Award / Auszeichnung (auch für Studenten) | 01/2014
competition campus - die innovativsten Projekte, die kreativsten Fakultäten
©Steffen Samberger | Dr. Julien Nembrini | Prof. Dr. Christoph Gengnagel
Auswahl individueller Entwurfsinstanzen des parametrischen Modells
Climate-specific mass-customization of low-technology architecture as part of a high-technology process
Preis
UdK - Universität der Künste Berlin
Universitäten / Hochschulen
Student*in Architektur
sonstige Fachplanung
sonstige Fachplanung
Erläuterungstext
Es untersucht die konsequente Integration digitaler Technologien in einen großzügig computergestützten Entwurfs- und Fabrikationsprozess. Unter anderem sollen dabei bereits in der Konzept- und Entwurfsphase Erkenntnisse thermischer Gebäudesimulationen automatisiert in einen parametrischen Entwurf integriert werden, um so den Energiebedarf eines Gebäudes bereits durch rein architektonische Mittel zu reduzieren.
Durch eine Fallstudie wurden in den Bereichen der Entwurfsindividualisierung, Nachhaltigkeit und Fabrikation neue Methoden und Herangehensweisen entwickelt und weiterführende Erkenntnisse erschlossen.
Das parametrische Modell
Grundlage für den Prozess war ein script-basiertes, parametrisches Modell, das als maschinenlesbares, digitales Entwurfsmodell dient. Anders als andere Beispiele des „parametrischen Entwerfens“ umfasst dieses Modell weniger die geometrische Beschreibung sich wiederholender Elemente einer gegebenen Geometrie (Patterns und Panels), als vielmehr die topologischen Zusammenhänge eines variablen Gesamtentwurfes (Grundriss, Schnitte, Wandstärken, …)
Fallstudie
Der gesamte Entwurf eines australischen Farmhauses wurde als digitales Modell implementiert. Eine folgende, parametrische und automatisierte Untersuchung ist daher nicht auf die Variation eines einzelnen Elementes - wie z.B. Verschattungselemente - beschränkt, sondern kann vielfältige und „tiefgehende“, geometrische oder materielle Aspekte des eigentlichen Entwurfes miteinbeziehen. Architektonische Konzepte (Topologie, geometrische Verhältnisse und Bezüge) werden trotz geometrischer Varianz der Entwurfstopologie in jeder konkreten Entwurfsgeometrie gewahrt.
Mithilfe dieser und weiterer Technologien und Methoden wurde der Prozess in den Aspekten des Mass-Customization (nutzerspezifische Adaption), Klimadesign (klimaspezifische Adaption) sowie der digitalen Fertigung auf neue Möglichkeiten hin untersucht.
Nutzerspezifische Adaption
Durch eine automatisierte, konzept-gerechte Anpassung der parametrischen Gesamtgeometrie können Nutzerwünsche (z.B. Gebäudeorientierung, Raumanzahl und -größen) stufenlos in eine individuelle Entwurfslösung integriert werden. Bisherige Möglichkeiten des Mass-Customization beschränken sich im Wesentlichen auf Material- und Farbwahl sowie die Wahl zwischen einer geringen Anzahl manuell geplanter Module oder Varianten.
Klimatische Adaption
Die Gesamtgeometrie, Ausrichtung und Materialität eines Entwurfes hat großen Einfluss auf die thermische Behaglichkeit im Inneren eines Gebäudes (und damit auf dessen Energiebedarf). Vernakuläre Architekturen machten sich dies zunutze und entwickelten klimaspezifische Gebäudegeometrien, die bereits ohne den Betrieb aufwändiger Gebäudetechnik einen gewissen Grad an Behaglichkeit bereitstellten. Durch eine automatisierte und simulationsbasierte Untersuchung der thermischen Verhalten einer Vielzahl parametrisch erzeugter Entwurfsvarianten lässt sich - innerhalb der geometrischen Möglichkeiten der Entwurfstopologie - eine spezifische, geometrische Lösung finden. Diese bietet bereits ohne Gebäudetechnik eine maximale Behaglichkeitsdauer über das Jahr und reduziert somit auch den Energiebedarf für Heizung und Kühlung.
Sowohl die architektonischen Konzepte als auch die nutzerspezifischen Anforderungen werden zudem weiterhin in jeder Entwurfsvariante realisiert.
Digitale Fabrikation
Trotz der geometrischen Vielfalt einzelner Entwurfslösungen, kann ein computergesteuerter Fertigungsprozess geometrisch individuelle Bauteile ohne Mehraufwand fertigen. Die dafür zwangsweise notwendigen, individuellen Fertigungsdaten können dabei automatisiert aus dem digitalen Modell heraus exportiert werden.
Für das australische Farmhaus war es möglich individuelle Fertigungsdaten für einen Lasercutter zu erzeugen. Dieser fertigte im Folgenden die Bauteile für ein physikalisches Faltmodell der ursprünglich digital erzeugten Geometrie.
Technologien
Das parametrische Modell sowie wiederverwendbare Funktionen wurden in der Entwicklungsumgebung ANAR+ als Computercode entwickelt (umgerechnet ca. 120 DIN A4 Seiten). Für 10 Referenzklimazonen / Nutzer wurden im Verlauf des Prozesses insgesamt ca. 24.000 Entwurfsvarianten erzeugt und deren thermisches Verhalten mit EnergyPlus simuliert. Auf maximal 16 Computern wurden bis zu 44 Simulationen gleichzeitig durchgeführt und die kumulative Simulationszeit betrug 9.400 Stunden. Ungefähr 34 Milliarden Ergebniswerte – für Temperaturen, Luftfeuchtigkeit, Energiebedarf, etc. - wurden mit einem Datenvolumen von insgesamt ca. 280 GB erzeugt und in einer zentral zugänglichen Online-Datenbank gespeichert. Alle Simulationsaufträge wurden ebenfalls über die Datenbank koordiniert und über eine eingerichtete Website verwaltet und überwacht. Die automatisierte Auswertung und ergebnisorientierte Visualisierung dieser Ergebnisse fand in derselben Programmierumgebung statt, wie auch die Definition des parametrischen Modells.
Referenzen
S. Samberger, J. Nembrini, and C. Gengnagel, “Climate-specific mass-customization of low-technology architecture as part of a high-technology process,” in Design Modeling Symposium Berlin 2013, 2013
J. Nembrini, S. Samberger, A. Sternitzke, and G. Labelle, “Combining sensitivity analysis with parametric modeling to inform early design,” in Simulation for Architecture and Urban Design, simAUD 2012, 2012
J. Nembrini, S. Samberger, A. Sternitzke, and G. LaBelle, “The potential of scripting interfaces for form and performance systemic co-design,” in Proceedings of Design Modelling Symposium Berlin 2011, Springer, October 2011
H.-G. Bauer, J. Nembrini, S. Samberger, and C. Gengnagel, “Assessing renovation interventions towards ‘energy plus’ buildings through parametric exploration — the case of glazed buffer spaces,” in IBPSA Building Simulation 2013, 2013
Beurteilung durch das Preisgericht
©Steffen Samberger | Dr. Julien Nembrini | Prof. Dr. Christoph Gengnagel
©Steffen Samberger | Dr. Julien Nembrini | Prof. Dr. Christoph Gengnagel
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Plan vs. Code
©Steffen Samberger | Dr. Julien Nembrini | Prof. Dr. Christoph Gengnagel
Digitales, parametrisches Modell sowie dessen Bauteile für die digitale Vorfertigung eines Faltmodells
©Steffen Samberger | Dr. Julien Nembrini | Prof. Dr. Christoph Gengnagel
Visualisierung des thermischen Verhaltens einer spezifischen Entwurfsvariante am digitalen Modell
©Steffen Samberger | Dr. Julien Nembrini | Prof. Dr. Christoph Gengnagel
Visualisierung der Entwurfsparameter aller simulierten, geometrischen Varianten einer Klimazone bezogen auf deren thermisches Verhalten
©Steffen Samberger | Dr. Julien Nembrini | Prof. Dr. Christoph Gengnagel
Digital vorgefertigte, individuelle Faltmodelle