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Nichtoffener Wettbewerb | 02/2014

Wohnen am Klaustor

Anerkennung

Preisgeld: 2.500 EUR

Architekturbüro Wiegand

Architektur

Erläuterungstext

Architekten & Verfasser: Anke Röttcher / Timo Riechert


Städtebauliche Lösung:

Der Standort stellt durch das Klaustor und das gegenwärtig umbaute Fragment der Stadtmauer eine Zäsur der historischen Stadtentwicklung dar. Sowohl baulich als auch in der zeitlichen Einordnung kann das Quartier dabei die Entwicklung und Erweiterung der Stadt gut ablesbar widerspiegeln.
Dem folgend ist es auch das grundlegende Anliegen dieses Entwurfes, die baulichen Zeugen der Stadtgeschichte freizulegen und freigestellt der Stadt zurückzuführen.
Der damit verbundenen Notwendigkeit von Öffentlichkeit versucht der Entwurf durch die Option des Umschreitens der Stadtmauer und der ungehinderten Zugänglichkeit des Klaustores zu entsprechen. Dabei erfahren weder Turm noch Stadtmauer eine funktionale oder bauliche Neuinterpretation, sie sind einfach nur da – Teil der Stadt.
Das schließt eine Nutzung des Stadttores nicht aus. Ausstellungen und kleine Veranstaltungen sollten aber immer als zeitlich begrenzte Intervention betrachtet werden und mit den Einschränkungen des Bauwerkes zurechtkommen müssen.
Ausreichend erscheint dazu ein genereller Rückbau auf die ursprünglichen bzw. erhaltenswerten Teile des Klaustores. Die Trennung von der umgebenen Bebauung arbeitet das Tor wieder als eigenständiges Bauwerk heraus. Verbunden mit einer auch nächtlichen Adressierung, beispielsweise durch eine nach außen scheinende Beleuchtung der Turmräume, erhält der Turm so seinen Platz im Ensemble der Stadt zurück. Mit einer archäologischen und dauerhaften Freilegung der Stadtmauer ist die dem Entwurf zugrunde liegende Neuordnung des Planungsfeldes verbunden. Diese sieht den vollständigen Abriss des Hülsemannschen Hauses und Johnschen Hauses vor. Die somit frei werdenden Grundstücke werden neu gewidmet: Das Grundstück Hauptstraße 17 wird als Durchgang vom Schulplatz zum Klaustor ein neuer öffentlicher Raum. Das Grundstück Hauptstraße 19 wird mit respektvoller Beziehung zur Stadtmauer erneut bebaut.


Gebäude:

Der in Abstand zur Stadtmauer entworfene Baukörper teilt sich in eine eingeschossige Wohneinheit mit Gartenzugang im Erdgeschoss, sowie eine zweigeschossige Wohneinheit mit Dachterrasse im zweiten Obergeschoss. Das Gebäude ist teilunterkellert. Die wenigen aber raumhohen Öffnungen unterstützen die zurückhaltende Form des Baues, lassen durch ihre Höhe aber das notwendige Tageslicht hinein. Das Gebäude hält einen klaren Abstand zur Stadtmauer. In dieser Fuge ermöglicht ein schlichter Steg den öffentlichen Zugang zum Klaustor und die Erschließung des Obergeschosses.


Material:

Das auch in der näheren Umgebung des Gebäudes zu findende Ziegelmaterial fasst die Fassade zusammen und korrespondiert mit der historischen Stadtmauer. In Toleranz der Fügung und Skalierung des Steines grenzt es das Neue jedoch unverkennbar vom Bestehenden ab.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit zeichnet sich durch die Freistellung der historischen Stadtmauer, die zweiseitige Erlebbarkeit dieses historischen Elements sowie die gestalterische Zurückhaltung des neuen Baukörpers aus. Positiv beurteilt wird auch, dass der Turm des Klaustores sehr deutlich als eigenständiger Baukörper wahrnehmbar ist.

Mit dem Verzicht auf die Wiederbebauung des Hülsemannschen Hauses wird zudem die bisher verbaute Eingangssituation zum Gebäude Hauptstraße 15 freigestellt und damit in ihrer Wahrnehmung und Funktionalität deutlich verbessert. Die Folge ist allerdings, dass auf die typische geschlossene Bebauung verzichtet wird. In dieser Hinsicht wird der Charme des reduzierten Ansatzes mit einem geringen Neubauvolumen im Bereich Hauptstraße 19 von städtebaulichen Schwächen überlagert. Insbesondere der neu entstandene, trichterförmige Stadtraum entlang der Mauergasse ist wenig differenziert und lässt in der dargestellten Form Aufenthaltsqualität vermissen.

Die separate Erschließung des Turmes wird begrüßt. Sie ermöglicht eine flexible Nutzung dieses Stadtbild prägenden Gebäudes, auch wenn über die vertikale Erschließung der Geschossebenen im Turm keine Aussage getroffen wird. Die enge Fuge zwischen Stadtmauer und neuem Gebäude konkurriert mit der Gasse und birgt wegen Lichtmangels die Gefahr der Unwirtlichkeit. Die Verbreiterung des Mauerdurchganges wird auch aus denkmalpflegerischer Sicht kritisch betrachtet.

Die Grundrisse der beiden Wohnungen sind eindeutig zoniert, wobei jedoch die lichten Raumhöhen von 3 m teilweise zu nicht überzeugenden Proportionen der kleinen Räume führen. Die Fassade zur Hauptstraße gibt sich unnötig geschlossen und erzeugt Dunkelzonen in den Wohnräumen. Positiv beurteilt wird das Angebot an Freisitzen im Gartenhof und auf der straßenseitigen Dachterrasse.

Zusammengenommen ergibt sich ein überaus interessanter Ansatz, der leider einige Mängel aufweist. Die Chancen, die das Freistellen der Stadtmauer und der einfache Lösungsansatz beinhalten, werden nicht vollständig genutzt.
Lageplan

Lageplan

Ansicht von Südwesten

Ansicht von Südwesten

Längsschnitt durch den Steg / Ansicht von der Hauptstraße

Längsschnitt durch den Steg / Ansicht von der Hauptstraße

Ansicht von Nordwesten / Querschnitt

Ansicht von Nordwesten / Querschnitt

Grundriss Untergeschoss

Grundriss Untergeschoss

Grundriss Erdgeschoss

Grundriss Erdgeschoss

Grundriss 1.Obergeschoss

Grundriss 1.Obergeschoss

Grundriss 2.Obergeschoss

Grundriss 2.Obergeschoss