städtebaulicher, räumlicher und vor allem organisatorischer Qualität, dem es gelingt, die hohen Anforderungen der Aufgabenstellung auf den unterschiedlichsten Ebenen zusammenzuführen. Das neue Gebäude versinnbildlicht in seiner Architektur und deren räumlicher Durchlässigkeit den offenen, interdisziplinären und akademischen Austausch; gleichzeitig formt es für das Campusareal eine einladende Adresse zur Stadt.