modgnikehtotsyek
ALLE WETTBEWERBSERGEBNISSE, AUSSCHREIBUNGEN UND JOBS Jetzt Newsletter abonnieren

Offener Ideenwettbewerb (auch für Studenten) | 02/2014

AIV-Schinkel-Wettbewerb 2014: Spandau bei Berlin

Goldgräber

Sonderpreis und Anerkennungspreis Architektur

Preisgeld: 2.000 EUR

Nathalie Minck

Student*in Architektur

Till Kretschmar

Student*in Architektur

Seyhan Özgen

Student*in Architektur

Erläuterungstext

Pablo P.: „Bevor der Kulturcampus entstanden ist, gab es in Spandau sehr wenig Raum an Künstlerateliers und kulturellem Austausch!“
Michael K.: „Seitdem nehme ich den Weg durch das Gebäude zur Arbeit. Besonders mag ich den Raum unter der Straße.So kann ich mich auf dem Hinweg künstlerisch inspirieren lassen und habe keine Ausrede mehr, nach der Arbeit auf den Sport zu verzichten.“
Hildegard A.: „Jetzt ist das Wasser des Mühlengrabens wieder so schön sauber wie früher. Ich setze mich gerne dort ins Café und erfreue mich an dem spielerischen Treiben meiner Enkelkinder .“
Jaques C.: „Der neue Kulturcampus ist eine echte Alternative zu Berlin-Mitte!“
Melanie L.: „Während meine Kinder beim Vereinssport sind, gibt es für mich auf dem Campus immer etwas zu entdecken. Entweder schaue ich meinen Kinder durch die großen Glasfronten bei der sportlichen Ertüchtigung zu. Manchmal trinke ich einen Café in der angrenzenden Reithalle oder schlendere über den Wochenmarkt.“

Neben der Planung des Kulturcampus und der Ausformulierung der Multifunktionshalle geht es vorrangig um die Bildung urbaner Qualität und die Entwicklung eines nachhaltigen Nutzungskonzeptes.

Urbane Qualität
Die Analyse der städtebaulichen Situation ist eine wichtige Voraussetzung für den Entwurf. Auf Grundlage derer finden bei der Ausformung urbaner Qualität folgende Aspekte in der vorliegenden Entwurfsfassung Berücksichtigung: die Verzahnung zwischen Innen- und Außenraum, die Entstehung einer Campusstruktur mit Schaffung von Plätzen unterschiedlicher Qualität, die verstärkte Einbeziehung des Mühlengrabens und schließlich die Verkehrslenkung.

Struktur des Campus
Die städtebauliche Struktur des Planungsgebietes, insbesondere der Altstadt, offenbart ein Wechselspiel von Verengungen (Gassenbildung) und Aufweitungen (Platzbildung) im Raum. Diese Struktur setzt sich in der Gestaltung des neu entstandenen Campus fort: Aus der Aufweitung von Wegführungen formieren sich drei neue Plätze, nämlich am Tiefhof vor der Turnhalle, am Mühlengraben und vor der Schule, zwischen Reithalle und Jugendakademie. Dieser letztere öffnet sich auch zur Schule hin und lässt sie so partizipieren. Der Campus wird durch neue und bestehende Gebäude gerahmt und durch die Verzahnung einstiger und neuer Bausubstanz begrenzt.
Der Kreisverkehr wird durch eine ampelgeregelte Kreuzung ersetzt. Dadurch wird weniger Stadtfläche beansprucht und ein städtebauliches Annähern der Quartiere an die Peripherie der Altstadt forciert.
Eine Magistrale zieht sich durch den neuen Campus bis in das Kultur- und Veranstaltungszentrum (Programmbaustein A) und endet südlich an der Jugendakademie (Programmbaustein D). Entlang dieser formieren sich der Veranstaltungsbereich der Reithalle (Programmbaustein C), die Musikschule (Programmbaustein E) und die Werkstätten (Programmbaustein B) des Campus. Das Gebäude Haus 3 wird durch einen Neubau ersetzt, da sein ungünstiges Hüllverhältnis sich auch nicht mit vertretbarem Aufwand ertüchtigen ließe.

Programmbaustein A - Mehrzweckhalle
Das Kultur- und Veranstaltungszentrum erstreckt sich vom ausgewiesenen Planungsgrundstück bis zum Mühlengraben. Die Gebäudekubatur der Mehrzweckhalle gründet auf der Überlegung, sich vom Straßenverkehr abzuwenden und einen introvertierten Tiefhof zu generieren. Jener erfüllt mehrere Aufgaben: über diesen wird das Gebäude erschlossen, er lädt zum Verweilen ein und dient als Tribüne der sich zum Außenraum hin öffnenden Bühne. Die Verschränkung von Innen- und Außenraum lässt Besucher Veranstaltungen auch von hier aus erleben. Durch die Generierung eines Tiefhofes und der damit verbundenen geringeren Gebäudehöhe wird bewusst eine flächige Campusstruktur realisiert, welche die Sichtbeziehungen zwischen Altstadt und den umliegenden Quartieren nicht beeinträchtigt und der denkmalgeschützten Bausubstanz Tribut zollt.
Die Mehrzweckhalle gliedert die innenräumliche Struktur. Aufweitungen und Verengungen, wie im städtebaulichen Gefüge und das Tragwerk als solches erzeugen Räume differierender Qualität. Der Bereich, der die Mehrzweckhalle und ihre dienenden Räume umfließt, geht ins zweigeschossige Hauptfoyer über. Dieser unterliegt keiner strengen Definition, vielmehr lässt er sich vielfältig nutzen, partizipiert am Stadtraum und ist zugleich Teil der Gebäudekubatur. So kann beispielsweise der Raum zwischen Reit- und Mehrzweckhalle als Wochenmarkt, Flohmarkt oder für Workshops genutzt werden.
Unter der Straße befindet sich ein weiterer introvertierter Veranstaltungsort, der von Ausstellungsflächen eingefasst ist und Raum für Lesungen, Konzerte und Filmvorführungen bietet. Diese Flächen beginnen im Foyer, ziehen sich unter der Straße bis hin zum Mühlengraben und enden dort in einem Café-Restaurant. Hier ist das Gebäude mit seiner Zweigeschossigkeit im Straßenraum erneut sichtbar.
Der Pfad am Mühlengraben wird auf Wasserniveau abgesenkt. Dadurch wird der bislang minder frequentierte und dennoch von einmaliger, idyllischer Qualität zeugende Raum aktiviert und die Nähe zum Bachlauf gestärkt. In dem wasserseitigen, aus der Absenkung gewonnenen Raum des Parkhauses können Ateliers und Geschäfte eingerichtet werden. Am Ort der Verschränkung solcher Nutzungen und des neuen Kulturzentrums laden Café und ein Wasserbecken zum Verweilen ein. Bei zukünftiger verminderter Nachfrage an Parkraum und Etablierung alternativer Mobilitätskonzepte kann das strukturell flexible Parkhaus sukzessive umgenutzt werden. Temporäre Ausstellungsräume oder Freizeitflächen für Jugendliche sind hier etwa denkbar.
Die Belieferung der Mehrzweckhalle findet über die Zufahrt der Tiefgarage statt.

Programmbaustein B und D – Werkstätten und Jugendakademie
Die Werkstätten werden westlich der Musikschule im Haus 4 verortet. Sie bilden zusammen mit der Jugendakademie einen Gebäudekomplex aus neuer und einstiger Bausubstanz. Der Platz zwischen Reithalle, Schule und Jugendakademie wird durch die zweiseitige Nutzung der Bühne des Jugendtreffpunktes zu einem weiteren introvertierten Veranstaltungsort.

Programmbaustein C - Reithalle
Die ehemalige Reithalle nimmt einen Festsaal und ein Café in sich auf. Das zentral gelegene Foyer ermöglicht unabhängig voneinander, synchron ablaufende Programmpunkte in dem denkmalgeschützten Gebäude.

Programmbaustein E - Musikschule
Die zweigeschossige Musikschule öffnet sich mit ihrem Untergeschoss zum Tiefhof und lädt Besucher ein, auf Sitzbänken vor den Probenräumen, den musikalischen Übungen zu lauschen.

Nachhaltiges Nutzungskonzept
Neben einer überzeugenden architektonischen Formensprache und einer flexiblen Grundrissstruktur, ist eine nachhaltige Gebäudetechnik von gleichrangiger Bedeutung. Es liegt nahe das Potential des Wasserstandortes ins Gebäudekonzept zu integrieren. Das Energiekonzept sieht vor, das durch die unterirdische Verbindung erschlossene Wasser, gebäudeintern (Technik Tiefgarage) aufzubereiten, zu nutzen (Gebäudetemperierung, Grauwasser, Trinkwasser) und Überschüssiges gereinigt zurückzuführen.
Die Außenhaut der Fassade überzeugt nicht nur durch ihre assimilierende Eigenschaften, sondern auch durch ökologisch-nachhaltige Attribute. Sie besteht aus recyceltem Metall und kann erneut recycelt werden. Dies ermöglicht enorme Einsparungen an Primärenergie, Rohstoffen und Flächennutzung. Zugleich bietet der recycelbare Beton durch seine Speichermasse enorme Behaglichkeit. Das Wechselspiel aus geschlossenen und offenen Fassadenanteilen schafft im Außen- wie im Innenraum immer neue, sich verändernde Raumeindrücke, schützt vor Überhitzung und sorgt für eine normgerechte Einhaltung der Transmissionswärmeverluste.
Ferner unterstützt das Gebäudekonzept auch Änderungen im zukünftigen Mobilitätsverhalten.

Die dem Campus zugrundeliegende Struktur zeichnet sich dadurch aus, dass die einzelnen Bereiche eigenständige Funktionen haben und dennoch verbunden sind und einander bedingen. Innenräumliche Strukturen werden mit dem Außenraum verschränkt. Dies führt zu einer Aktivierung beider Komponenten und macht jene erlebbar.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit mit dem Titel "Goldgräber" thematisiert den Kultur-Campus als eine Folge von differenzierten Außen- und Innenräumen.
Das Kultur- und Veranstaltungszentrum bildet mit einem angegliederten "Tiefhof" das Zent-rum der städtebaulichen Figur. Große Teile des Raumprogrammes befinden sich im Unter-geschoss und lassen den Baukörper trotz seiner Größe gegenüber den Bestandsgebäuden angenehm zurückhaltend erscheinen.
Ein angeschlossener unterirdischer Baukörper mit Veranstaltungsräumen verbindet den westlich der Straße gelegenen Teil des Campus mit dem Mühlengraben und dem dort neu entwickelten Außenraum mit Cafe und Restaurantnutzung.
Die Entwurfsverfasser beschäftigen sich sensibel mit den Nutzungsaspekten und schaffen vielfältige räumliche Qualitäten. Die geschickte Vernetzung von Außen- und Innenräumen zeigt sich besonders gelungen am Beispiel der Bühne.
Die goldenen Fassadenelemente der Neubauten tragen dazu bei, dem Campus eine eigen-ständige Identität zu geben.
Der Entwurf überzeugt durch die Vielzahl der architektonischen Ideen und die gute Ausarbei-tung. Die von Kompromissen geprägte städtebauliche Situation dagegen wurde lange disku-tiert und partiell kritisiert.