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Gutachterverfahren | 03/2014

Freiflächengestaltung im Umfeld des Hamburger Bahnhofs

1. Preis

relais Landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Urbanes Boskett

Position im Stadtgefüge
In seiner Grundstruktur ist das Umfeld des Hamburger Bahnhofs eher eine Passage als ein Platz. Es besteht aus einer fließenden Abfolge von Freiräumen, die von den fluchtenden Raumgrundrissen der ehemaligen Bahnnutzung geprägt sind.
Im Gegensatz zu dieser typologischen Unschärfe verfügt der Raum über einen ausgeprägten Ortscharakter. Wesentlich trägt dazu sowohl die prägnante Raumfigur wie einzelne markante Architekturansichten bei, die den Freiraum rahmen. Im Gegensatz zu den übrigen Quartiersplätzen des neuentstehenden Europaviertels wird er eine räumliche und materielle Kontinuität aufweisen, die bis ins 19. Jahrhundert zurückreicht. Diese historische Sedimentation ist in einem Stadtquartier, dessen Identität sich künftig neu formulieren muss, ein großer Wert.
Für das Konzept ist diese Besonderheit und Andersartigkeit des Raumes um den Hamburger Bahnhof von grundlegender Bedeutung. Einerseits geht es dabei um die Differenzierung zu den anderen in der Europacity entstehenden Freiräumen, bei denen es sich meist um übersichtliche, orthogonale Platzflächen handelt. Zugleich spielt aber auch die Andersartigkeit zu den stark und mit hoher Geschwindigkeit genutzten Infrastrukturen der Invalidenstraße oder der Heidestraße eine wesentliche Rolle. Die Freiräume um den Hamburger Bahnhof liegen aus diesem Blickwinkel in der „zweiten Reihe“; sie können Verlangsamung zulassen und auf einen anderen „Pulsschlag“ abgestimmt sein. In zentralster Lage im Stadtgrundriss bieten sie das Potential eines entschleunigten Rückzugsraumes für Anwohner und Touristen.
Stärker als im Nordteil der Europacity sind die Freiräume hier unmittelbar der Bebauung zugeordnet. Die Bebauung rahmt den Freiraum. Dieser ist also nicht nur in geringer Distanz zugeordneter Quartiersplatz, sondern optisch stets präsentes Gegenüber. Daraus entsteht in der Freiraumnutzung perspektivisch ein spannungsreicher Kontrast zwischen den alltäglichen Bedürfnissen der Anwohner und der touristischen Inwertsetzung vor dem Kontext international beachteter Sehenswürdigkeiten.

Der Stadtplatz als urbanes Boskett
Aus dieser Haltung zielt das Konzept auf eine körperhafte Gestaltung dieses polymorphen und von heterogenen Architekturen gerahmten Freiraumes, um ihn als Platz einzurichten. Dazu wird dessen Zentrum durch ein urbanes Boskett definiert. Ausformuliert wird dieses als Hain aus ein- und mehrstämmigen Papier-Birken, in den vereinzelt Scharlach-Eichen eingestreut sind.
Mit diesem Element wird ein Vegetationskörper in das Stadtquartier gesetzt, der als Kontrapunkt zu dem in Konversion befindlichen Stadtquartier tragfähig ist. Seine klar umrissene Kubatur stiftet im Kontext der Freiräume des Europaviertels eine eindeutige Adresse. Seine Struktur ist wiedererkennbar und schafft einen übergeordneten Zusammenhang im Raum. Mit dem Hain wird ein prägnantes Bild formuliert, das sich als atmosphärischer Wert im Stadtraum verfestigt.
Zugleich ist dieses Wäldchen eine Referenz, die potentielle Zustände dieses Stadtraumes assoziativ auslotet. Das Boskett steht für ein Hervorbrechen eines von der Stadt überlagerten Naturzustandes, wie für eine ruderale Überlagerung aufgegebener Gleisanlagen.
Das Wäldchen ist so raumbestimmend konzipiert, dass es sowohl als assoziativer Link wie als poetisches Initial funktioniert. Seine Konturen definieren eine durchlässige Grenze, die einen Möglichkeitsraum zum klimatisierten Ausruhen, zum Wahrnehmen anderer atmosphärischer Qualitäten oder für Veranstaltungen schafft.
Die Stellung der Birken und Eichen interagiert mit der gestreckten Raumfigur. Sie nimmt damit Bezug auf die Bahnnutzung, die an deren Richtungsvorgabe noch zu erkennen ist, und ebenso auf die Nordfassade des Hamburger Bahnhofs. Der Hain verbindet sich mit den auf der Nordwestseite des Hamburger Bahnhofs vorhandenen Sukzessionsgehölzen unmittelbar zu einer zusammenhängenden Struktur.

Transformation der Boskettidee
Das Boskett wird als ein tradiertes gartenkünstlerisches Motiv aufgegriffen, mit dem körperhafte Vegetationselemente zu einer ornamentalen Struktur verbunden werden. Dieses Motiv verfügt über einen spezifischen Formenkanon und steht für eine signifikante kleinklimatische Situation und einen entsprechenden Lichtcharakter. Gestalterisch steht es für den Kontrast zwischen formaler Strenge und Offenheit, durch den eine kultivierte Wildheit evoziert wird.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Verfasser definieren den Ort aus dem neuen Stadtgefüge heraus und sehen Ihn als Passage.
Gleichzeitig wird die Kontinuität in Raum und Material aus der Geschichte des Ortes erkannt.
Die Verfasser wünschen sich den Raum als Ort der bewussten Verlangsamung.

Mit dem sogenannten urbanen Boskett wird ein neues, klar gefasstes Zentrum auf dem Platz definiert, welcher mit dem lichten Baumhain den Ort deutlich markiert.
Die gewählten Birken und Eichen erinnern dabei an die Geschichte ruderaler Gleisvegetation und schaffen gleichzeitig durch die Verwendung besonderer Sorten und durch die Dichte eine eigene Atmosphäre. Der Hain sucht räumlich die Verbindung mit dem Baumbestand am Hamburger Bahnhof.

Der Wiesengrund des Bosketts wird gefasst von Steinen unterschiedlicher Breite, die Wiese wird schräg leicht abgesenkt, sodass der Blick über den Platz durch die hellen Baumstämme immer offen und durchlässig bleibt. Die Einfassungen können als Sitzelemente zur Wiese genutzt werden, ergänzt von Loungesesseln. Es ist darauf zu achten, dass die Wiesen auch immer barrierefrei zu erreichen sind.
Lediglich die Sammlung des Spielbereiches in einem eigenen Kabinett wird kontrovers diskutiert, insbesondere die Einfassung mit einer Hecke, zumal die Ausstattung zu konventionell geraten sein mag.
Das Boskett, bestehend aus verschiedenen Kabinetten liegt zentral im umgebenden Platzraum, der das alte Pflaster verwendet, um die Gebäude geschliffen, zur Mitte hin rau. Die Flächen werden als Shared Space genutzt. Hier ist auf die Barrierefreiheit der fußläufigen Erschließung zu achten.
Der Zugang von der Invalidenstrasse wird aus dem Bestand entwickelt und einheitlich gepflastert, Stellplätze in einer Reihe Querparker im Westen angeordnet. So entsteht ein offener, möglichst weiter Blick nach Norden.

Der Zugang von der Heidestrasse, ein erhöhtes Beet auf Tiefgarage mit Doppelbaumreihe erscheint sehr schematisch und soll weiter qualifiziert werden. Anfahrschutz und Aufenthaltsqualität fehlen.
Die Arbeit führt die Vielzahl an Anforderungen, Restriktionen und Funktionen in ein klares Konzept zusammen, das einen neuen Charakter und eine besondere Identität für den Ort entwickeln kann.
Durch das zentrale Boskett gelingt es, Erschließungen, Blickbeziehungen, Orte der Ruhe und Bewegung deutlich und selbstverständlich zu ordnen.
Wege

Wege

ausgeprägter Ortscharakter

ausgeprägter Ortscharakter

Urbanes Boskett

Urbanes Boskett