modgnikehtotsyek
ALLE WETTBEWERBSERGEBNISSE, AUSSCHREIBUNGEN UND JOBS Jetzt Newsletter abonnieren

Nichtoffener Wettbewerb | 03/2014

Philologicum - Zentralbibliothek für die Philologischen Fächer

Anerkennung

Preisgeld: 6.000 EUR

Marina Stankovic Architekten BDA

Architektur

C+A Nagoya / Yasuyuki Ito.

Architektur

GuD Planungsgesellschaft für Ingenieurbau mbH

Tragwerksplanung

ZWP Ingenieur-AG

TGA-Fachplanung

hhpberlin - Ingenieure für Brandschutz GmbH

Brandschutzplanung

Erläuterungstext

Verfasser
Marina Stankovic Architekten BDA
Prof. Marina Stankovic, Dipl. Ing. Tobias Jortzick

C+A Nagoya Coelacanth & Associates
Prof. Yasuyuki Ito


Mitarbeiter
Daniel Suarez
Miyuki Yamamoto
Beatrix Redlich
Bruno Di Lecce



Konzept

Das Grundstück der Zentralbibliothek für die philologischen Fächer befindet sich an der Schnittstelle zwischen der Prachtstrasse Ludwigstrasse und dem studentisch geprägten Quartier der Maxvorstadt, das sich auf der Rückseite der LMU entfaltet.
Während die Ludwigstrasse hauptsächlich durch stadträumliche, repräsentative Gesichtspunkte gekennzeichnet ist, macht es sich der Entwurf zur Aufgabe, die charakteristischen Elemente beider Strukturen in einen positiven Dialog zu setzen. Repräsentation und Lebendigkeit gehen innerhalb des Projektes spannungsvoll miteinander um. Die repräsentative, historische Fassade lässt im Innern Raum für eine überraschende räumliche Struktur.

Entsprechend dem stadträumlichen Ansatz, Orte zu Verknüpfen und Wissen zu konzentrieren (die neue Zentralbibliothek wird 12 Fachbibliotheken zusammenführen), tritt der neue Baukörper in einen engen Dialog mit der denkmalgeschützte Hülle des ehemaligen Münchner Blindeninstituts.
Der neue Baukörper wird sensibel in die vorhandene, denkmalgeschützte Hülle eingepasst. Das Zentrum der Bibliothek nimmt den Buchbestand auf, weist eine ökonomische Geschosshöhe auf und wird von einer multifunktionalen Ringzone umschlossen. Alle notwendigen Serviceeinrichtungen, Fluchtwege, die Haustechnik und die Statik konzentrieren sich in dieser Ringzone, in einem vertikalen Raumtragwerk. Zwischen diesem Zentrum der Bibliothek und der vorhandenen Fassade sind Ebenen eingehängt, wo es die historischen Fassadenöffnungen zulassen. Das Auslassen einiger Ebenen erzeugt Lufträume und Sichtbeziehungen zwischen den Lesebereichen und macht das Verhältnis zwischen dem historischen Gebäudevolumen und dem neu eingefügten Baukörper verständlich.
Die Logik des neuen Tragsystems und Organisationsprinzips wird gerade durch diese Unregelmäßigkeit einfacher lesbar.

Nach Nordwesten überspringen die Terrassen das ehemalige Gebäudevolumen und bauen eine Beziehung zum Innenhof auf. Dieser Vorsprung sowie der Höhenversatz in der Dachebene gliedern und spezifizieren die neue Zentralbibliothek der philologischen Fächer und ermöglichen Kommunikation mit den nachbarlichen Bauten und Nutzern. Durch diese Geste wird die Bedeutung des vorhandenen Innenhofs aufgewertet und der Baukörper bekommt eine Präsenz zur Schellingstrasse. An diesem Verknüpfungspunkt liegt auch der Haupeingang.
Die beiden historischen Eingänge zur Ludwigstraße bleiben bestehen, sind durch ihre Lage und Ausbildung jedoch nicht barrierefrei.

Verknüpfen und Verweben
Die stadträumlichen und inhaltlichen Themen des Konzentrierens und Verknüpfens werden in der Struktur der Bibliothek fortgeführt. Das Eingehen auf die besonderen Gegebenheiten der historischen Fassade erzeugt dabei die individuelle Prägung der Architektur.

Die Strategie des Vernetzens wird nicht nur zwischen der Zentralbibliothek für die philologischen Fächer und dem Haus 'Schellingstr. 3 Vordergebäude' oberirdisch spürbar, sondern auch unterirdisch um die Anlieferung und den barrierefreien Zugang von der Tiefgarage der Schellingstr. 3 zu ermöglichen.
Diese überarbeitete, neue Eingangssituation verknüpft die Bibliothek mit dem Innenhof, der Schellingstrasse 3 und dem Innenhof der Ludwigstrasse 27, dem Salinenhof, über die Schellingstrasse hinweg. Diese Beziehungen werden durch die neu in Erscheinung tretende Fassade ermöglicht. Hier entsteht Entwicklungspotential und Lebendigkeit, die zur Ludwigstrasse hin aufgrund des Denkmalschutzes nicht möglich ist.
Das Zusammenführen der Buchbestände und ihrer 420.000 Medien, findet durch die Anlage von 3 Eingängen eine architektonische Entsprechung. Nachdem die Buchbestände im Kernbereich konzentriert wurden, aus der Mitte heraus orientieren sich die Lese- und Arbeitspbereiche in alle vier Gebäuderichtungen um Aus -und Einblicke zu ermöglichen.

Schale und Kern
In den letzten drei Dekaden wurden Bibliotheksgebäude als immer größere Strukturen konzipiert um das gesammelte Wissen in Form von Büchern, Filmen und digitalen Medien in einem Haus zu bündeln, das in der Folge auch unterschiedliche Arbeitssituationen zur Verfügung stellt. Der Entwurf für die Zentralbibliothek entwickelt ein räumliches Konzept, das dieses unterschiedliche Flächenangebot mit einer einfachen Geste organisiert.
Neben der Bereitstellung einer großen Anzahl an Büchern und Medien im zentralen Kernbereich, werden die Benutzerarbeitsplätze als Terrassen oder Balkone von diesem Bereich auskragen und die individuellen, flexiblen Flächen an den Buchbestand anbinden.
Ein Angebot an ergänzenden Veranstaltungen und Aktivitäten wird im EG verortet, da sich hier der nicht gesicherte Bereich befindet.
Mit dem Wandel in der Typologie der Bibliothek, wird die PBM auf dem neuen Paradigma basieren, innerhalb einer historischen Fassade dennoch eine extrovertierte Bibliothek zu werden.

Um diesem Anspruch gerecht zu werden, muss die Bibliothek als Organisation und Organismus eine beträchtliche Anzahl von inhaltlichen und organisatorischen Neuerungen moderieren, ihre Funktionsweise revolutionieren. Wie in einer Stadt entstehen Viertel. Es wird ein Zentrum und eine Peripherie geben, moderne und traditionelle Bereiche. Ähnlich einer Stadt müssen einzelne Abschnitte nicht von Dauer sein, Bereiche können immer wieder neu definiert, renoviert oder sogar ersetzt werden, ohne dass das Ganze verändert wird.


Das Fenster zum Garten
Als Gegenstück zur schweren Architektur der Ludwigstrasse, bietet der neue Baukörper ein angemessenes Maß an räumlicher und statischer Komplexität und gleichzeitiger Leichtigkeit.
Die neue Fassade ist so weitgehend verglast wie möglich, um den Lichteintrag in die historische Hülle zu maximieren und auch um Sichtbeziehungen zur Umgebung zu etablieren. Vor der Glasebene hängt ein filigranes Lamellensystem, das die Motive des Baumbestandes im Innenhof aufnimmt und die Sonneneinstrahlung, die aus Südwesten zu erwarten ist, minimiert. Aufgrund der Nordwest Orientierung dieser Fassade ist der Licht und Wärmeeintrag jedoch untergeordnet.
Das Sonnenschutzglas hat einen Ug-Wert von1,0 W/m²k und wird in dem doppelgeschossigen Bereich vorgespannt. Darüber hinaus übernimmt das Lamellensystem auch die Windaussteifung.


Learning facing Living
Der peripheren Bereiche sind dem neben dem konzentrierten Arbeiten auch dem Betrachten, dem Zuhören und Beiwohnen gewidmet. Dieser Bereich wird durch die verbindenden Lufträume flankiert, die gleichmäßig in den Ecken angeordnet sind. Die relativ einfach organisierten Bereiche der Bibliothek finden ihren Abschluss in dem Dachgeschoss, das sich durch die stählerne Tragstruktur den historischen Dachstuhl thematisiert.
Hier wird das statische System deutlich: ein vertikales Rahmentragwerk nimmt im Dachbereich ein Trägersystem auf, von dem die auskragenden Geschossplatten abgehängt werden. Die Vorgabe ohne sichtbare Unterzüge und mit minimalen Deckenhöhen die Auskragung zu organisieren, führte zu dem System der Abhängung.
Die visuellen Verknüpfungen und Durchwegungen durch das Haus werden durch die statische Rahmenstruktur gegliedert und gefiltert. Die notwendigen Serviceräume und Fluchttreppen sind auf den unterschiedlichen Geschossen immer an gleicher Stelle, übereinander, angeordnet und somit leicht auffindbar.


Innen und außen / oben und unten
Eingang und Vorplatz der neuen Bibliothek sind visuell mit der Schellingstrasse verbunden. Der Vorplatz verteilt den Besucherverkehr und bietet gleichzeitig eine Aufenthaltsqualität, die inhaltlich und in ihren Proportionen auf die Größe des Innenhofs reagiert.
Der erste Weg des neuankommenden Besuchers führt unter dem austragenden 1.OG in den Lobbybereich, zur Info und Anmeldetheke, oder aber über den Veranstaltungsbereich wieder hinaus auf die Ludwigstrasse.
Die Erschließung ist effizient und direkt im Rahmentragwerk organisiert, wobei die Kaskadentreppe eine individuelle, promenierende Erschließung erlaubt, nachdem man die Sicherungsanlage einmal hinter sich gelassen hat.
Der barrierefreie Zugang erfolgt im UG über einen Verbindungskorridor, der zu einer Hubplatform führt. Dieser Hublift steuert nur das EG und das Hochparterre an.

Rauh und glatt
Die Materialität der neuen Gebäudestruktur wird durch die Stahlkonstruktion bestimmt, die mit unterschiedlichen Glasqualitäten und Transparenzen verkleidet wird wo es nötig oder wünschenswert ist. Fußböden werden in Epoxydharz ausgeführt, um eine homogene Oberfläche bei minimaler Aufbauhöhe zu realisieren. Alle bibliotheksspezifischen Einbauten werden in geweißtem Sperrholz gefertigt um zusammen mit Fußboden und Deckenuntersichten die Belichtungssituation positiv zu beeinflussen.


Nachhaltigkeit
Das Energiekonzept bildet mit dem Gebäudeentwurf ein ganzheitliches System.
Dabei sind zwei wesentliche Aspekte hervorzuheben.
Der eine Aspekt ist die Minimierung des Energieverbrauches, dieser wird durch den Einsatz hocheffizienter Techniken, wie EC-Motoren, hocheffektive Wärmerückgewinnungsanlagen, adiabate Befeuchtung der Lüftungsanlagen zur Kältegewinnung usw. erreicht.
Aber auch durch intelligente Systeme.
So wird ein Tageslicht und Präsenz abhängiges Beleuchtungssystem eingesetzt sowie hocheffiziente Beleuchtungsmittel, auch LEDs, da der wesentliche Verbrauchsfaktor in einer Bibliothek der Stromverbrauch für Beleuchtung ist.
Der zweite Aspekt ist, dass sich die technische Gebäudeausrüstung, vor allem die lufttechnischen Anlagen, optimal in den Baukörper integriert.
Die Luftverteilung erfolgt vertikal über Flächen sparende Installationsschächte und horizontal über in der Betondecke integrierte Verteilsysteme, die sogenannte luftgeführte Betonkernaktivierung.
Damit wird großzügige Raumfreiheit geschaffen und das Gebäude energetisch optimiert.


Brandschutzkonzept
Die Rettungswege im Gebäude werden baulich über zwei notwendige Treppenräume, mit jeweils zwei Treppenläufen in Schachtelbauweise sichergestellt. Aufgrund der Bibliotheksnutzung wird das gesamte Gebäude als Versammlungsstätte bewertet, so dass eine lichte Rettungswegbreite von jeweils mindestens 1,20 m erforderlich ist. Die beiden Treppenräume können somit eine Personenanzahl von insgesamt 800 Personen gemäß dem Ansatz der Versammlungsstättenverordnung entfluchten. Im Erdgeschoss gelangen die Personen aus den notwendigen Treppenräumen direkt ins Freie auf den Hof, des Weiteren stehen noch die beiden Haupteingänge an der Ludwigstraße zur Verfügung. In den Obergeschossen führen die Rettungswege über die beiden Treppenräume. Die zulässige Rettungsweglänge von 30 m wird grundsätzlich von allen Standorten her eingehalten.
Das gesamte Gebäude wird als ein Brandabschnitt ausgebildet, hierin besteht bei einer Gebäudebreite von 63 m eine Abweichung, da gemäß BayBO nach 40 m eine innere Brandwand erforderlich wäre. Hierfür ist eine vollflächige Löschanlage vorzusehen, welche auch als Kompensation der Lufträume über alle Geschosse dient. Die notwendigen Treppenräume werden mit einer Bauart Brandwand abgetrennt. Im zweiten Obergeschoss sind die Verwaltungsräume von dem restlichen Versammlungsbereich abgetrennt. Im Kellergeschoss sind die Technikräume von der Versammlungsstätte abgetrennt, der erste Rettungsweg aus diesen Bereichen führt nicht über die Flächen der Versammlungsstätte
Im Gebäude ist neben der Löschanlage eine flächendecke Brandmelde- und Alarmierungsanlage (mit Sprachalarmierung) mit Aufschaltung zur örtlichen Feuerwehr notwendig. Die Entrauchung der Technik- und Nebenflächen im Untergeschoss erfolgt über Kellerschächte (natürliche Rauchableitung). Innenliegende Räume werden, sofern gesprinklert, über die Lüftungsanlage entraucht. Alle anderen außen liegenden Räume können über Ausgangstüren und Fensteröffnungen bzw. Dachöffnungen gemäß den Anforderungen der Versammlungsstättenverordnung entraucht werden.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit macht es sich zum Thema den alten Bestand und die neue Nutzung zu „verknüpfen und zu verweben“.
Zu diesem Zwecke stellt sie einen Ring aus Erschließungen und Nebenräumen asymmetrisch in den Baubestand und verschiebt von dort an unterschiedlichen Stellen Geschossebenen bis an den Bestand heran.
Innerhalb des eingestellten Rings befindet sich die überwiegende Anzahl der Regale. Die verschobenen Ebenen bilden unterschiedlich hohe vielfältige Raumsituationen, die ein gutes Angebot für die künftige Nutzung zur Verfügung stellen. So schön die räumlichen Volumen sind und so logisch die Aufteilung ist, so bleibt doch ein sehr großer vergleichsweise hermetischer Bereich im Inneren, dessen Nutzung nur schlecht anpassbar ist. Das Beleuchtungskonzept schafft hier möglicherweise Abhilfe, wird die Nachteile aber nicht vollständig aufheben können.
Um auch in Richtung Westen Ebenen verschieben zu können bilden die Verfasser eine Art gläsernen Mittelrisalit, der aus dem Umgriff des Gebäudes herausgeschoben wird. Dies bildet einen starken Kontrast zu den bestehenden Seitenrisaliten, ohne dass erkennbar würde, wie die gläserne Lamellenstruktur dieser anspruchsvollen Aufgabe gerecht werden sollte. Auch der Sonnenschutz ist in der vorgestellten Form sicher nicht ausreichend. Das heraus geschobene Bauteil erfordert auch eine Dachlösung, die denkmalpflegerisch schwierig ist.
Das durch den Vorbau formulierte große Vordach verschattet die UG Nutzung stark. Zudem wird die Geste des großen Eingangs durch die direkt dahinterliegende Erschließungsschicht weitgehend entwertet.
Die Funktionalität scheint grundsätzlich herstellbar, wäre gerade im Bereich der Anlieferung und der Zentralfunktionen im Erdgeschoss aber noch stark zu überarbeiten.
Insgesamt eine Arbeit, die räumlich reizvolle Situationen anbietet. Die unbestreitbaren Qualitäten werden aber mit Einschränkungen in anderen Bereichen erkauft.